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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.

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Mein Freund der Nihilist.

geschickt, wenn Sie kommen. WnS für langweiliges Zeug haben Sie denn heute
wieder beredet?

Nichts von Wichtigkeit, nur daß binnen kurzem eine furchtbare Revolution
ganz Europa überfluten wird.

Das ist ja schrecklich! Werden wir denn vorher noch Zeit habe", Italien
zu scheu?

Jedenfalls beeilen Sie sich. Oder glauben Sie, daß ich scherze?

O nein! Dr. A. sagt es anch. Denken Sie, heute bei Dessessarts habe
ich eine junge Russin kennen gelernt, ein reizendes Mädchen -- wir haben
Schwesterschaft gemacht. Sie sagt, sie sei eine Nihilistin, und nächstes Jahr,
wenn sie aus dem Pensionat nach Petersburg zurückkommt, will sie den Zar
töten. Sie glaubt auch nicht an Gott und meint, alle vornehmen jungen Rus¬
sinnen dächten so, das wäre die neueste Mode.

Sehen Sie, Miß Ellen, der Anfang des Endes beginnt schon. Wir müssen
uns auf das Furchtbarste gefaßt machen.

Nun Sie doch nicht -- was kann Ihnen denn zustoßen?

Was denken Sie von mir, Miß Ellen! Erlebe ich es noch, dann werde
ich trotz meiner weiße" Haare wieder zum Degen greifen und in vorderster
Reihe die Barrikade" der Aufrührer stürmen helfen.

Natürlich werden Sie dabei totgeschossen.

Was schadet das! Giebt es für den Mann etwas Ehrenvolleres als für
seine Überzeugung zu sterben?

Das verstehe ich nicht. Aber was wird denn ans meinen: armen Dr. A.?
Wissen Sie wohl (flüsterte sie mir ins Ohr), daß er sich täglich mit Zimmer¬
pistolen im Schießen übt?

Wir machen kurzen Prozeß, Miß Ellen. Fangen wir ihn mit den Waffen
in der Hemd, so wird er standrechtlich erschossen.

Das würden Sie thun?

Das würde ich thun, und mit voller Überzeugung.

Ich hasse Sie! Aber Sie sollen es bereuen! Mama sagte mir heute, in
dem Abschiedssestspiel, welches Sie für die Familie v. D. geschrieben haben,
ville ich als Ouelluymphe von Baden-Baden auftreten. Ich denke garnicht
daran!

Miß Ellen, machen Sie nicht sich und mich unglücklich! Ich habe ein
Kostüm für Sie zeichne" lasse" -- blaßblauer Grenadire mit Wassertropfen
darauf, einen Schilfkranz, im linken Arm eine antike Amphora -- Sie werden
entzückend aussehen!

Ich will nicht entzückend aussehen, wenn der arme Dr. A. erschossen wird!
Nein, versprechen Sie nur, ihm das Leben zu schenken! Sonst ist von Ouelluymphe
keine Rede, und nie wieder spreche ich auch nur ein einziges Wort mit Ihnen.

Also Ihnen zu Liebe soll ich meiner festesten Überzeugung untreu werden?


XÄrmzbvlen IV. 1885, W
Mein Freund der Nihilist.

geschickt, wenn Sie kommen. WnS für langweiliges Zeug haben Sie denn heute
wieder beredet?

Nichts von Wichtigkeit, nur daß binnen kurzem eine furchtbare Revolution
ganz Europa überfluten wird.

Das ist ja schrecklich! Werden wir denn vorher noch Zeit habe», Italien
zu scheu?

Jedenfalls beeilen Sie sich. Oder glauben Sie, daß ich scherze?

O nein! Dr. A. sagt es anch. Denken Sie, heute bei Dessessarts habe
ich eine junge Russin kennen gelernt, ein reizendes Mädchen — wir haben
Schwesterschaft gemacht. Sie sagt, sie sei eine Nihilistin, und nächstes Jahr,
wenn sie aus dem Pensionat nach Petersburg zurückkommt, will sie den Zar
töten. Sie glaubt auch nicht an Gott und meint, alle vornehmen jungen Rus¬
sinnen dächten so, das wäre die neueste Mode.

Sehen Sie, Miß Ellen, der Anfang des Endes beginnt schon. Wir müssen
uns auf das Furchtbarste gefaßt machen.

Nun Sie doch nicht — was kann Ihnen denn zustoßen?

Was denken Sie von mir, Miß Ellen! Erlebe ich es noch, dann werde
ich trotz meiner weiße» Haare wieder zum Degen greifen und in vorderster
Reihe die Barrikade» der Aufrührer stürmen helfen.

Natürlich werden Sie dabei totgeschossen.

Was schadet das! Giebt es für den Mann etwas Ehrenvolleres als für
seine Überzeugung zu sterben?

Das verstehe ich nicht. Aber was wird denn ans meinen: armen Dr. A.?
Wissen Sie wohl (flüsterte sie mir ins Ohr), daß er sich täglich mit Zimmer¬
pistolen im Schießen übt?

Wir machen kurzen Prozeß, Miß Ellen. Fangen wir ihn mit den Waffen
in der Hemd, so wird er standrechtlich erschossen.

Das würden Sie thun?

Das würde ich thun, und mit voller Überzeugung.

Ich hasse Sie! Aber Sie sollen es bereuen! Mama sagte mir heute, in
dem Abschiedssestspiel, welches Sie für die Familie v. D. geschrieben haben,
ville ich als Ouelluymphe von Baden-Baden auftreten. Ich denke garnicht
daran!

Miß Ellen, machen Sie nicht sich und mich unglücklich! Ich habe ein
Kostüm für Sie zeichne» lasse» — blaßblauer Grenadire mit Wassertropfen
darauf, einen Schilfkranz, im linken Arm eine antike Amphora — Sie werden
entzückend aussehen!

Ich will nicht entzückend aussehen, wenn der arme Dr. A. erschossen wird!
Nein, versprechen Sie nur, ihm das Leben zu schenken! Sonst ist von Ouelluymphe
keine Rede, und nie wieder spreche ich auch nur ein einziges Wort mit Ihnen.

Also Ihnen zu Liebe soll ich meiner festesten Überzeugung untreu werden?


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[0665] Mein Freund der Nihilist. geschickt, wenn Sie kommen. WnS für langweiliges Zeug haben Sie denn heute wieder beredet? Nichts von Wichtigkeit, nur daß binnen kurzem eine furchtbare Revolution ganz Europa überfluten wird. Das ist ja schrecklich! Werden wir denn vorher noch Zeit habe», Italien zu scheu? Jedenfalls beeilen Sie sich. Oder glauben Sie, daß ich scherze? O nein! Dr. A. sagt es anch. Denken Sie, heute bei Dessessarts habe ich eine junge Russin kennen gelernt, ein reizendes Mädchen — wir haben Schwesterschaft gemacht. Sie sagt, sie sei eine Nihilistin, und nächstes Jahr, wenn sie aus dem Pensionat nach Petersburg zurückkommt, will sie den Zar töten. Sie glaubt auch nicht an Gott und meint, alle vornehmen jungen Rus¬ sinnen dächten so, das wäre die neueste Mode. Sehen Sie, Miß Ellen, der Anfang des Endes beginnt schon. Wir müssen uns auf das Furchtbarste gefaßt machen. Nun Sie doch nicht — was kann Ihnen denn zustoßen? Was denken Sie von mir, Miß Ellen! Erlebe ich es noch, dann werde ich trotz meiner weiße» Haare wieder zum Degen greifen und in vorderster Reihe die Barrikade» der Aufrührer stürmen helfen. Natürlich werden Sie dabei totgeschossen. Was schadet das! Giebt es für den Mann etwas Ehrenvolleres als für seine Überzeugung zu sterben? Das verstehe ich nicht. Aber was wird denn ans meinen: armen Dr. A.? Wissen Sie wohl (flüsterte sie mir ins Ohr), daß er sich täglich mit Zimmer¬ pistolen im Schießen übt? Wir machen kurzen Prozeß, Miß Ellen. Fangen wir ihn mit den Waffen in der Hemd, so wird er standrechtlich erschossen. Das würden Sie thun? Das würde ich thun, und mit voller Überzeugung. Ich hasse Sie! Aber Sie sollen es bereuen! Mama sagte mir heute, in dem Abschiedssestspiel, welches Sie für die Familie v. D. geschrieben haben, ville ich als Ouelluymphe von Baden-Baden auftreten. Ich denke garnicht daran! Miß Ellen, machen Sie nicht sich und mich unglücklich! Ich habe ein Kostüm für Sie zeichne» lasse» — blaßblauer Grenadire mit Wassertropfen darauf, einen Schilfkranz, im linken Arm eine antike Amphora — Sie werden entzückend aussehen! Ich will nicht entzückend aussehen, wenn der arme Dr. A. erschossen wird! Nein, versprechen Sie nur, ihm das Leben zu schenken! Sonst ist von Ouelluymphe keine Rede, und nie wieder spreche ich auch nur ein einziges Wort mit Ihnen. Also Ihnen zu Liebe soll ich meiner festesten Überzeugung untreu werden? XÄrmzbvlen IV. 1885, W

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196733/665>, abgerufen am 15.01.2025.