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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.

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Unsre Handelsbeziehungen zu Rußland.

Industrie gewonnen hatten. Er gründete eine Reihe von Fabriken, welche auf
Kosten des Staates in Betrieb erhalten wurden und welche bestimmt waren,
ähnlichen von Privaten begründeten Etablissements als Vorbild zu dienen. Ans
seine Veranlassung wurden Segeltuchmanufakturen, Taufabrilcn, Salpeter- und
Schwefelsiedereien eingerichtet. Im Jahre 1714 entstand die Dudershofer
Papiermühle bei Se. Petersburg, 1717 ebendaselbst eine große Seideumanufaktur,
1720 der große Tuchhof und der Leinwaudhof in Moskau. Daneben wurden
teils von Staatswegen, teils aus privater Initiative Eisenhämmer, Sägemühlen,
Waffenfabriken, große Gerbereien errichtet (der Export von Leder und Häuten
ist stets ein großer Handelszweig in Nußland gewesen) Zuckerfabriken und Glas¬
hütten errichtet, die Goldschmiedekunst nahm zu Peters des Großen Zeiten einen
lebhaften Aufschwung, und auch die andern Gewerbe wurden mannichfach von
künstlerischen Strömungen erfaßt und befruchtet. Die Negierung ging much hier
mit gutem Beispiel voran, indem sie eine Gobelinfabrik einrichtete, eine Gold¬
leisten- und Spiegelfabrik begründete und die Tcxtilgewerbe mit verschiednen
Zuwendungen ermunterte. Unter den nachfolgenden Kaisern erlahmte die that¬
kräftige Anregung etwas; immerhin aber blieben auch unter der Regierung der
Kaiserin Elisabeth und ihrer Nachfolgerin Katharina II. (1767 bis 1796) Fort¬
schritte bemerkbar. Storchs "Nußland unter Alexander I." giebt die Zahl der
bei dem Tode Katharinas II. vorhandnen Fabriken auf 2170 mit mehr als
100 000 Arbeitern an, und mit Recht werden die besondern Fortschritte der
russischen Gewerbsarbeit zu Lebzeiten dieser Kaiserin nicht in letzter Linie auch
daraus erklärt, daß diese kluge Herrschern? durch Einführung mehrerer gewerb¬
lichen Reichsgesetze (das gewerbliche Zunftwesen vermochte nicht zur Selbständigkeit
zu gelangen) ans eine Stärkung des russischen Bürgerstandes mannichfach Bedacht
nahm. Lebhaftere und kräftigere Jmpulse empfingen Industrie und Gewerbe
sodann von neuem unter dem Szepter Alexanders I. Die bei seinem Regierungs¬
antritt bestehenden 2330 Fabriken mit 170 000 Arbeitern wurden bis zum Jahre
1825, seinem Todesjahre, auf 5720 mit einem Personal von 290 000 Arbeitern
vermehrt. Durch Errichtung einer großen Reichsleihbank und durch Vermehrung
der Handelsbanken sowie durch viele andre Maßregeln wurde der Kapitalumlauf
gefördert und damit sowohl der Konsumtion wie der Produktion ein breiterer
und sicherer Boden geschaffen. In den I^orvW incwslriölles von Peltschinski
wird die Steigerung der industriellen Produktion Rußlands in den Jahren
1822 bis 1832 wie folgt verzeichnet. Es stieg der Wert der Produkte:

der Bauuuvvllenindustrie >um 230 Prozent,
" Seidcnindnstrie " 25 "
" Wvllenindustrie " 30
" Hausindustrie " 45 "
" Tcibakfabrikatwn " 150 "
" Seifensiederei " 131 "
" Lichtfnbriwtion " 62 "

Unsre Handelsbeziehungen zu Rußland.

Industrie gewonnen hatten. Er gründete eine Reihe von Fabriken, welche auf
Kosten des Staates in Betrieb erhalten wurden und welche bestimmt waren,
ähnlichen von Privaten begründeten Etablissements als Vorbild zu dienen. Ans
seine Veranlassung wurden Segeltuchmanufakturen, Taufabrilcn, Salpeter- und
Schwefelsiedereien eingerichtet. Im Jahre 1714 entstand die Dudershofer
Papiermühle bei Se. Petersburg, 1717 ebendaselbst eine große Seideumanufaktur,
1720 der große Tuchhof und der Leinwaudhof in Moskau. Daneben wurden
teils von Staatswegen, teils aus privater Initiative Eisenhämmer, Sägemühlen,
Waffenfabriken, große Gerbereien errichtet (der Export von Leder und Häuten
ist stets ein großer Handelszweig in Nußland gewesen) Zuckerfabriken und Glas¬
hütten errichtet, die Goldschmiedekunst nahm zu Peters des Großen Zeiten einen
lebhaften Aufschwung, und auch die andern Gewerbe wurden mannichfach von
künstlerischen Strömungen erfaßt und befruchtet. Die Negierung ging much hier
mit gutem Beispiel voran, indem sie eine Gobelinfabrik einrichtete, eine Gold¬
leisten- und Spiegelfabrik begründete und die Tcxtilgewerbe mit verschiednen
Zuwendungen ermunterte. Unter den nachfolgenden Kaisern erlahmte die that¬
kräftige Anregung etwas; immerhin aber blieben auch unter der Regierung der
Kaiserin Elisabeth und ihrer Nachfolgerin Katharina II. (1767 bis 1796) Fort¬
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bei dem Tode Katharinas II. vorhandnen Fabriken auf 2170 mit mehr als
100 000 Arbeitern an, und mit Recht werden die besondern Fortschritte der
russischen Gewerbsarbeit zu Lebzeiten dieser Kaiserin nicht in letzter Linie auch
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lichen Reichsgesetze (das gewerbliche Zunftwesen vermochte nicht zur Selbständigkeit
zu gelangen) ans eine Stärkung des russischen Bürgerstandes mannichfach Bedacht
nahm. Lebhaftere und kräftigere Jmpulse empfingen Industrie und Gewerbe
sodann von neuem unter dem Szepter Alexanders I. Die bei seinem Regierungs¬
antritt bestehenden 2330 Fabriken mit 170 000 Arbeitern wurden bis zum Jahre
1825, seinem Todesjahre, auf 5720 mit einem Personal von 290 000 Arbeitern
vermehrt. Durch Errichtung einer großen Reichsleihbank und durch Vermehrung
der Handelsbanken sowie durch viele andre Maßregeln wurde der Kapitalumlauf
gefördert und damit sowohl der Konsumtion wie der Produktion ein breiterer
und sicherer Boden geschaffen. In den I^orvW incwslriölles von Peltschinski
wird die Steigerung der industriellen Produktion Rußlands in den Jahren
1822 bis 1832 wie folgt verzeichnet. Es stieg der Wert der Produkte:

der Bauuuvvllenindustrie >um 230 Prozent,
„ Seidcnindnstrie „ 25 „
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[0119] Unsre Handelsbeziehungen zu Rußland. Industrie gewonnen hatten. Er gründete eine Reihe von Fabriken, welche auf Kosten des Staates in Betrieb erhalten wurden und welche bestimmt waren, ähnlichen von Privaten begründeten Etablissements als Vorbild zu dienen. Ans seine Veranlassung wurden Segeltuchmanufakturen, Taufabrilcn, Salpeter- und Schwefelsiedereien eingerichtet. Im Jahre 1714 entstand die Dudershofer Papiermühle bei Se. Petersburg, 1717 ebendaselbst eine große Seideumanufaktur, 1720 der große Tuchhof und der Leinwaudhof in Moskau. Daneben wurden teils von Staatswegen, teils aus privater Initiative Eisenhämmer, Sägemühlen, Waffenfabriken, große Gerbereien errichtet (der Export von Leder und Häuten ist stets ein großer Handelszweig in Nußland gewesen) Zuckerfabriken und Glas¬ hütten errichtet, die Goldschmiedekunst nahm zu Peters des Großen Zeiten einen lebhaften Aufschwung, und auch die andern Gewerbe wurden mannichfach von künstlerischen Strömungen erfaßt und befruchtet. Die Negierung ging much hier mit gutem Beispiel voran, indem sie eine Gobelinfabrik einrichtete, eine Gold¬ leisten- und Spiegelfabrik begründete und die Tcxtilgewerbe mit verschiednen Zuwendungen ermunterte. Unter den nachfolgenden Kaisern erlahmte die that¬ kräftige Anregung etwas; immerhin aber blieben auch unter der Regierung der Kaiserin Elisabeth und ihrer Nachfolgerin Katharina II. (1767 bis 1796) Fort¬ schritte bemerkbar. Storchs „Nußland unter Alexander I." giebt die Zahl der bei dem Tode Katharinas II. vorhandnen Fabriken auf 2170 mit mehr als 100 000 Arbeitern an, und mit Recht werden die besondern Fortschritte der russischen Gewerbsarbeit zu Lebzeiten dieser Kaiserin nicht in letzter Linie auch daraus erklärt, daß diese kluge Herrschern? durch Einführung mehrerer gewerb¬ lichen Reichsgesetze (das gewerbliche Zunftwesen vermochte nicht zur Selbständigkeit zu gelangen) ans eine Stärkung des russischen Bürgerstandes mannichfach Bedacht nahm. Lebhaftere und kräftigere Jmpulse empfingen Industrie und Gewerbe sodann von neuem unter dem Szepter Alexanders I. Die bei seinem Regierungs¬ antritt bestehenden 2330 Fabriken mit 170 000 Arbeitern wurden bis zum Jahre 1825, seinem Todesjahre, auf 5720 mit einem Personal von 290 000 Arbeitern vermehrt. Durch Errichtung einer großen Reichsleihbank und durch Vermehrung der Handelsbanken sowie durch viele andre Maßregeln wurde der Kapitalumlauf gefördert und damit sowohl der Konsumtion wie der Produktion ein breiterer und sicherer Boden geschaffen. In den I^orvW incwslriölles von Peltschinski wird die Steigerung der industriellen Produktion Rußlands in den Jahren 1822 bis 1832 wie folgt verzeichnet. Es stieg der Wert der Produkte: der Bauuuvvllenindustrie >um 230 Prozent, „ Seidcnindnstrie „ 25 „ „ Wvllenindustrie „ 30 „ Hausindustrie „ 45 „ „ Tcibakfabrikatwn „ 150 „ „ Seifensiederei „ 131 „ „ Lichtfnbriwtion „ 62 „

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_197423/119>, abgerufen am 05.02.2025.