Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.in den modernen Gesetzbüchern die Rechte des Eigentums ziemlich großartig aus¬ Wo große Vermöge" rasch erworben wurden, treten die Pflichten des Reich¬ Es ist traurig, daß vor der Sucht mich Reichtum die Ehre der Arbeit zurück¬ in den modernen Gesetzbüchern die Rechte des Eigentums ziemlich großartig aus¬ Wo große Vermöge» rasch erworben wurden, treten die Pflichten des Reich¬ Es ist traurig, daß vor der Sucht mich Reichtum die Ehre der Arbeit zurück¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0669" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197403"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_2370" prev="#ID_2369"> in den modernen Gesetzbüchern die Rechte des Eigentums ziemlich großartig aus¬<lb/> gemalt, allein nichtsdestoweniger sind sie nirgends vollkommen, sondern überall be¬<lb/> schränkt, vorerst hauptsächlich allerdings bei dem unbeweglichen Eigentum, z. B, bei<lb/> Häusern durch das sogenannte Nachbarrecht, beim Grundbesitz durch Belastungs¬<lb/> verbote, bei Forsten und Bergwerken dnrch zahlreiche Berwaltnngsvorschriften, bei<lb/> Erbteilnngen u, s, w,, ferner dnrch das Expropriationsrecht des Staates. Wie. im<lb/> westgalizischen Gesetzbuche einmal ausgesprochen gewesen ist, daß das Eigentum<lb/> gemeinnützig sein müsse, so zwingt die Gesetzgebung die Eigentümer zu positiven<lb/> Leistungen bei gemeinsamer Abwendung von Gefahren (Schutzbauten, Zwangsver-<lb/> sichcrnng), und bewirkt hierdurch eine Art von Ausgleichung zwischen Ueberfluß und<lb/> Maugel. Die Pflichten des Besitzes hat innerhalb der engen Grenzen der unbe¬<lb/> dingtesten Notwendigkeit der Staat übernommen, indem er den Armen vor dein<lb/> Verhungern Schutze und zu diesem Behufe besondre Armenstcnern oder allgemeine<lb/> Steuern erhebt. Ist der Zweck der Steuer» nicht nnr ein finanzieller, d. i. ans<lb/> die Befriedigung der allgemeinen Bedürfnisse gerichtet, souderu sollen die Steuer»<lb/> auch, wie Adolf Wagner meint, eine veränderte Verteilung des Volkseinkommens<lb/> herbeiführen, etwa in Form progressiver Einkommen- und Erbschaftssteuern, damit<lb/> die Anhäufung großer Ueberschüsse vermieden werde, so würde von Staatswegen<lb/> eine Ausgleichung zwischen Ueberfluß und Mangel angestrebt werden, welche im<lb/> alten Griechenland freiwillig durch Privatthätigkeit gefördert wurde. Hierdurch<lb/> würde allerdings die „Heiligkeit des Eigentums" angetastet werden. „Aber — sagt<lb/> Jhering (Zweck im Recht, I, 533) — gerade diejenigen, denen im übrigen nichts heilig<lb/> ist, der elende Egoist, dessen Leben keinen Akt der Selbstverleugnung auszuweisen<lb/> hat, der krasse Materialist, der nnr achtet, was er mit Händen greifen kann, der<lb/> Pessimist, der im Gefühle seines eignen Nichts sein Nichts auf die Welt über¬<lb/> trägt — über die Heiligkeit des Eigentums sind sie alle einverstanden, für das<lb/> Eigentum rufen sie eine Idee an, die sie sonst nicht kennen, die sie verspotten und<lb/> mit Füßen trete»."</p><lb/> <p xml:id="ID_2371"> Wo große Vermöge» rasch erworben wurden, treten die Pflichten des Reich¬<lb/> tums besonders scharf erkennbar in den Vordergrund, und es stellt sich alsbald,<lb/> falls sie nicht erfüllt werden, das ein, was um» in der Gegenwart den Haß gegen<lb/> das mobile Kapital nennt. Vielleicht nur in den Bereinigten Staaten von Nord¬<lb/> amerika übt der Reichtum mit großen Opfer», wie sie zur Behauptung einer rasch<lb/> gewonnenen gesellschaftlichen Stellung nun einmal vonuöteu sind, ganz die Pflichte«<lb/> des Besitzes. Nicht immer und überall ist denen, welche große Vermögen erwarben,<lb/> eine hervorragende gesellschaftliche Stellung eingeräumt worden, nud vou der Er¬<lb/> wägung ausgehend, daß gewöhnlich nieder in gewerblicher, uoch in landwirtschaft¬<lb/> licher, noch in geistiger Arbeit große Vermögen erworben werden können, daß die¬<lb/> selben im wesentlichen nur aus glücklichen Spekulationen hervorgehen, waren die<lb/> Spekulanten :e. von den Aegypten und Jndiern in die letzte Kaste verwiesen worden,<lb/> ist dasselbe noch jetzt in China der Fall, waren die Juden im Mittelalter trotz<lb/> ihres Reichtunis niemals geachtet.</p><lb/> <p xml:id="ID_2372" next="#ID_2373"> Es ist traurig, daß vor der Sucht mich Reichtum die Ehre der Arbeit zurück¬<lb/> getreten ist. Mau arbeitet uicht mehr, um zu arbeiten und aus Freude und Be¬<lb/> friedigung im Beruf, sondern um Geld zu verdienen, und ma» arbeitet da zunächst,<lb/> wo mit der geringsten Arbeit das meiste Geld verdient wird. Im großen Zu¬<lb/> sammenhange, klaren Blickes und ohne färbende Parteibrille ist zu beachten, wie die<lb/> kleinen Leute, wie Bauer» »ut Handwerker sich znsanmienschaaren, wie der Anti¬<lb/> semitismus um sich greift. Z» alle» Zeiten haben die Pflichten des Besitzes aus</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0669]
in den modernen Gesetzbüchern die Rechte des Eigentums ziemlich großartig aus¬
gemalt, allein nichtsdestoweniger sind sie nirgends vollkommen, sondern überall be¬
schränkt, vorerst hauptsächlich allerdings bei dem unbeweglichen Eigentum, z. B, bei
Häusern durch das sogenannte Nachbarrecht, beim Grundbesitz durch Belastungs¬
verbote, bei Forsten und Bergwerken dnrch zahlreiche Berwaltnngsvorschriften, bei
Erbteilnngen u, s, w,, ferner dnrch das Expropriationsrecht des Staates. Wie. im
westgalizischen Gesetzbuche einmal ausgesprochen gewesen ist, daß das Eigentum
gemeinnützig sein müsse, so zwingt die Gesetzgebung die Eigentümer zu positiven
Leistungen bei gemeinsamer Abwendung von Gefahren (Schutzbauten, Zwangsver-
sichcrnng), und bewirkt hierdurch eine Art von Ausgleichung zwischen Ueberfluß und
Maugel. Die Pflichten des Besitzes hat innerhalb der engen Grenzen der unbe¬
dingtesten Notwendigkeit der Staat übernommen, indem er den Armen vor dein
Verhungern Schutze und zu diesem Behufe besondre Armenstcnern oder allgemeine
Steuern erhebt. Ist der Zweck der Steuer» nicht nnr ein finanzieller, d. i. ans
die Befriedigung der allgemeinen Bedürfnisse gerichtet, souderu sollen die Steuer»
auch, wie Adolf Wagner meint, eine veränderte Verteilung des Volkseinkommens
herbeiführen, etwa in Form progressiver Einkommen- und Erbschaftssteuern, damit
die Anhäufung großer Ueberschüsse vermieden werde, so würde von Staatswegen
eine Ausgleichung zwischen Ueberfluß und Mangel angestrebt werden, welche im
alten Griechenland freiwillig durch Privatthätigkeit gefördert wurde. Hierdurch
würde allerdings die „Heiligkeit des Eigentums" angetastet werden. „Aber — sagt
Jhering (Zweck im Recht, I, 533) — gerade diejenigen, denen im übrigen nichts heilig
ist, der elende Egoist, dessen Leben keinen Akt der Selbstverleugnung auszuweisen
hat, der krasse Materialist, der nnr achtet, was er mit Händen greifen kann, der
Pessimist, der im Gefühle seines eignen Nichts sein Nichts auf die Welt über¬
trägt — über die Heiligkeit des Eigentums sind sie alle einverstanden, für das
Eigentum rufen sie eine Idee an, die sie sonst nicht kennen, die sie verspotten und
mit Füßen trete»."
Wo große Vermöge» rasch erworben wurden, treten die Pflichten des Reich¬
tums besonders scharf erkennbar in den Vordergrund, und es stellt sich alsbald,
falls sie nicht erfüllt werden, das ein, was um» in der Gegenwart den Haß gegen
das mobile Kapital nennt. Vielleicht nur in den Bereinigten Staaten von Nord¬
amerika übt der Reichtum mit großen Opfer», wie sie zur Behauptung einer rasch
gewonnenen gesellschaftlichen Stellung nun einmal vonuöteu sind, ganz die Pflichte«
des Besitzes. Nicht immer und überall ist denen, welche große Vermögen erwarben,
eine hervorragende gesellschaftliche Stellung eingeräumt worden, nud vou der Er¬
wägung ausgehend, daß gewöhnlich nieder in gewerblicher, uoch in landwirtschaft¬
licher, noch in geistiger Arbeit große Vermögen erworben werden können, daß die¬
selben im wesentlichen nur aus glücklichen Spekulationen hervorgehen, waren die
Spekulanten :e. von den Aegypten und Jndiern in die letzte Kaste verwiesen worden,
ist dasselbe noch jetzt in China der Fall, waren die Juden im Mittelalter trotz
ihres Reichtunis niemals geachtet.
Es ist traurig, daß vor der Sucht mich Reichtum die Ehre der Arbeit zurück¬
getreten ist. Mau arbeitet uicht mehr, um zu arbeiten und aus Freude und Be¬
friedigung im Beruf, sondern um Geld zu verdienen, und ma» arbeitet da zunächst,
wo mit der geringsten Arbeit das meiste Geld verdient wird. Im großen Zu¬
sammenhange, klaren Blickes und ohne färbende Parteibrille ist zu beachten, wie die
kleinen Leute, wie Bauer» »ut Handwerker sich znsanmienschaaren, wie der Anti¬
semitismus um sich greift. Z» alle» Zeiten haben die Pflichten des Besitzes aus
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