Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.Werders Macbeth-Vorlesungen, Stand hält, nicht einem römischen Narren gleich in der letzten Not durch Selbst¬ ' Es gab 'ne Zeit, wo kalter Schauer mich faßte, Wir erinnern nur noch ein seine Hallncinuationcn vor und nach dem an König Die seltsamste Behauptung, zu der Werber gelaugt, ist die Folgerung, Damit wollen wir unser Referat über diese so anspruchsvoll auftretenden Werders Macbeth-Vorlesungen, Stand hält, nicht einem römischen Narren gleich in der letzten Not durch Selbst¬ ' Es gab 'ne Zeit, wo kalter Schauer mich faßte, Wir erinnern nur noch ein seine Hallncinuationcn vor und nach dem an König Die seltsamste Behauptung, zu der Werber gelaugt, ist die Folgerung, Damit wollen wir unser Referat über diese so anspruchsvoll auftretenden <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0595" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197329"/> <fw type="header" place="top"> Werders Macbeth-Vorlesungen,</fw><lb/> <p xml:id="ID_1956" prev="#ID_1955"> Stand hält, nicht einem römischen Narren gleich in der letzten Not durch Selbst¬<lb/> mord enden will, gesteht von sich:</p><lb/> <quote> ' Es gab 'ne Zeit, wo kalter Schauer mich faßte,<lb/> Wenn der Nachtvogel schrie: das ganze Haupthaar<lb/> Bei einer schrecklichen Geschicht' cnipar<lb/> Sich richtet', als wäre Leben drin.</quote><lb/> <p xml:id="ID_1957"> Wir erinnern nur noch ein seine Hallncinuationcn vor und nach dem an König<lb/> Duncan verübten Morde.</p><lb/> <p xml:id="ID_1958"> Die seltsamste Behauptung, zu der Werber gelaugt, ist die Folgerung,<lb/> welche er ans der Betrachtung des großen Monologs Macbeths: „Wär's ab¬<lb/> gethan, wenn es gethan ist" zieht. Der Charakter dieses Monologes, sagt er,<lb/> ist der: daß er keineswegs eine Überlegung (!) ausdrückt, ob die That stattfinden<lb/> solle oder nicht; kein Schwanken vor der That, wodurch diese ernstlich in Frage<lb/> gestellt würde; sondern in Wahrheit schon die Reue nach der That (sie!), weil<lb/> von dieser bereits, in der Tiefe des Hanges feststeht, unabänderlich, daß sie<lb/> begangen werde." Eine Reue über eine noch nicht begangne Handlung — ist<lb/> das nicht ein nagelneuer Begriff? An eben diesen Monolog, von dem Werber<lb/> leugnet, daß er „eine Überlegung ausdrückt," knüpft Otto Ludwig eine Reflexion<lb/> ganz entgegengesetzter Art: „Schiller sucht den Zuschauer zum Mitschuldige»<lb/> seiner Helden zu machen, Shakespeare thut meist das Gegenteil. Schiller sagt:<lb/> seht ihr? Mein Held kann keinen anders. Shakespeare: seht ihr? Mein Held<lb/> könnte wohl anders. Schiller setzt ins hellste Licht, was zur Schuld treibe»<lb/> kann, um versteckt, was ihn abhalten müßte, oder läßt dies von jenem rhetorisch<lb/> niederkämpfen. Shakespeare thut das Gegenteil. Besonders im Macbeth, be¬<lb/> sonders wo der Held das Mißverhältnis der Kraft der Gründe für und gegen<lb/> die That ins Licht setzt und den Zuschauer zum Gegner seiner That macht"<lb/> (S. 74). Schließlich kommt Werber dazu, auf Grund eben dieses Monologes<lb/> seinen Haupttrumpf auszuspielen: „Gerade das Gegenteil davon, als ob es noch<lb/> in Macbeths Willen, in seinem Belieben stünde, die That zu thun oder zu<lb/> »uterlasscu. besagt der Monolog. Darin liegt seine Furchtbarkeit, die tragische.<lb/> Ein Dementi ist er gegen den Wahn der sogenannten freien Wahl, gegen das<lb/> lidsrunr aMtrwnr inäitlsrsnti-ig!" Wir waren bisher gewöhnt, einen Menschen,<lb/> der vor seinem Thun so klar wie Macbeth sich der sittlichen Gesetze bewußt ist,<lb/> für frei zu halten. Werber wird auch nichts daran ändern. Für uns hört<lb/> alle Tragödie mit der Monomanie, die Werber in den Macbeth hinein inter-<lb/> Pretirt, schlechtweg ans.</p><lb/> <p xml:id="ID_1959" next="#ID_1960"> Damit wollen wir unser Referat über diese so anspruchsvoll auftretenden<lb/> Vorlesungen, für die sich scho„ xj„ schülerhaft unkritischer Enthusiasmus ge¬<lb/> äußert hat, schließen, obgleich wir noch mancherlei Widersprüche darin nachweisen<lb/> könnten. In ihren spekulativen Teilen sind sie der Ausdruck einer Art, Poesie<lb/> zu betrachten, deren Unfruchtbarkeit gottlob jetzt zur allgemeinen Überzeugung</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0595]
Werders Macbeth-Vorlesungen,
Stand hält, nicht einem römischen Narren gleich in der letzten Not durch Selbst¬
mord enden will, gesteht von sich:
' Es gab 'ne Zeit, wo kalter Schauer mich faßte,
Wenn der Nachtvogel schrie: das ganze Haupthaar
Bei einer schrecklichen Geschicht' cnipar
Sich richtet', als wäre Leben drin.
Wir erinnern nur noch ein seine Hallncinuationcn vor und nach dem an König
Duncan verübten Morde.
Die seltsamste Behauptung, zu der Werber gelaugt, ist die Folgerung,
welche er ans der Betrachtung des großen Monologs Macbeths: „Wär's ab¬
gethan, wenn es gethan ist" zieht. Der Charakter dieses Monologes, sagt er,
ist der: daß er keineswegs eine Überlegung (!) ausdrückt, ob die That stattfinden
solle oder nicht; kein Schwanken vor der That, wodurch diese ernstlich in Frage
gestellt würde; sondern in Wahrheit schon die Reue nach der That (sie!), weil
von dieser bereits, in der Tiefe des Hanges feststeht, unabänderlich, daß sie
begangen werde." Eine Reue über eine noch nicht begangne Handlung — ist
das nicht ein nagelneuer Begriff? An eben diesen Monolog, von dem Werber
leugnet, daß er „eine Überlegung ausdrückt," knüpft Otto Ludwig eine Reflexion
ganz entgegengesetzter Art: „Schiller sucht den Zuschauer zum Mitschuldige»
seiner Helden zu machen, Shakespeare thut meist das Gegenteil. Schiller sagt:
seht ihr? Mein Held kann keinen anders. Shakespeare: seht ihr? Mein Held
könnte wohl anders. Schiller setzt ins hellste Licht, was zur Schuld treibe»
kann, um versteckt, was ihn abhalten müßte, oder läßt dies von jenem rhetorisch
niederkämpfen. Shakespeare thut das Gegenteil. Besonders im Macbeth, be¬
sonders wo der Held das Mißverhältnis der Kraft der Gründe für und gegen
die That ins Licht setzt und den Zuschauer zum Gegner seiner That macht"
(S. 74). Schließlich kommt Werber dazu, auf Grund eben dieses Monologes
seinen Haupttrumpf auszuspielen: „Gerade das Gegenteil davon, als ob es noch
in Macbeths Willen, in seinem Belieben stünde, die That zu thun oder zu
»uterlasscu. besagt der Monolog. Darin liegt seine Furchtbarkeit, die tragische.
Ein Dementi ist er gegen den Wahn der sogenannten freien Wahl, gegen das
lidsrunr aMtrwnr inäitlsrsnti-ig!" Wir waren bisher gewöhnt, einen Menschen,
der vor seinem Thun so klar wie Macbeth sich der sittlichen Gesetze bewußt ist,
für frei zu halten. Werber wird auch nichts daran ändern. Für uns hört
alle Tragödie mit der Monomanie, die Werber in den Macbeth hinein inter-
Pretirt, schlechtweg ans.
Damit wollen wir unser Referat über diese so anspruchsvoll auftretenden
Vorlesungen, für die sich scho„ xj„ schülerhaft unkritischer Enthusiasmus ge¬
äußert hat, schließen, obgleich wir noch mancherlei Widersprüche darin nachweisen
könnten. In ihren spekulativen Teilen sind sie der Ausdruck einer Art, Poesie
zu betrachten, deren Unfruchtbarkeit gottlob jetzt zur allgemeinen Überzeugung
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |