Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.Vor Verlust des volkstums durch die Sprache. des Sprechens in der Muttersprache verrichtet. Dieselben " ausgcfnhrenen Nun werden die Sprachen beider in ihren Lauten manches gemeinsam Dieses umgekehrte Verhältnis drückt das Grundgesetz aus, welches bei der Vor Verlust des volkstums durch die Sprache. des Sprechens in der Muttersprache verrichtet. Dieselben „ ausgcfnhrenen Nun werden die Sprachen beider in ihren Lauten manches gemeinsam Dieses umgekehrte Verhältnis drückt das Grundgesetz aus, welches bei der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0164" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197588"/> <fw type="header" place="top"> Vor Verlust des volkstums durch die Sprache.</fw><lb/> <p xml:id="ID_483" prev="#ID_482"> des Sprechens in der Muttersprache verrichtet. Dieselben „ ausgcfnhrenen<lb/> Bahnen" bestehen nicht minder für seinen Nnchbnr, mit dem er als Unbekannter<lb/> zusammentrifft.</p><lb/> <p xml:id="ID_484"> Nun werden die Sprachen beider in ihren Lauten manches gemeinsam<lb/> haben; soweit dieses reicht, braucht keiner derselben seine „anSgefahrcnen<lb/> Bahnen" verlassen. Neu und schwer erscheint ihnen nnr diejenige Arbeit,<lb/> die sich ihnen beim nachsprechen des bisher ihnen unbekannten Sprachbestand¬<lb/> teiles bietet. Es fragt sich nnn hierbei, wer mehr Arbeit bei dieser Erzeugung<lb/> verrichten muß. Es ist leicht einzusehen, daß demjenigen die Arbeit schwerer<lb/> werden wird, dessen Sprachwerkzeuge für schwerere Aufgaben nicht eingeübt<lb/> waren, dessen Sprache also nur solche „nusgefahrenc Bahnen" besitzt, auf denen<lb/> gleichsam nur leichte Lasten geführt werden und ans denen das Geführt sofort<lb/> zum Stehen kommt, sobald halbwegs schwere Lasten darauf hinrollen sollten. Das<lb/> Organ des Jtalieners z. B. ist für leichte Lasten „ausgefahren worden," während<lb/> der Deutsche sich von klein ans zu schwereren Lasten geschickt machen mußte.<lb/> Je schmerer also die Arbeit ursprünglich war, je mehr Anstrengungen es dem<lb/> Kinde kostete, um die Sprachorgane für die Muttersprache einzuüben, desto<lb/> leichter erscheint denselben Organen die spätere Arbeit bei der Hervorbringung<lb/> fremder Sprachen, deren Bestandteile, mit denen der Muttersprache gemessen,<lb/> weniger Mühe verursachen. Die Leichtigkeit der Erlernung fremder Sprachen<lb/> steht demnach in umgekehrtem Verhältnisse zu jener der Muttersprache, es wird<lb/> die fremde Sprache durch die Sprachorgane desto leichter bewältigt werden, je<lb/> schwerere Arbeit denselben die Muttersprache ihrer Zeit aufbürdete.</p><lb/> <p xml:id="ID_485" next="#ID_486"> Dieses umgekehrte Verhältnis drückt das Grundgesetz aus, welches bei der<lb/> Eutuationalisiruiig durch die Sprache in Kraft tritt. Wir betonen nochmals,<lb/> daß es bei dieser Entnativnalisirnng zunächst und in erster Linie auf den Grad<lb/> der Schwierigkeit in der Aussprache ankommt. Gerade die Deutsche» haben,<lb/> wie gesagt, einen großen Vorsprung besonders vor dein Italiener voraus, in¬<lb/> sofern die Beschaffenheit der deutschen Silben schon in der Schriftsprache und<lb/> noch mehr im Dialekte der Art ist, daß sie äußerst günstig ans die Befähigung<lb/> der Sprnchorgaue einwirkt. Diese Beschaffenheit ist aber zugleich die Ursache,<lb/> weshalb sich der fremde Mund für die deutsche Sprache so oft unfähig<lb/> zeigt. Während der Fremde die äußersten Anstrengungen machen muß, um<lb/> deutsche Silben auszusprechen, paßt der Deutsche gleichsam spielend seine Sprach¬<lb/> werkzeuge den Silben der fremden Sprachen an. Durch die Überwindung der<lb/> Silben gelaugt man aber zur Aussprache der Wörter, und hiermit beginnt die<lb/> Aneignung des lexikalischen Sprachschatzes einer fremden Sprache. Der Ita¬<lb/> liener bleibt wegen seiner Unbeholfenheit in der Aussprache auch in dem lexi¬<lb/> kalischen Teile der fremden Sprache zurück. Infolgedessen überholt ihn der<lb/> Nachbar im Verkehre. Beide arbeiten unbewußt; derjenige, welcher leichtere<lb/> Arbeit hat, hilft dem autem, der größere Anstrengungen machen müßte.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0164]
Vor Verlust des volkstums durch die Sprache.
des Sprechens in der Muttersprache verrichtet. Dieselben „ ausgcfnhrenen
Bahnen" bestehen nicht minder für seinen Nnchbnr, mit dem er als Unbekannter
zusammentrifft.
Nun werden die Sprachen beider in ihren Lauten manches gemeinsam
haben; soweit dieses reicht, braucht keiner derselben seine „anSgefahrcnen
Bahnen" verlassen. Neu und schwer erscheint ihnen nnr diejenige Arbeit,
die sich ihnen beim nachsprechen des bisher ihnen unbekannten Sprachbestand¬
teiles bietet. Es fragt sich nnn hierbei, wer mehr Arbeit bei dieser Erzeugung
verrichten muß. Es ist leicht einzusehen, daß demjenigen die Arbeit schwerer
werden wird, dessen Sprachwerkzeuge für schwerere Aufgaben nicht eingeübt
waren, dessen Sprache also nur solche „nusgefahrenc Bahnen" besitzt, auf denen
gleichsam nur leichte Lasten geführt werden und ans denen das Geführt sofort
zum Stehen kommt, sobald halbwegs schwere Lasten darauf hinrollen sollten. Das
Organ des Jtalieners z. B. ist für leichte Lasten „ausgefahren worden," während
der Deutsche sich von klein ans zu schwereren Lasten geschickt machen mußte.
Je schmerer also die Arbeit ursprünglich war, je mehr Anstrengungen es dem
Kinde kostete, um die Sprachorgane für die Muttersprache einzuüben, desto
leichter erscheint denselben Organen die spätere Arbeit bei der Hervorbringung
fremder Sprachen, deren Bestandteile, mit denen der Muttersprache gemessen,
weniger Mühe verursachen. Die Leichtigkeit der Erlernung fremder Sprachen
steht demnach in umgekehrtem Verhältnisse zu jener der Muttersprache, es wird
die fremde Sprache durch die Sprachorgane desto leichter bewältigt werden, je
schwerere Arbeit denselben die Muttersprache ihrer Zeit aufbürdete.
Dieses umgekehrte Verhältnis drückt das Grundgesetz aus, welches bei der
Eutuationalisiruiig durch die Sprache in Kraft tritt. Wir betonen nochmals,
daß es bei dieser Entnativnalisirnng zunächst und in erster Linie auf den Grad
der Schwierigkeit in der Aussprache ankommt. Gerade die Deutsche» haben,
wie gesagt, einen großen Vorsprung besonders vor dein Italiener voraus, in¬
sofern die Beschaffenheit der deutschen Silben schon in der Schriftsprache und
noch mehr im Dialekte der Art ist, daß sie äußerst günstig ans die Befähigung
der Sprnchorgaue einwirkt. Diese Beschaffenheit ist aber zugleich die Ursache,
weshalb sich der fremde Mund für die deutsche Sprache so oft unfähig
zeigt. Während der Fremde die äußersten Anstrengungen machen muß, um
deutsche Silben auszusprechen, paßt der Deutsche gleichsam spielend seine Sprach¬
werkzeuge den Silben der fremden Sprachen an. Durch die Überwindung der
Silben gelaugt man aber zur Aussprache der Wörter, und hiermit beginnt die
Aneignung des lexikalischen Sprachschatzes einer fremden Sprache. Der Ita¬
liener bleibt wegen seiner Unbeholfenheit in der Aussprache auch in dem lexi¬
kalischen Teile der fremden Sprache zurück. Infolgedessen überholt ihn der
Nachbar im Verkehre. Beide arbeiten unbewußt; derjenige, welcher leichtere
Arbeit hat, hilft dem autem, der größere Anstrengungen machen müßte.
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