Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.Die hannoversche Gesellschaft. innern uns genau, gehört zu haben, daß ein preußischer Offizier eines Tages Ein eigentümliches Verfahren Gästen gegenüber hat den hannoverschen Das Anstoßen und Anklingen mit den Gläsern war verpönt. Wenn am Doch genug davon. Es war eine Folge der eben geschilderten Verhält¬ Die hannoversche Gesellschaft. innern uns genau, gehört zu haben, daß ein preußischer Offizier eines Tages Ein eigentümliches Verfahren Gästen gegenüber hat den hannoverschen Das Anstoßen und Anklingen mit den Gläsern war verpönt. Wenn am Doch genug davon. Es war eine Folge der eben geschilderten Verhält¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0024" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197448"/> <fw type="header" place="top"> Die hannoversche Gesellschaft.</fw><lb/> <p xml:id="ID_50" prev="#ID_49"> innern uns genau, gehört zu haben, daß ein preußischer Offizier eines Tages<lb/> einem hannoverschen gegenüber diesen Vorgang für unmöglich erklärte. Auf<lb/> Verlangen richtete er eine darauf bezügliche Frage an den anwesenden .Kom¬<lb/> mandeur des Regiments, auf dessen Messe er sich als Gast befand. Lachend<lb/> erwiederte dieser, daß es nicht nur möglich sei, souderu daß er es sogar jedem<lb/> Offizier im höchsten Grade verargen würde, der ihm gegenüber eine Ausnahme<lb/> von der Regel machen wollte.</p><lb/> <p xml:id="ID_51"> Ein eigentümliches Verfahren Gästen gegenüber hat den hannoverschen<lb/> Messen außerhalb des Laudes einen bösen Namen gemacht. Erschien ein Offizier<lb/> mit einem Gaste auf der Messe, so war das erste, den Gast dein Präsidenten,<lb/> darauf aber auch sämtlichen übrigen anwesenden Herren vorzustellen. Dann be¬<lb/> legte er für ihn den Ehrenplatz an der Seite des Präsidenten, der einzige Fall,<lb/> wo dies gestattet war. War dann die Suppe genossen, stand der Wein auf<lb/> dem Tisch, der, beiläufig gesagt, nur in geschliffenen Karaffen erscheinen durfte,<lb/> so konnte der Wirt sicher darauf rechnen, daß einer seiner Kameraden nach dem<lb/> andern einen der Diener mit den Worten sandte: „Herr Leutnant oder Herr<lb/> Hauptmann N. N. wünscht mit dem Herrn Oberst, Hauptmann ?c, und seinem Gast<lb/> ein Glas Wein zu trinken." Sobald diese Botschaft überbracht war, füllte der<lb/> Wirt das Glas seines Gastes wie sein eignes, dann wurden die Gläser er¬<lb/> hoben, man verbeugte sich gegen den Herrn, von dem die Aufforderung ergangen<lb/> war, wie dieser gegen sie, und beide Parteien leerten ihre Gläser. Bei dieser<lb/> Haupt- und Stciatsaktivn galt aber die alte Regel: MI vient ^on pill, i»ut<lb/> örinlc v1ig,t ^on nit. Es genügte, wenn nur einige Tropfen im Glase waren,<lb/> aber ausgetrunken mußte werden. Wer diese Regel nicht kannte oder nicht be¬<lb/> folgte, mußte die Folge» des zuviel genossenen Weines ertragen. Diesem Ge¬<lb/> schick verfielen fremde Herren sehr häufig und pflegten daun den Messen das<lb/> zur Last zu legen, was nur Folge ihrer mangelnden Kenntnis der hannover¬<lb/> schen Sitten war.</p><lb/> <p xml:id="ID_52"> Das Anstoßen und Anklingen mit den Gläsern war verpönt. Wenn am<lb/> Geburtstage des Königs die Gesundheit Sr. Majestät ausgebracht war, erhob<lb/> sich jeder, sobald das Hipp, hipp, hipp, hurrah! erscholl, von seinem Sitze,<lb/> faßte sein Glas mit der rechten Hand, leerte es, sobald die letzten Töne des<lb/> Hock SÄVö dirs Kinx verhallt waren und setzte sich wieder. Ein Greuel ist uoch<lb/> heute jedem Althaunovercmer das wirre, wilde Gerenne, welches entsteht, wenn<lb/> alles sich herandrängt, um mit dem anzustoßen, welcher die betreffende Gesundheit<lb/> ausgebracht hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_53" next="#ID_54"> Doch genug davon. Es war eine Folge der eben geschilderten Verhält¬<lb/> nisse, daß die Offiziere eines Regiments sich gegen einander zwar nicht ans dem<lb/> Fuße vollkommner Gleichheit bewegten, daß aber die jüngern in den ältern nicht<lb/> den Vorgesetzten, sondern das Alter und die größere Erfahrung ehrten. Man<lb/> benahm sich als Gentleman und verkehrte außer Dienst als solcher miteinander.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0024]
Die hannoversche Gesellschaft.
innern uns genau, gehört zu haben, daß ein preußischer Offizier eines Tages
einem hannoverschen gegenüber diesen Vorgang für unmöglich erklärte. Auf
Verlangen richtete er eine darauf bezügliche Frage an den anwesenden .Kom¬
mandeur des Regiments, auf dessen Messe er sich als Gast befand. Lachend
erwiederte dieser, daß es nicht nur möglich sei, souderu daß er es sogar jedem
Offizier im höchsten Grade verargen würde, der ihm gegenüber eine Ausnahme
von der Regel machen wollte.
Ein eigentümliches Verfahren Gästen gegenüber hat den hannoverschen
Messen außerhalb des Laudes einen bösen Namen gemacht. Erschien ein Offizier
mit einem Gaste auf der Messe, so war das erste, den Gast dein Präsidenten,
darauf aber auch sämtlichen übrigen anwesenden Herren vorzustellen. Dann be¬
legte er für ihn den Ehrenplatz an der Seite des Präsidenten, der einzige Fall,
wo dies gestattet war. War dann die Suppe genossen, stand der Wein auf
dem Tisch, der, beiläufig gesagt, nur in geschliffenen Karaffen erscheinen durfte,
so konnte der Wirt sicher darauf rechnen, daß einer seiner Kameraden nach dem
andern einen der Diener mit den Worten sandte: „Herr Leutnant oder Herr
Hauptmann N. N. wünscht mit dem Herrn Oberst, Hauptmann ?c, und seinem Gast
ein Glas Wein zu trinken." Sobald diese Botschaft überbracht war, füllte der
Wirt das Glas seines Gastes wie sein eignes, dann wurden die Gläser er¬
hoben, man verbeugte sich gegen den Herrn, von dem die Aufforderung ergangen
war, wie dieser gegen sie, und beide Parteien leerten ihre Gläser. Bei dieser
Haupt- und Stciatsaktivn galt aber die alte Regel: MI vient ^on pill, i»ut
örinlc v1ig,t ^on nit. Es genügte, wenn nur einige Tropfen im Glase waren,
aber ausgetrunken mußte werden. Wer diese Regel nicht kannte oder nicht be¬
folgte, mußte die Folge» des zuviel genossenen Weines ertragen. Diesem Ge¬
schick verfielen fremde Herren sehr häufig und pflegten daun den Messen das
zur Last zu legen, was nur Folge ihrer mangelnden Kenntnis der hannover¬
schen Sitten war.
Das Anstoßen und Anklingen mit den Gläsern war verpönt. Wenn am
Geburtstage des Königs die Gesundheit Sr. Majestät ausgebracht war, erhob
sich jeder, sobald das Hipp, hipp, hipp, hurrah! erscholl, von seinem Sitze,
faßte sein Glas mit der rechten Hand, leerte es, sobald die letzten Töne des
Hock SÄVö dirs Kinx verhallt waren und setzte sich wieder. Ein Greuel ist uoch
heute jedem Althaunovercmer das wirre, wilde Gerenne, welches entsteht, wenn
alles sich herandrängt, um mit dem anzustoßen, welcher die betreffende Gesundheit
ausgebracht hat.
Doch genug davon. Es war eine Folge der eben geschilderten Verhält¬
nisse, daß die Offiziere eines Regiments sich gegen einander zwar nicht ans dem
Fuße vollkommner Gleichheit bewegten, daß aber die jüngern in den ältern nicht
den Vorgesetzten, sondern das Alter und die größere Erfahrung ehrten. Man
benahm sich als Gentleman und verkehrte außer Dienst als solcher miteinander.
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