Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.Werders Macbeth-Vorlesungen, Die tragische Ironie, welche im "Macbeth" so vielfach eine Rolle spielt -- wir Da nimm mein Schwert -- 's ist Sparsamkeit im Himmel, Als hierauf Macbeth eintritt, ist wieder Banquo naiv genug, zu sagen: Mir träumte jüngst von den drei Zanberschwesteru: worauf Macbeth heuchlerisch antwortet: Ich denke nicht an sie;
Man sollte meinen, klarer konnte Banquo seinen Standpunkt nicht bezeichnen; Werders Macbeth-Vorlesungen, Die tragische Ironie, welche im „Macbeth" so vielfach eine Rolle spielt — wir Da nimm mein Schwert — 's ist Sparsamkeit im Himmel, Als hierauf Macbeth eintritt, ist wieder Banquo naiv genug, zu sagen: Mir träumte jüngst von den drei Zanberschwesteru: worauf Macbeth heuchlerisch antwortet: Ich denke nicht an sie;
Man sollte meinen, klarer konnte Banquo seinen Standpunkt nicht bezeichnen; <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0590" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197324"/> <fw type="header" place="top"> Werders Macbeth-Vorlesungen,</fw><lb/> <p xml:id="ID_1940" prev="#ID_1939"> Die tragische Ironie, welche im „Macbeth" so vielfach eine Rolle spielt — wir<lb/> erinnern an die Tötung Banquos und sein lautes „Flieh, Fleance, flieh!" dabei, an<lb/> die doppelsinnigen Orakel der Hekate —, schwebt auch hier über den beiden zunächst<lb/> dein Tode geweihten Gestalten, welche das Gefühl der Sicherheit beim Eintritt<lb/> in Macbeths Mörderhvhlc aussprechen. Sodann, gleich im Beginne des zweiten<lb/> Auszuges, ist's wieder der ehrliche Banquo, der die Stimmung einleitet, böser<lb/> Ahnungen voll, indem er zu seinem Sohne Fleance spricht:</p><lb/> <quote> Da nimm mein Schwert — 's ist Sparsamkeit im Himmel,<lb/> Äus thaten sie die Kerzen, — Nimm das auch.<lb/> Ein schwerer Schlaftrieb liegt wie Biel auf mir,<lb/> Und doch möcht' ich nicht schlafen. Grad'ge Mächte!<lb/> Henne in mir böses Denken, dem Natur<lb/> Im Schlummer Raum giebt. — Gieb mein Schwert.</quote><lb/> <p xml:id="ID_1941"> Als hierauf Macbeth eintritt, ist wieder Banquo naiv genug, zu sagen:</p><lb/> <quote> Mir träumte jüngst von den drei Zanberschwesteru:<lb/> Euch haben sie was Wahres doch gesagt —</quote><lb/> <p xml:id="ID_1942"> worauf Macbeth heuchlerisch antwortet:</p><lb/> <quote> Ich denke nicht an sie;<lb/> Doch ließe sich gelegne Stunde finden,<lb/> So sprächen wir wohl cui'geh in der Sache,<lb/> Gemährtet ihr die Zeit.</quote><lb/> <quote> <p xml:id="ID_1943"> Wie'S euch beliebt.</p> <note type="speaker"> Banquo:</note><lb/> <note type="speaker"> Maebeth:</note> <p xml:id="ID_1944"> Schließt ihr euch meinem Sinn nu, — wenn es ist —,<lb/> Wird's Ehr' euch bringen.'</p><lb/> <note type="speaker"> Banguv:</note> <p xml:id="ID_1945"> Buß ich sie nicht ein,<lb/> Indem ich sie zu mehre» streb', und bleibt<lb/> Mein Busen frei, und meine Lehnspflicht rein,<lb/> Gern nehm' ich Rat an.</p> </quote><lb/> <p xml:id="ID_1946" next="#ID_1947"> Man sollte meinen, klarer konnte Banquo seinen Standpunkt nicht bezeichnen;<lb/> er will ehrlich bleiben, und ans einen bloßen Verdacht hin grob gegen Macbeth<lb/> zu sein, hatte er natürlich keine Veranlassung. Wie köuigstreu er gesinnt ist,<lb/> zeigt die frühere Stelle, da er sein Schwert, nach der Überlegung, nicht aus<lb/> der Hand lassen will. Werber aber faßt (S. 73) die letzte Antwort Banquos<lb/> so auf: „Daß er ans Macbeths hochverräterischen Vorschlag — und dicht vor<lb/> dem Morde macht er ihn —, auf das ganz unzweideutige: »Falle ihr mir bei,<lb/> wann es so kommt« — mit dem ebenso unlmttern: »So nehm ich Rar an«<lb/> eingeht"! „Er hat sich, fügt Werber hinzu, aufs würdevollste verklausulirt;<lb/> aber nicht auf diesem Vorbehalt, sondern auf der Zusage liegt der Accent für<lb/> beider Verständnis." Ja, freilich dann, wenn man es absichtlich so liest, mit<lb/> dem von vornherein fertigen Urteil, daß Shakespeare den Banquo „zu Macbeths<lb/> Mitschuldigen im Gewissen gemacht hat und dadurch zu einer ewigen Gestalt der<lb/> tragischen Bühne." Das nämlich ist das neue Licht, welches uns Werber mit Hilfe<lb/> der Kunst, falsch zu acccntniren, aufsteckt. Was soll man sich unter dem „Mit-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0590]
Werders Macbeth-Vorlesungen,
Die tragische Ironie, welche im „Macbeth" so vielfach eine Rolle spielt — wir
erinnern an die Tötung Banquos und sein lautes „Flieh, Fleance, flieh!" dabei, an
die doppelsinnigen Orakel der Hekate —, schwebt auch hier über den beiden zunächst
dein Tode geweihten Gestalten, welche das Gefühl der Sicherheit beim Eintritt
in Macbeths Mörderhvhlc aussprechen. Sodann, gleich im Beginne des zweiten
Auszuges, ist's wieder der ehrliche Banquo, der die Stimmung einleitet, böser
Ahnungen voll, indem er zu seinem Sohne Fleance spricht:
Da nimm mein Schwert — 's ist Sparsamkeit im Himmel,
Äus thaten sie die Kerzen, — Nimm das auch.
Ein schwerer Schlaftrieb liegt wie Biel auf mir,
Und doch möcht' ich nicht schlafen. Grad'ge Mächte!
Henne in mir böses Denken, dem Natur
Im Schlummer Raum giebt. — Gieb mein Schwert.
Als hierauf Macbeth eintritt, ist wieder Banquo naiv genug, zu sagen:
Mir träumte jüngst von den drei Zanberschwesteru:
Euch haben sie was Wahres doch gesagt —
worauf Macbeth heuchlerisch antwortet:
Ich denke nicht an sie;
Doch ließe sich gelegne Stunde finden,
So sprächen wir wohl cui'geh in der Sache,
Gemährtet ihr die Zeit.
Wie'S euch beliebt.
Banquo:
Maebeth: Schließt ihr euch meinem Sinn nu, — wenn es ist —,
Wird's Ehr' euch bringen.'
Banguv: Buß ich sie nicht ein,
Indem ich sie zu mehre» streb', und bleibt
Mein Busen frei, und meine Lehnspflicht rein,
Gern nehm' ich Rat an.
Man sollte meinen, klarer konnte Banquo seinen Standpunkt nicht bezeichnen;
er will ehrlich bleiben, und ans einen bloßen Verdacht hin grob gegen Macbeth
zu sein, hatte er natürlich keine Veranlassung. Wie köuigstreu er gesinnt ist,
zeigt die frühere Stelle, da er sein Schwert, nach der Überlegung, nicht aus
der Hand lassen will. Werber aber faßt (S. 73) die letzte Antwort Banquos
so auf: „Daß er ans Macbeths hochverräterischen Vorschlag — und dicht vor
dem Morde macht er ihn —, auf das ganz unzweideutige: »Falle ihr mir bei,
wann es so kommt« — mit dem ebenso unlmttern: »So nehm ich Rar an«
eingeht"! „Er hat sich, fügt Werber hinzu, aufs würdevollste verklausulirt;
aber nicht auf diesem Vorbehalt, sondern auf der Zusage liegt der Accent für
beider Verständnis." Ja, freilich dann, wenn man es absichtlich so liest, mit
dem von vornherein fertigen Urteil, daß Shakespeare den Banquo „zu Macbeths
Mitschuldigen im Gewissen gemacht hat und dadurch zu einer ewigen Gestalt der
tragischen Bühne." Das nämlich ist das neue Licht, welches uns Werber mit Hilfe
der Kunst, falsch zu acccntniren, aufsteckt. Was soll man sich unter dem „Mit-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |