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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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für den aus mehligen Stoffen, denen sich hier vielfach der Mais zugesellt, ge¬
brannten Spiritus ein höherer Preis als für den norddeutsche" festgesetzt werden.

Aus dem eben angeführten erhellt zugleich, wie falsch es ist, in jener Preis¬
festsetzung eine Unterstützung des Großgrundbesitzes zu erblicken, während sie
in Wahrheit der Landwirtschaft, die sich unter den gegenwärtigen Verhältnissen
in einer trostlosen Lage befindet, wieder Luft schafft. Wäre das unter dem
Monopol nicht der Fall, so würden wir mit aller Entschiedenheit gegen das¬
selbe sein müssen. Gerade dieser Punkt, die hohe wirtschaftliche Bedeutung des
Monopols für die Landwirtschaft, ist es ja, welcher anch dem Tabaksmonopole
in dem tabakbaueuden Süden des deutscheu Reiches in der ländlichen Bevöl¬
kerung die allgemeinste Zustimmung sicherte und welcher auch jetzt dem Brannt¬
weinmonopol wieder zuerst die ländliche Bevölkerung gewinnt, wie denn über¬
haupt die süddeutsche Bevölkerung den praktischen wirtschaftlichen Fragen ein
freieres und offeneres Verständnis entgegenbringt als der Norden, wo viel mehr
das Schlagwort der Partei und das politische Vorurteil herrscht. Und die
Landwirtschaft im Süden wie im Norden des deutschen Reiches bedarf einer
helfenden Hand in hohem Grade. Diesem Umstände ist es anch wohl neben
den finanzpolitischen Vorteilen, welche das Monopol verspricht, in erster Reihe
zuzuschreiben, daß die süddeutschen Regierungen und alle diejenigen Körper¬
schaften in Süddeutschland, in welchen die Landwirtschafts-, Weinbau- und Ge-
werbeinterefsenten die Oberhand haben, für das Monopol Stellung genommen,
und fast nur die Händler, die Destillateure und die Handelskammern, in denen ja
das immer manchesterliche kaufmännische Element den Ausschlag giebt, sich da¬
gegen entschieden haben, wobei indessen die sehr erheblichen Minderheiten für
das Monopol wohl zu beachten sind. Besonders verdient der elsaß-lothringische
Landesausschnß Erwähnung, in welchem eine ganze Anzahl einflußreicher el-
sässischer Mitglieder, entgegen der schroffen Ablehnung des klerikalen Mitgliedes
Winterer und eines Protestlers, sich durchaus für das Branntweinmonopol aus¬
gesprochen haben, vorausgesetzt, daß die reichsländischen Klein- und Eigenbreuuer
geschont werden.

Diese Klein- und Eigenbrcnner sind nämlich eine süddeutsche Spezialität,
welche in einzelnen Gegenden Baierns, im würtembergischen Schwarzwalde, in
Hessen und besonders in Baden und Elsaß-Lothringen zahlreich vertreten ist.
In letzterem Lande giebt man die Zahl der Eigenbrenner nahezu auf 30000
an, noch höher in Baden, wobei allerdings jeder Wurstkessel, in welchem des
Jahres einmal Steinobst oder Treffer gebrannt werden, mitgezählt worden ist.
Die Eigenbrennerci wird fast von allen Bauern betrieben, von denen ein sehr
großer Teil nicht in geschlossenen Gemeinden, sondern zerstreut und vereinzelt
in den Thälern, Bergen nud Hochplateaus des Schwarzwaldes, der Vogesen,
des Hardtgebirges und der bairischen Gebirgszüge wohnt. Man brennt da
den eignen Obstertrag an Kirschen, Zwetschgen und Treffern (ausgepreßten Wein-


für den aus mehligen Stoffen, denen sich hier vielfach der Mais zugesellt, ge¬
brannten Spiritus ein höherer Preis als für den norddeutsche» festgesetzt werden.

Aus dem eben angeführten erhellt zugleich, wie falsch es ist, in jener Preis¬
festsetzung eine Unterstützung des Großgrundbesitzes zu erblicken, während sie
in Wahrheit der Landwirtschaft, die sich unter den gegenwärtigen Verhältnissen
in einer trostlosen Lage befindet, wieder Luft schafft. Wäre das unter dem
Monopol nicht der Fall, so würden wir mit aller Entschiedenheit gegen das¬
selbe sein müssen. Gerade dieser Punkt, die hohe wirtschaftliche Bedeutung des
Monopols für die Landwirtschaft, ist es ja, welcher anch dem Tabaksmonopole
in dem tabakbaueuden Süden des deutscheu Reiches in der ländlichen Bevöl¬
kerung die allgemeinste Zustimmung sicherte und welcher auch jetzt dem Brannt¬
weinmonopol wieder zuerst die ländliche Bevölkerung gewinnt, wie denn über¬
haupt die süddeutsche Bevölkerung den praktischen wirtschaftlichen Fragen ein
freieres und offeneres Verständnis entgegenbringt als der Norden, wo viel mehr
das Schlagwort der Partei und das politische Vorurteil herrscht. Und die
Landwirtschaft im Süden wie im Norden des deutschen Reiches bedarf einer
helfenden Hand in hohem Grade. Diesem Umstände ist es anch wohl neben
den finanzpolitischen Vorteilen, welche das Monopol verspricht, in erster Reihe
zuzuschreiben, daß die süddeutschen Regierungen und alle diejenigen Körper¬
schaften in Süddeutschland, in welchen die Landwirtschafts-, Weinbau- und Ge-
werbeinterefsenten die Oberhand haben, für das Monopol Stellung genommen,
und fast nur die Händler, die Destillateure und die Handelskammern, in denen ja
das immer manchesterliche kaufmännische Element den Ausschlag giebt, sich da¬
gegen entschieden haben, wobei indessen die sehr erheblichen Minderheiten für
das Monopol wohl zu beachten sind. Besonders verdient der elsaß-lothringische
Landesausschnß Erwähnung, in welchem eine ganze Anzahl einflußreicher el-
sässischer Mitglieder, entgegen der schroffen Ablehnung des klerikalen Mitgliedes
Winterer und eines Protestlers, sich durchaus für das Branntweinmonopol aus¬
gesprochen haben, vorausgesetzt, daß die reichsländischen Klein- und Eigenbreuuer
geschont werden.

Diese Klein- und Eigenbrcnner sind nämlich eine süddeutsche Spezialität,
welche in einzelnen Gegenden Baierns, im würtembergischen Schwarzwalde, in
Hessen und besonders in Baden und Elsaß-Lothringen zahlreich vertreten ist.
In letzterem Lande giebt man die Zahl der Eigenbrenner nahezu auf 30000
an, noch höher in Baden, wobei allerdings jeder Wurstkessel, in welchem des
Jahres einmal Steinobst oder Treffer gebrannt werden, mitgezählt worden ist.
Die Eigenbrennerci wird fast von allen Bauern betrieben, von denen ein sehr
großer Teil nicht in geschlossenen Gemeinden, sondern zerstreut und vereinzelt
in den Thälern, Bergen nud Hochplateaus des Schwarzwaldes, der Vogesen,
des Hardtgebirges und der bairischen Gebirgszüge wohnt. Man brennt da
den eignen Obstertrag an Kirschen, Zwetschgen und Treffern (ausgepreßten Wein-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/252>, abgerufen am 05.02.2025.