Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.Hciyms Horderbiographie. das Farbenspiel des Lichtes nicht vielmehr dadurch bedingt wäre, daß es, statt Wir führen die beiden Stellen hier an, um zu zeigen, wie vollkommen Hciyms Horderbiographie. das Farbenspiel des Lichtes nicht vielmehr dadurch bedingt wäre, daß es, statt Wir führen die beiden Stellen hier an, um zu zeigen, wie vollkommen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0131" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197555"/> <fw type="header" place="top"> Hciyms Horderbiographie.</fw><lb/> <p xml:id="ID_381" prev="#ID_380"> das Farbenspiel des Lichtes nicht vielmehr dadurch bedingt wäre, daß es, statt<lb/> nur sich selbst zu beleuchten, sich tausendfältig an den Gegenständen bricht."<lb/> Nach der feinsinnigen Erörterung dieses Herderscheu Grundirrtums schon in<lb/> den Anfangen seiner literarischen Laufbahn, ergiebt sich die letzte unglückliche<lb/> Wendung in Herders ästhetischer Anschauung, durch die er zum schroffen Gegner<lb/> Goethes und Schillers gestempelt ward, gleichsam von selbst. „Herder wandte<lb/> sich, nachdem ihm, dein Bewunderer des Götz und des Werther und des Egmont,<lb/> schon der Tasso nicht mehr recht zu Sinne gewesen, von bei, Dichtungen feind¬<lb/> selig ab, in denen Goethe sich wieder auf der Höhe seiner Kunst in spielender<lb/> Meisterschaft zeigte. Den Adel der schönen Form und die Gewalt des reinen<lb/> Kunstwerkes verkennend, wurde er zum einseitigen Anwalt der Moralität, führte<lb/> er gegen das Recht des Talents das Recht des Herzens und gegen die sich<lb/> eben in üppiger Pracht erschließende Blüte der Poesie Humanität und Christen¬<lb/> tum ins Feld. Wonach er Zeit seines Lebens verlangt, wozu er selbst hundert¬<lb/> fältige Keime ausgestreut hatte, das stand jetzt in reichen Ähren vor ihm — ein<lb/> prangendes Feld, wenn auch selbstverständlich mit ein wenig Unkraut unter¬<lb/> mischt, aber es sah anders aus, als er es sich gedacht hatte; die Frucht des<lb/> Baumes, den er selbst gepflanzt und gepflegt, war süß — aber sie war nicht<lb/> genau nach seinem Geschmack und darum nicht die rechte, ja gar verderblich<lb/> und verwerflich." (Bd. 2, S. 627.)</p><lb/> <p xml:id="ID_382"> Wir führen die beiden Stellen hier an, um zu zeigen, wie vollkommen<lb/> Anfänge und Schlüsse der Haymschen Darstellung sich decken, wie lebendig der<lb/> Biograph immer seinem Helden nachgefühlt hat, und wie sicher er selbst die rätsel¬<lb/> haftesten Vorgänge in Herders späteren Leben ans Momente zurückführt, die<lb/> seinem Jugendleben angehören. Durch alle Schicksale Herders und durch die<lb/> ungeheure Vielseitigkeit seines Forschens, Denkens und Darstellens klingen ja<lb/> jene ersten und mächtigsten Anregungen, die er in Königsberg von Kant und<lb/> Hamami empfangen hatte, immer wieder hindurch. In Hayms Buche lebt das<lb/> volle Verständnis dafür, wie sich das Bleibende solcher Eindrücke mit der un¬<lb/> glaublichsten Wandlungsfähigkeit paart, und nur, wer dies Verständnis besitzt,<lb/> konnte berufen sein, die mächtige, zu gleicher Zeit zur freudigsten Genugthuung<lb/> und zur wehmutsvollen Theilnahme auffordernde Gestalt Herders zu bilden.<lb/> Was Haym sonst mitbringt von Belesenheit und kritischer Schärfe, von großer An¬<lb/> schauung der Menschen und Dinge, es steht doch in zweiter Linie gegenüber<lb/> der warmem Liebe und der psychologischen Sicherheit, mit welcher er das ganze<lb/> Wesen und Leben Herders erfaßt. Der Hallenser Philosoph und Literar¬<lb/> historiker gehört eben noch zu jeuer Gruppe unsrer wissenschaftlichen Schrift¬<lb/> steller, die etwas, die viel von der großen Nationalliteratur empfangen haben<lb/> und jetzt, wo sie der historischen Darstellung der geistig größten Zeit Deutsch¬<lb/> lands ihre Kraft widmen, im Zurückgeben den Wert des Empfangenen dankbar<lb/> bezeugen.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0131]
Hciyms Horderbiographie.
das Farbenspiel des Lichtes nicht vielmehr dadurch bedingt wäre, daß es, statt
nur sich selbst zu beleuchten, sich tausendfältig an den Gegenständen bricht."
Nach der feinsinnigen Erörterung dieses Herderscheu Grundirrtums schon in
den Anfangen seiner literarischen Laufbahn, ergiebt sich die letzte unglückliche
Wendung in Herders ästhetischer Anschauung, durch die er zum schroffen Gegner
Goethes und Schillers gestempelt ward, gleichsam von selbst. „Herder wandte
sich, nachdem ihm, dein Bewunderer des Götz und des Werther und des Egmont,
schon der Tasso nicht mehr recht zu Sinne gewesen, von bei, Dichtungen feind¬
selig ab, in denen Goethe sich wieder auf der Höhe seiner Kunst in spielender
Meisterschaft zeigte. Den Adel der schönen Form und die Gewalt des reinen
Kunstwerkes verkennend, wurde er zum einseitigen Anwalt der Moralität, führte
er gegen das Recht des Talents das Recht des Herzens und gegen die sich
eben in üppiger Pracht erschließende Blüte der Poesie Humanität und Christen¬
tum ins Feld. Wonach er Zeit seines Lebens verlangt, wozu er selbst hundert¬
fältige Keime ausgestreut hatte, das stand jetzt in reichen Ähren vor ihm — ein
prangendes Feld, wenn auch selbstverständlich mit ein wenig Unkraut unter¬
mischt, aber es sah anders aus, als er es sich gedacht hatte; die Frucht des
Baumes, den er selbst gepflanzt und gepflegt, war süß — aber sie war nicht
genau nach seinem Geschmack und darum nicht die rechte, ja gar verderblich
und verwerflich." (Bd. 2, S. 627.)
Wir führen die beiden Stellen hier an, um zu zeigen, wie vollkommen
Anfänge und Schlüsse der Haymschen Darstellung sich decken, wie lebendig der
Biograph immer seinem Helden nachgefühlt hat, und wie sicher er selbst die rätsel¬
haftesten Vorgänge in Herders späteren Leben ans Momente zurückführt, die
seinem Jugendleben angehören. Durch alle Schicksale Herders und durch die
ungeheure Vielseitigkeit seines Forschens, Denkens und Darstellens klingen ja
jene ersten und mächtigsten Anregungen, die er in Königsberg von Kant und
Hamami empfangen hatte, immer wieder hindurch. In Hayms Buche lebt das
volle Verständnis dafür, wie sich das Bleibende solcher Eindrücke mit der un¬
glaublichsten Wandlungsfähigkeit paart, und nur, wer dies Verständnis besitzt,
konnte berufen sein, die mächtige, zu gleicher Zeit zur freudigsten Genugthuung
und zur wehmutsvollen Theilnahme auffordernde Gestalt Herders zu bilden.
Was Haym sonst mitbringt von Belesenheit und kritischer Schärfe, von großer An¬
schauung der Menschen und Dinge, es steht doch in zweiter Linie gegenüber
der warmem Liebe und der psychologischen Sicherheit, mit welcher er das ganze
Wesen und Leben Herders erfaßt. Der Hallenser Philosoph und Literar¬
historiker gehört eben noch zu jeuer Gruppe unsrer wissenschaftlichen Schrift¬
steller, die etwas, die viel von der großen Nationalliteratur empfangen haben
und jetzt, wo sie der historischen Darstellung der geistig größten Zeit Deutsch¬
lands ihre Kraft widmen, im Zurückgeben den Wert des Empfangenen dankbar
bezeugen.
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