Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.Lamoens. ist meinem Geschick angemessen; wenn ich meine Handschrift ausnehme, könntet Das meinte ich natürlich nicht, Camoens! Ich wusste nur gern, ob Ihr in Bis zum Ende geführt, beendet, wenn Ihr so wollt, versetzte der Dichter, Barreto nickte teilnehmend und zustimmend, er hatte wahrgenommen, daß Er hatte absichtlich die Stimme lauter erhoben und seinen nächsten Zweck Nun Bartolomeo, was hört Ihr Neues in Cintra und vom Hofe, den Ihr Lamoens. ist meinem Geschick angemessen; wenn ich meine Handschrift ausnehme, könntet Das meinte ich natürlich nicht, Camoens! Ich wusste nur gern, ob Ihr in Bis zum Ende geführt, beendet, wenn Ihr so wollt, versetzte der Dichter, Barreto nickte teilnehmend und zustimmend, er hatte wahrgenommen, daß Er hatte absichtlich die Stimme lauter erhoben und seinen nächsten Zweck Nun Bartolomeo, was hört Ihr Neues in Cintra und vom Hofe, den Ihr <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0148" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197572"/> <fw type="header" place="top"> Lamoens.</fw><lb/> <p xml:id="ID_431" prev="#ID_430"> ist meinem Geschick angemessen; wenn ich meine Handschrift ausnehme, könntet<lb/> Ihr meine gesamte Habe für ein oder zwei Goldstücke auf jedem Trödelmarkte<lb/> kaufen.</p><lb/> <p xml:id="ID_432"> Das meinte ich natürlich nicht, Camoens! Ich wusste nur gern, ob Ihr in<lb/> Lissabon einsam oder gesellig lebt, ob Ihr dort Freunde aus früherer Zeit<lb/> oder aus Indien heimgckehrte gefunden habt, ob Ihr Eltern Tag einigen oder<lb/> allen Musen widmet, da Ihr selbst sagt, daß Euer großes Werk vollendet sei.</p><lb/> <p xml:id="ID_433"> Bis zum Ende geführt, beendet, wenn Ihr so wollt, versetzte der Dichter,<lb/> der jetzt begriff, daß sein Freund ein Gespräch führen wollte, das von jeder¬<lb/> mann gehört werden konnte. Vollenden? Wer möchte sich rühmen, ein Vor¬<lb/> haben, das unendlich ist und seiner Natur uach die Kräfte eines Sterblichen<lb/> übersteigt, zur Vollendung geführt zu haben? Aber heiße Sehnsucht nach Voll¬<lb/> endung habe ich getragen, trage sie noch, und ganz vergebens — deß bin ich<lb/> sicher! — habe ich nicht gearbeitet. Viel vermag ich nicht mehr zu bessern —<lb/> in allem Menschenwerke giebt es einen Punkt, wo der Mensch sich bescheiden<lb/> muß, daß allein die Gottheit vollkommen sei. Was ich noch thue, ist für die<lb/> Augen der Welt beinahe wie nichts, selbst Ihr, Manuel, dem die Kunst nicht<lb/> fremd ist, würdet erstaunen, wie viele Tage vergehen, ehe es mir gelingt, einen<lb/> Zug meines Gedichtes deutlicher, einen Vers volltönender zu machen. Eben<lb/> darum fühle ich, daß es Zeit ist, abzuschließen. Die Lusiaden gehören schon<lb/> nicht mehr mir, sondern dem Könige und dem portugiesischem Volke.</p><lb/> <p xml:id="ID_434"> Barreto nickte teilnehmend und zustimmend, er hatte wahrgenommen, daß<lb/> die Sorge um das Schicksal seines Gedichtes Camoens auch jetzt die blassen<lb/> Wangen rötete. Ihr habt Recht, mein Freund, sagte er kurz, und weil es so<lb/> ist, darf die Veröffentlichung nicht allzulange mehr verschoben werden. Ich<lb/> versprach Euch, Eure Sache bei dem Könige zu führen, und bin überzeugt, daß<lb/> ich nie in bessrer vor unserm jungen Herrn das Wort genommen habe. Eure<lb/> Handschrift wird uns hoffentlich nach meinem Hanse begleiten, denn mich ver¬<lb/> langt, alles zu vernehmen, was Ihr in den Jahren seit unsrer Trennung in<lb/> Goa gedichtet habt.</p><lb/> <p xml:id="ID_435"> Er hatte absichtlich die Stimme lauter erhoben und seinen nächsten Zweck<lb/> damit erreicht. Die Spanier am dritten Tische, welche seit Camoens' Ausein¬<lb/> andersetzungen kein Wort mehr verloren hatten, lächelten einander geringschätzig<lb/> zu. Es dünkte ihnen offenbar nicht der Mühe wert, sich weiter um Senhor<lb/> Manuel und seinen einäugigen Begleiter zu kümmern. Einige Minuten später<lb/> erhoben sie sich mit höflichem, aber kurzem Gruße vou ihren Sitzen und ver¬<lb/> ließen die Halle. Und da eben jetzt Bartolomeo Okaz eigenhändig seinen ehe¬<lb/> maligen Kriegsgcfcihrten die Kapaunen am Spieße auftrug, erachtete Barreto den<lb/> Augenblick zu einem harmlosen Geplauder mit dem Alten für gekommen und fragte:</p><lb/> <p xml:id="ID_436" next="#ID_437"> Nun Bartolomeo, was hört Ihr Neues in Cintra und vom Hofe, den Ihr<lb/> ja schon seit Monaten bei Euch habt? Der König — Gott schütze ihn! — ist</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0148]
Lamoens.
ist meinem Geschick angemessen; wenn ich meine Handschrift ausnehme, könntet
Ihr meine gesamte Habe für ein oder zwei Goldstücke auf jedem Trödelmarkte
kaufen.
Das meinte ich natürlich nicht, Camoens! Ich wusste nur gern, ob Ihr in
Lissabon einsam oder gesellig lebt, ob Ihr dort Freunde aus früherer Zeit
oder aus Indien heimgckehrte gefunden habt, ob Ihr Eltern Tag einigen oder
allen Musen widmet, da Ihr selbst sagt, daß Euer großes Werk vollendet sei.
Bis zum Ende geführt, beendet, wenn Ihr so wollt, versetzte der Dichter,
der jetzt begriff, daß sein Freund ein Gespräch führen wollte, das von jeder¬
mann gehört werden konnte. Vollenden? Wer möchte sich rühmen, ein Vor¬
haben, das unendlich ist und seiner Natur uach die Kräfte eines Sterblichen
übersteigt, zur Vollendung geführt zu haben? Aber heiße Sehnsucht nach Voll¬
endung habe ich getragen, trage sie noch, und ganz vergebens — deß bin ich
sicher! — habe ich nicht gearbeitet. Viel vermag ich nicht mehr zu bessern —
in allem Menschenwerke giebt es einen Punkt, wo der Mensch sich bescheiden
muß, daß allein die Gottheit vollkommen sei. Was ich noch thue, ist für die
Augen der Welt beinahe wie nichts, selbst Ihr, Manuel, dem die Kunst nicht
fremd ist, würdet erstaunen, wie viele Tage vergehen, ehe es mir gelingt, einen
Zug meines Gedichtes deutlicher, einen Vers volltönender zu machen. Eben
darum fühle ich, daß es Zeit ist, abzuschließen. Die Lusiaden gehören schon
nicht mehr mir, sondern dem Könige und dem portugiesischem Volke.
Barreto nickte teilnehmend und zustimmend, er hatte wahrgenommen, daß
die Sorge um das Schicksal seines Gedichtes Camoens auch jetzt die blassen
Wangen rötete. Ihr habt Recht, mein Freund, sagte er kurz, und weil es so
ist, darf die Veröffentlichung nicht allzulange mehr verschoben werden. Ich
versprach Euch, Eure Sache bei dem Könige zu führen, und bin überzeugt, daß
ich nie in bessrer vor unserm jungen Herrn das Wort genommen habe. Eure
Handschrift wird uns hoffentlich nach meinem Hanse begleiten, denn mich ver¬
langt, alles zu vernehmen, was Ihr in den Jahren seit unsrer Trennung in
Goa gedichtet habt.
Er hatte absichtlich die Stimme lauter erhoben und seinen nächsten Zweck
damit erreicht. Die Spanier am dritten Tische, welche seit Camoens' Ausein¬
andersetzungen kein Wort mehr verloren hatten, lächelten einander geringschätzig
zu. Es dünkte ihnen offenbar nicht der Mühe wert, sich weiter um Senhor
Manuel und seinen einäugigen Begleiter zu kümmern. Einige Minuten später
erhoben sie sich mit höflichem, aber kurzem Gruße vou ihren Sitzen und ver¬
ließen die Halle. Und da eben jetzt Bartolomeo Okaz eigenhändig seinen ehe¬
maligen Kriegsgcfcihrten die Kapaunen am Spieße auftrug, erachtete Barreto den
Augenblick zu einem harmlosen Geplauder mit dem Alten für gekommen und fragte:
Nun Bartolomeo, was hört Ihr Neues in Cintra und vom Hofe, den Ihr
ja schon seit Monaten bei Euch habt? Der König — Gott schütze ihn! — ist
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