Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Historische Romane.

welches hoffentlich bald Nachahmung findet. Die Darstellung ist so anschaulich
und macht durch ihre Wärme und Begeisterung einen so wohlthuenden Eindruck,
daß das Werk sicher auch in weitern Kreisen beifällige Aufnahme finden wird.
Eine knappere Fassung würde vielleicht hie und da der Frische der Darstellung
zu gute gekommen sein. Aber dem Verfasser ist es, was wir besonders hervor¬
heben möchten, im großen und ganzen geglückt, eine Gefahr zu vermeiden, welche
bei einem derartigen Thema zu nahe liegt: daß die Bedeutung des Helden
gegenüber der Schilderung der allgemeinen Zeitlagc zu sehr zurücktritt. Mit
großem Geschick ist das Bild des Helden in den Nahmen der gleichzeitigen Ge¬
schichte eingefügt. Für die Geschichte des siebenjährigen Krieges erhalten wir
daneben die wertvollsten Aufklärungen; die Beziehungen Friedrichs zu einem
seiner bedeutendsten Generale, die Parteien in? preußischen Heere und die von
ihnen bis zum heutigen Tage sich fortpflanzenden Traditionen treten hier zum
erstenmale in eine wirklich historische Beleuchtung.




Historische Romane.

s ist schon jetzt kein Zweifel, daß auch die Literaturgeschichte
dereinst mit der Gründung des neuen deutschen Reiches einen
eignen Abschnitt beginnen wird. Wie auch das Urteil der künftigen
Geschlechter über die einzelnen Erscheinungen unsrer Zeit lauten
wird, ob die heutigen Tagesgrößen bis auf deu Namen ver¬
schwinden werden, mancher Name dagegen, der gegenwärtig minder häufig genannt
wird, in umso hellerm Glänze strahlen wird: wie auch immer oas Bild unsrer
zeitgenössischen Literatur von dem Standpunkte eines um ein halbes oder ganzes
Jahrhundert spätern wird aussehe" mögen -- es wird der Charakterzug darin
nicht fehlen dürfen, daß unser Geschlecht sich der Größe seines Erwerbes auf
Politischen Gebiete lebhaft bewußt war, und daß dieses nationale Hochgefühl
die Quelle so mancher dichterischen Arbeit wurde; das ist nun einmal die
Signatur der Zeit, um diese Empfindung dreht sich unser aller Gedanke. Es
giebt keinen Lyriker vou Bedeutung, der ihr nicht Ausdruck verliehen hätte, und
wenn auch das Drama darniederliegt -- Gott weiß, wer mehr Schuld daran
hat, die Theater oder die Dichter --, so ist doch in der Romanliteratur manches
gute Kunstwerk erschienen, und näher oder entfernter wird immer das größte
Erlebnis des Volkes in ihm berührt: seine politische Wiedergeburt. Ein Oskar
von Redwitz schreibt einen sentimentalen Gvuveruantenromcm, in dem der letzte


Historische Romane.

welches hoffentlich bald Nachahmung findet. Die Darstellung ist so anschaulich
und macht durch ihre Wärme und Begeisterung einen so wohlthuenden Eindruck,
daß das Werk sicher auch in weitern Kreisen beifällige Aufnahme finden wird.
Eine knappere Fassung würde vielleicht hie und da der Frische der Darstellung
zu gute gekommen sein. Aber dem Verfasser ist es, was wir besonders hervor¬
heben möchten, im großen und ganzen geglückt, eine Gefahr zu vermeiden, welche
bei einem derartigen Thema zu nahe liegt: daß die Bedeutung des Helden
gegenüber der Schilderung der allgemeinen Zeitlagc zu sehr zurücktritt. Mit
großem Geschick ist das Bild des Helden in den Nahmen der gleichzeitigen Ge¬
schichte eingefügt. Für die Geschichte des siebenjährigen Krieges erhalten wir
daneben die wertvollsten Aufklärungen; die Beziehungen Friedrichs zu einem
seiner bedeutendsten Generale, die Parteien in? preußischen Heere und die von
ihnen bis zum heutigen Tage sich fortpflanzenden Traditionen treten hier zum
erstenmale in eine wirklich historische Beleuchtung.




Historische Romane.

s ist schon jetzt kein Zweifel, daß auch die Literaturgeschichte
dereinst mit der Gründung des neuen deutschen Reiches einen
eignen Abschnitt beginnen wird. Wie auch das Urteil der künftigen
Geschlechter über die einzelnen Erscheinungen unsrer Zeit lauten
wird, ob die heutigen Tagesgrößen bis auf deu Namen ver¬
schwinden werden, mancher Name dagegen, der gegenwärtig minder häufig genannt
wird, in umso hellerm Glänze strahlen wird: wie auch immer oas Bild unsrer
zeitgenössischen Literatur von dem Standpunkte eines um ein halbes oder ganzes
Jahrhundert spätern wird aussehe» mögen — es wird der Charakterzug darin
nicht fehlen dürfen, daß unser Geschlecht sich der Größe seines Erwerbes auf
Politischen Gebiete lebhaft bewußt war, und daß dieses nationale Hochgefühl
die Quelle so mancher dichterischen Arbeit wurde; das ist nun einmal die
Signatur der Zeit, um diese Empfindung dreht sich unser aller Gedanke. Es
giebt keinen Lyriker vou Bedeutung, der ihr nicht Ausdruck verliehen hätte, und
wenn auch das Drama darniederliegt — Gott weiß, wer mehr Schuld daran
hat, die Theater oder die Dichter —, so ist doch in der Romanliteratur manches
gute Kunstwerk erschienen, und näher oder entfernter wird immer das größte
Erlebnis des Volkes in ihm berührt: seine politische Wiedergeburt. Ein Oskar
von Redwitz schreibt einen sentimentalen Gvuveruantenromcm, in dem der letzte


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0227" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197651"/>
          <fw type="header" place="top"> Historische Romane.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_673" prev="#ID_672"> welches hoffentlich bald Nachahmung findet. Die Darstellung ist so anschaulich<lb/>
und macht durch ihre Wärme und Begeisterung einen so wohlthuenden Eindruck,<lb/>
daß das Werk sicher auch in weitern Kreisen beifällige Aufnahme finden wird.<lb/>
Eine knappere Fassung würde vielleicht hie und da der Frische der Darstellung<lb/>
zu gute gekommen sein. Aber dem Verfasser ist es, was wir besonders hervor¬<lb/>
heben möchten, im großen und ganzen geglückt, eine Gefahr zu vermeiden, welche<lb/>
bei einem derartigen Thema zu nahe liegt: daß die Bedeutung des Helden<lb/>
gegenüber der Schilderung der allgemeinen Zeitlagc zu sehr zurücktritt. Mit<lb/>
großem Geschick ist das Bild des Helden in den Nahmen der gleichzeitigen Ge¬<lb/>
schichte eingefügt. Für die Geschichte des siebenjährigen Krieges erhalten wir<lb/>
daneben die wertvollsten Aufklärungen; die Beziehungen Friedrichs zu einem<lb/>
seiner bedeutendsten Generale, die Parteien in? preußischen Heere und die von<lb/>
ihnen bis zum heutigen Tage sich fortpflanzenden Traditionen treten hier zum<lb/>
erstenmale in eine wirklich historische Beleuchtung.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Historische Romane.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_674" next="#ID_675"> s ist schon jetzt kein Zweifel, daß auch die Literaturgeschichte<lb/>
dereinst mit der Gründung des neuen deutschen Reiches einen<lb/>
eignen Abschnitt beginnen wird. Wie auch das Urteil der künftigen<lb/>
Geschlechter über die einzelnen Erscheinungen unsrer Zeit lauten<lb/>
wird, ob die heutigen Tagesgrößen bis auf deu Namen ver¬<lb/>
schwinden werden, mancher Name dagegen, der gegenwärtig minder häufig genannt<lb/>
wird, in umso hellerm Glänze strahlen wird: wie auch immer oas Bild unsrer<lb/>
zeitgenössischen Literatur von dem Standpunkte eines um ein halbes oder ganzes<lb/>
Jahrhundert spätern wird aussehe» mögen &#x2014; es wird der Charakterzug darin<lb/>
nicht fehlen dürfen, daß unser Geschlecht sich der Größe seines Erwerbes auf<lb/>
Politischen Gebiete lebhaft bewußt war, und daß dieses nationale Hochgefühl<lb/>
die Quelle so mancher dichterischen Arbeit wurde; das ist nun einmal die<lb/>
Signatur der Zeit, um diese Empfindung dreht sich unser aller Gedanke. Es<lb/>
giebt keinen Lyriker vou Bedeutung, der ihr nicht Ausdruck verliehen hätte, und<lb/>
wenn auch das Drama darniederliegt &#x2014; Gott weiß, wer mehr Schuld daran<lb/>
hat, die Theater oder die Dichter &#x2014;, so ist doch in der Romanliteratur manches<lb/>
gute Kunstwerk erschienen, und näher oder entfernter wird immer das größte<lb/>
Erlebnis des Volkes in ihm berührt: seine politische Wiedergeburt. Ein Oskar<lb/>
von Redwitz schreibt einen sentimentalen Gvuveruantenromcm, in dem der letzte</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0227] Historische Romane. welches hoffentlich bald Nachahmung findet. Die Darstellung ist so anschaulich und macht durch ihre Wärme und Begeisterung einen so wohlthuenden Eindruck, daß das Werk sicher auch in weitern Kreisen beifällige Aufnahme finden wird. Eine knappere Fassung würde vielleicht hie und da der Frische der Darstellung zu gute gekommen sein. Aber dem Verfasser ist es, was wir besonders hervor¬ heben möchten, im großen und ganzen geglückt, eine Gefahr zu vermeiden, welche bei einem derartigen Thema zu nahe liegt: daß die Bedeutung des Helden gegenüber der Schilderung der allgemeinen Zeitlagc zu sehr zurücktritt. Mit großem Geschick ist das Bild des Helden in den Nahmen der gleichzeitigen Ge¬ schichte eingefügt. Für die Geschichte des siebenjährigen Krieges erhalten wir daneben die wertvollsten Aufklärungen; die Beziehungen Friedrichs zu einem seiner bedeutendsten Generale, die Parteien in? preußischen Heere und die von ihnen bis zum heutigen Tage sich fortpflanzenden Traditionen treten hier zum erstenmale in eine wirklich historische Beleuchtung. Historische Romane. s ist schon jetzt kein Zweifel, daß auch die Literaturgeschichte dereinst mit der Gründung des neuen deutschen Reiches einen eignen Abschnitt beginnen wird. Wie auch das Urteil der künftigen Geschlechter über die einzelnen Erscheinungen unsrer Zeit lauten wird, ob die heutigen Tagesgrößen bis auf deu Namen ver¬ schwinden werden, mancher Name dagegen, der gegenwärtig minder häufig genannt wird, in umso hellerm Glänze strahlen wird: wie auch immer oas Bild unsrer zeitgenössischen Literatur von dem Standpunkte eines um ein halbes oder ganzes Jahrhundert spätern wird aussehe» mögen — es wird der Charakterzug darin nicht fehlen dürfen, daß unser Geschlecht sich der Größe seines Erwerbes auf Politischen Gebiete lebhaft bewußt war, und daß dieses nationale Hochgefühl die Quelle so mancher dichterischen Arbeit wurde; das ist nun einmal die Signatur der Zeit, um diese Empfindung dreht sich unser aller Gedanke. Es giebt keinen Lyriker vou Bedeutung, der ihr nicht Ausdruck verliehen hätte, und wenn auch das Drama darniederliegt — Gott weiß, wer mehr Schuld daran hat, die Theater oder die Dichter —, so ist doch in der Romanliteratur manches gute Kunstwerk erschienen, und näher oder entfernter wird immer das größte Erlebnis des Volkes in ihm berührt: seine politische Wiedergeburt. Ein Oskar von Redwitz schreibt einen sentimentalen Gvuveruantenromcm, in dem der letzte

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/227
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/227>, abgerufen am 05.02.2025.