Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Erstes Quartal.Der Iuristenstcind und das öffentliche Roche. hoffen, daß es auch verstehen werde, sich aus der Krisis, in welche das Land Auch in Deutschland füllt die Rezeption des römischen Privatrechts mit Die Wirkung dieser Vernachlässigung bleibt für unser öffentliches Leben Grenzlwwi I. IMti. 14
Der Iuristenstcind und das öffentliche Roche. hoffen, daß es auch verstehen werde, sich aus der Krisis, in welche das Land Auch in Deutschland füllt die Rezeption des römischen Privatrechts mit Die Wirkung dieser Vernachlässigung bleibt für unser öffentliches Leben Grenzlwwi I. IMti. 14
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0113" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197537"/> <fw type="header" place="top"> Der Iuristenstcind und das öffentliche Roche.</fw><lb/> <p xml:id="ID_333" prev="#ID_332"> hoffen, daß es auch verstehen werde, sich aus der Krisis, in welche das Land<lb/> durch einseitige Parteiregiernng gebracht worden ist, wieder herauszuretteu.</p><lb/> <p xml:id="ID_334"> Auch in Deutschland füllt die Rezeption des römischen Privatrechts mit<lb/> der Schwächung der Reichsgewalt und dem Niedergange des politischen Lebens<lb/> seit Maximilian dem Ersten zusammen. Die Mitwirkung des Volkes an den<lb/> öffentlichen Dingen in seinen ständischen Vertretern hört entweder ganz auf<lb/> oder sinkt zur Karikatur herab. Der ganze Eifer der höhern Stunde an dem<lb/> Staatsleben wendet sich deu privatrechtlichen Disziplinen zu, und Jahrhunderte<lb/> noch wird der Jurist an der Universität wie in der Praxis lediglich im Privat¬<lb/> recht erzogen und ausgebildet. Erst im vorigen Jahrhunderte wagte sich das<lb/> Staats- und Völkerrecht wieder an die Oberfläche, und es ist vorzugsweise dem<lb/> Verdienste des berühmten Staatsrechtslehrers und Publizisten Moser zuzu¬<lb/> schreiben, wenn in der Literatur und auf deu Universitäten das öffentliche Recht<lb/> gelehrt wird. Keineswegs hat sich dasselbe neben dem Privatrechte die gleiche<lb/> Geltung zu verschaffen gewußt, noch bis i» die jüngste Zeit wurde in dem<lb/> größten deutschen Bundesstaate, in Preußen, der juristische Kandidat im öffent¬<lb/> lichen Rechte überhaupt nicht geprüft. Erst seit den großen politischen Ereig¬<lb/> nissen des Jahres 1866 wurden von einzelnen Prüfungskommissionen beim ersten<lb/> juristischen Examen hie und da auch Fragen aus dem Staats- und internatio¬<lb/> nalen Rechte gestellt. Damit ist aber für deu Juristen das Interesse für das<lb/> öffentliche Recht erschöpft, und da der Durchschnittsjurist sich nur mit denjenigen<lb/> Dingen beschäftigt, die er für die Prüfung braucht, so kann man leicht ermesse»,<lb/> daß das Studium des jirs xnMcmin im weitesten Sinne sich auf ein er¬<lb/> schreckendes Minimum beschränkt. Ju der großen juristischen Staatsprüfung ist<lb/> von dem öffentlichen Rechte keine Rede mehr, die Examinatoren sind ausschlie߬<lb/> lich Privatjnristen, und die Prüfung, welche sich über die einzelnen Gebiete des<lb/> Privatrechts in einer oft zu speziellen Weise ergeht, berührt das Staats- und<lb/> Völkerrecht nicht wieder. Von dem Verwaltuugs- und Gewerberecht, von all<lb/> deu große» Fragen unsrer Zeit wird kein Wort gesprochen. Zum entschiednen<lb/> Nachteil hat mau das letzte Examen der Administrativ- und der Justizbeamten<lb/> getrennt, den ersteren geht dadurch die formale juristische Vorbildung verloren,<lb/> die letzteren werden vollständig zu Ziviljuristeu gestempelt, und bei beiden wird<lb/> Staats- und Völkerrecht lediglich dem Fleiße der Einzelnen und ihrer mehr<lb/> oder minder geringen Neigung überlassen, zu dem vielen, was sie schon wissen<lb/> sollen, noch mehr zu lerne».</p><lb/> <p xml:id="ID_335" next="#ID_336"> Die Wirkung dieser Vernachlässigung bleibt für unser öffentliches Leben<lb/> nicht ans. Die Machtstellung des Reiches nach außen hat dem deutschen Handel<lb/> und Verkehr die weitesten Bahnen geöffnet, die leichtere Verbindung hat die<lb/> Nationen näher an einander gebracht, es findet ein internationaler Güteraus¬<lb/> tausch statt, welcher eine Reihe von Beziehungen und Konflikten zur Folge hat,<lb/> die sich auf dem Gebiete des öffentlichen und internationalen Rechtes abspielen.</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzlwwi I. IMti. 14</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0113]
Der Iuristenstcind und das öffentliche Roche.
hoffen, daß es auch verstehen werde, sich aus der Krisis, in welche das Land
durch einseitige Parteiregiernng gebracht worden ist, wieder herauszuretteu.
Auch in Deutschland füllt die Rezeption des römischen Privatrechts mit
der Schwächung der Reichsgewalt und dem Niedergange des politischen Lebens
seit Maximilian dem Ersten zusammen. Die Mitwirkung des Volkes an den
öffentlichen Dingen in seinen ständischen Vertretern hört entweder ganz auf
oder sinkt zur Karikatur herab. Der ganze Eifer der höhern Stunde an dem
Staatsleben wendet sich deu privatrechtlichen Disziplinen zu, und Jahrhunderte
noch wird der Jurist an der Universität wie in der Praxis lediglich im Privat¬
recht erzogen und ausgebildet. Erst im vorigen Jahrhunderte wagte sich das
Staats- und Völkerrecht wieder an die Oberfläche, und es ist vorzugsweise dem
Verdienste des berühmten Staatsrechtslehrers und Publizisten Moser zuzu¬
schreiben, wenn in der Literatur und auf deu Universitäten das öffentliche Recht
gelehrt wird. Keineswegs hat sich dasselbe neben dem Privatrechte die gleiche
Geltung zu verschaffen gewußt, noch bis i» die jüngste Zeit wurde in dem
größten deutschen Bundesstaate, in Preußen, der juristische Kandidat im öffent¬
lichen Rechte überhaupt nicht geprüft. Erst seit den großen politischen Ereig¬
nissen des Jahres 1866 wurden von einzelnen Prüfungskommissionen beim ersten
juristischen Examen hie und da auch Fragen aus dem Staats- und internatio¬
nalen Rechte gestellt. Damit ist aber für deu Juristen das Interesse für das
öffentliche Recht erschöpft, und da der Durchschnittsjurist sich nur mit denjenigen
Dingen beschäftigt, die er für die Prüfung braucht, so kann man leicht ermesse»,
daß das Studium des jirs xnMcmin im weitesten Sinne sich auf ein er¬
schreckendes Minimum beschränkt. Ju der großen juristischen Staatsprüfung ist
von dem öffentlichen Rechte keine Rede mehr, die Examinatoren sind ausschlie߬
lich Privatjnristen, und die Prüfung, welche sich über die einzelnen Gebiete des
Privatrechts in einer oft zu speziellen Weise ergeht, berührt das Staats- und
Völkerrecht nicht wieder. Von dem Verwaltuugs- und Gewerberecht, von all
deu große» Fragen unsrer Zeit wird kein Wort gesprochen. Zum entschiednen
Nachteil hat mau das letzte Examen der Administrativ- und der Justizbeamten
getrennt, den ersteren geht dadurch die formale juristische Vorbildung verloren,
die letzteren werden vollständig zu Ziviljuristeu gestempelt, und bei beiden wird
Staats- und Völkerrecht lediglich dem Fleiße der Einzelnen und ihrer mehr
oder minder geringen Neigung überlassen, zu dem vielen, was sie schon wissen
sollen, noch mehr zu lerne».
Die Wirkung dieser Vernachlässigung bleibt für unser öffentliches Leben
nicht ans. Die Machtstellung des Reiches nach außen hat dem deutschen Handel
und Verkehr die weitesten Bahnen geöffnet, die leichtere Verbindung hat die
Nationen näher an einander gebracht, es findet ein internationaler Güteraus¬
tausch statt, welcher eine Reihe von Beziehungen und Konflikten zur Folge hat,
die sich auf dem Gebiete des öffentlichen und internationalen Rechtes abspielen.
Grenzlwwi I. IMti. 14
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