Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.führen," Er muß sich aber schleunig ni" die Arbeit gemacht haben, denn
Das Ganze ist eine gereimte literargeschichtliche Abhandlung, aber in ihrer Art Die beiden Unterredungen nun, bei deren zweiter die Überreichung dieses ") In der Abschrift steht Redensart
führen," Er muß sich aber schleunig ni» die Arbeit gemacht haben, denn
Das Ganze ist eine gereimte literargeschichtliche Abhandlung, aber in ihrer Art Die beiden Unterredungen nun, bei deren zweiter die Überreichung dieses ») In der Abschrift steht Redensart
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0533" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197267"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1684" prev="#ID_1683"> führen," Er muß sich aber schleunig ni» die Arbeit gemacht haben, denn<lb/> als der König Mittwoch den 26, Oktober nach Leipzig zurückkehrte, war das<lb/> Gedicht fertig — gegen zweihundert Verse über den beliebten, in solcher All¬<lb/> gemeinheit freilich durchaus unrichtigen Satz, daß die Kunst, insbesondre die<lb/> Poesie, im Gefolge kriegerischer Großthaten eines Volkes sich einstelle, dann aber<lb/> auch durch den Krieg wieder vernichtet werde. Dies wird zunächst am Griechen-<lb/> und Nömertume nachgewiesen, dann an der deutschen Literaturgeschichte, die vom<lb/> großen Karl bis zum großen Pietsch in ihren Hauptvertretern Opitz, Flemming,<lb/> Simon Dach. Paul Gerhard n, a. vorgeführt wird. Zuletzt wird noch der<lb/> Chorus der zeitgenössischen preußischen Dichter bis auf Lichtwcr und Gleim an¬<lb/> gepriesen, und endlich der König angeredet:</p><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_15" type="poem"> <l> O König! stichst Du nun, wie Deiner Staaten Grenzen<lb/> Durch feinen Witz und Geist so stark als andre glänzen?<lb/> Wie, dn sich Dein Berlin zu nlleu Künsten neigt,<lb/> Dein weites Land sich auch an Musen fruchtbar zeigt?<lb/> Ein holder Wink von Dir wird sie noch mehr verstärken;<lb/> Sie streben schon mit ungemeinen Werken<lb/> Auch Dein erhabnes Lob der Ewigkeit zu weihn.<lb/> Laß Deine Blicke nur noch ferner kräftig sein,<lb/> Wie sie bereits in Königsberg gewesen,<lb/> So fallen unter Dir die goldnen Zeiten ein.<lb/> Die rauhste Sprache wird sich bald gelinder zeigen,<lb/> Wird Friedrichs Ohr sich nur zu ihren Tönen neigen.</l> </lg> </quote><lb/> <p xml:id="ID_1685"> Das Ganze ist eine gereimte literargeschichtliche Abhandlung, aber in ihrer Art<lb/> — man darf nicht ungerecht sein — nicht viel unerquicklicher als etwa die<lb/> kulturgeschichtlichen Partien in Schillers „Künstlern."</p><lb/> <p xml:id="ID_1686" next="#ID_1687"> Die beiden Unterredungen nun, bei deren zweiter die Überreichung dieses<lb/> Gedichtes stattfand, schildert Gottsched wieder höchst lebendig in seinem Briefe<lb/> an Flottwell. „Als der König — schreibt er — den vorigen Mittwoch zum<lb/> zweitenmal wiederkam, schickte er gleich nach Tische um drei Uhr nach mir;<lb/> halb vier war ich da und ward gleich vorgelassen. Er fragte nach vielen von<lb/> meiner Frauen Schriften und Versen, Prose und Briefen, französisch und deutsch,<lb/> und wollte was davon sehen. Er kam auf viele andere Materien von schönen<lb/> Wissenschaften, der deutschen Sprache, den Trauerspielen u. s. w. Ich bat mir<lb/> die Erlaubnis ans, das königliche Gedicht zu beantworten, und erhielt sie. Als<lb/> er einmal herausgerufen ward, um jemand Gehör zu geben, schlug er die Thüre<lb/> hinter sich zu und ließ mich ganz allein in seinem Kabinet versperrt. Er kam<lb/> wieder und tadelte die Art, die alten Redner und Dichter in Schulen zu trccktiren,<lb/> da man bloß auf deu Sinn der Redensarten*) und Wörter gehet, aber die Kunst im<lb/> Rede» und Dichten, ihre Schönheiten im Ganzen, ihre Ökonomie und Einrichtung,<lb/> kurz, das Feine im Geschmack der Alten nicht erkläret und begreiflich macht.</p><lb/> <note xml:id="FID_47" place="foot"> ») In der Abschrift steht Redensart</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0533]
führen," Er muß sich aber schleunig ni» die Arbeit gemacht haben, denn
als der König Mittwoch den 26, Oktober nach Leipzig zurückkehrte, war das
Gedicht fertig — gegen zweihundert Verse über den beliebten, in solcher All¬
gemeinheit freilich durchaus unrichtigen Satz, daß die Kunst, insbesondre die
Poesie, im Gefolge kriegerischer Großthaten eines Volkes sich einstelle, dann aber
auch durch den Krieg wieder vernichtet werde. Dies wird zunächst am Griechen-
und Nömertume nachgewiesen, dann an der deutschen Literaturgeschichte, die vom
großen Karl bis zum großen Pietsch in ihren Hauptvertretern Opitz, Flemming,
Simon Dach. Paul Gerhard n, a. vorgeführt wird. Zuletzt wird noch der
Chorus der zeitgenössischen preußischen Dichter bis auf Lichtwcr und Gleim an¬
gepriesen, und endlich der König angeredet:
O König! stichst Du nun, wie Deiner Staaten Grenzen
Durch feinen Witz und Geist so stark als andre glänzen?
Wie, dn sich Dein Berlin zu nlleu Künsten neigt,
Dein weites Land sich auch an Musen fruchtbar zeigt?
Ein holder Wink von Dir wird sie noch mehr verstärken;
Sie streben schon mit ungemeinen Werken
Auch Dein erhabnes Lob der Ewigkeit zu weihn.
Laß Deine Blicke nur noch ferner kräftig sein,
Wie sie bereits in Königsberg gewesen,
So fallen unter Dir die goldnen Zeiten ein.
Die rauhste Sprache wird sich bald gelinder zeigen,
Wird Friedrichs Ohr sich nur zu ihren Tönen neigen.
Das Ganze ist eine gereimte literargeschichtliche Abhandlung, aber in ihrer Art
— man darf nicht ungerecht sein — nicht viel unerquicklicher als etwa die
kulturgeschichtlichen Partien in Schillers „Künstlern."
Die beiden Unterredungen nun, bei deren zweiter die Überreichung dieses
Gedichtes stattfand, schildert Gottsched wieder höchst lebendig in seinem Briefe
an Flottwell. „Als der König — schreibt er — den vorigen Mittwoch zum
zweitenmal wiederkam, schickte er gleich nach Tische um drei Uhr nach mir;
halb vier war ich da und ward gleich vorgelassen. Er fragte nach vielen von
meiner Frauen Schriften und Versen, Prose und Briefen, französisch und deutsch,
und wollte was davon sehen. Er kam auf viele andere Materien von schönen
Wissenschaften, der deutschen Sprache, den Trauerspielen u. s. w. Ich bat mir
die Erlaubnis ans, das königliche Gedicht zu beantworten, und erhielt sie. Als
er einmal herausgerufen ward, um jemand Gehör zu geben, schlug er die Thüre
hinter sich zu und ließ mich ganz allein in seinem Kabinet versperrt. Er kam
wieder und tadelte die Art, die alten Redner und Dichter in Schulen zu trccktiren,
da man bloß auf deu Sinn der Redensarten*) und Wörter gehet, aber die Kunst im
Rede» und Dichten, ihre Schönheiten im Ganzen, ihre Ökonomie und Einrichtung,
kurz, das Feine im Geschmack der Alten nicht erkläret und begreiflich macht.
») In der Abschrift steht Redensart
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |