Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.Nebenbuhlerschaften am Balkan. wesentlichen Erfolg geblieben. Sie hat, wenn nichts andres, das eine geleistet, Nebenbuhlerschaften am Balkan. wesentlichen Erfolg geblieben. Sie hat, wenn nichts andres, das eine geleistet, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0518" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197252"/> <fw type="header" place="top"> Nebenbuhlerschaften am Balkan.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1653" prev="#ID_1652"> wesentlichen Erfolg geblieben. Sie hat, wenn nichts andres, das eine geleistet,<lb/> daß sich helleres Licht über die Lage der Dinge verbreitet hat als bisher; sie<lb/> hat gezeigt, daß Österreich, Deutschland und Rußland in der That gegen¬<lb/> wärtig eines Sinnes sind. Von verschiednen Seiten her war gehofft, von an¬<lb/> dern gefürchtet worden, daß Österreich-Ungarn und Rußland auf der Konferenz<lb/> entgegengesetzter Meinung sein, daß es zur Erkaltung zwischen ihnen kommen<lb/> und daß sie schließlich verschiedne Wege einschlagen würden. Diese Erwartungen<lb/> sind nicht eingetroffen, die Vertreter beider Staaten haben sich bei den Verhand¬<lb/> lungen vollständig und ohne Unterbrechung auf derselben Linie wie der Bevoll¬<lb/> mächtigte Deutschlands bewegt, alle drei sind bis zu Ende in engster Fühlung<lb/> geblieben. Es kann als unbedingt sicher betrachtet werden, daß die drei Mächte<lb/> gleich fest entschlossen sind, den Frieden unter allen Umständen aufrecht zu erhalten<lb/> und diesem Wunsche ihre andern Wünsche unterzuordnen. Rußland sowohl als<lb/> Österreich denken nicht daran, sich zu Gunsten englischer Absichten zu entzweien.<lb/> Gewiß hat jenes andre Interessen als dieses, aber der eine wie der andre dieser<lb/> beiden Staaten wird gegenwärtig lieber Opfer an diesen Interessen bringen, als<lb/> durch Befriedigung etwaiger Begehren eine Erschütterung des guten Einver¬<lb/> nehmens mit dem andern möglich machen. Und die Politik Bismarcks in dieser<lb/> Sache? Bei dem Abschiedsbankett, das dem deutschen Botschafter in London<lb/> gegeben wurde, sprach sich Lord Salisburh in einer Weise aus, nach welcher<lb/> man glauben mußte, die deutsche und die englische Politik bewegten sich in<lb/> paralleler Richtung. Er wußte dabei offenbar, daß Graf Münster aus Gründen<lb/> der einfachsten Höflichkeit ihm nicht widersprechen und nicht einmal andeuten<lb/> konnte, daß mindestens in der Balkanfrage die Äußerung des verehrten Redners<lb/> weit davon entfernt sei, zuzutreffen. Der englische Premier vergaß oder wollte<lb/> nicht wissen, daß die deutsche Politik in der bulgarischen Frage in ihrer durchaus<lb/> uneigennützigen, loyalen und durchaus auf den Frieden abzielenden Art und<lb/> Weise das vollständige Gegenbild der englischen Politik war, welche die Kon¬<lb/> ferenz hemmte, sie schließlich scheitern ließ und unnötiges Blutvergießen zur<lb/> Folge hatte.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0518]
Nebenbuhlerschaften am Balkan.
wesentlichen Erfolg geblieben. Sie hat, wenn nichts andres, das eine geleistet,
daß sich helleres Licht über die Lage der Dinge verbreitet hat als bisher; sie
hat gezeigt, daß Österreich, Deutschland und Rußland in der That gegen¬
wärtig eines Sinnes sind. Von verschiednen Seiten her war gehofft, von an¬
dern gefürchtet worden, daß Österreich-Ungarn und Rußland auf der Konferenz
entgegengesetzter Meinung sein, daß es zur Erkaltung zwischen ihnen kommen
und daß sie schließlich verschiedne Wege einschlagen würden. Diese Erwartungen
sind nicht eingetroffen, die Vertreter beider Staaten haben sich bei den Verhand¬
lungen vollständig und ohne Unterbrechung auf derselben Linie wie der Bevoll¬
mächtigte Deutschlands bewegt, alle drei sind bis zu Ende in engster Fühlung
geblieben. Es kann als unbedingt sicher betrachtet werden, daß die drei Mächte
gleich fest entschlossen sind, den Frieden unter allen Umständen aufrecht zu erhalten
und diesem Wunsche ihre andern Wünsche unterzuordnen. Rußland sowohl als
Österreich denken nicht daran, sich zu Gunsten englischer Absichten zu entzweien.
Gewiß hat jenes andre Interessen als dieses, aber der eine wie der andre dieser
beiden Staaten wird gegenwärtig lieber Opfer an diesen Interessen bringen, als
durch Befriedigung etwaiger Begehren eine Erschütterung des guten Einver¬
nehmens mit dem andern möglich machen. Und die Politik Bismarcks in dieser
Sache? Bei dem Abschiedsbankett, das dem deutschen Botschafter in London
gegeben wurde, sprach sich Lord Salisburh in einer Weise aus, nach welcher
man glauben mußte, die deutsche und die englische Politik bewegten sich in
paralleler Richtung. Er wußte dabei offenbar, daß Graf Münster aus Gründen
der einfachsten Höflichkeit ihm nicht widersprechen und nicht einmal andeuten
konnte, daß mindestens in der Balkanfrage die Äußerung des verehrten Redners
weit davon entfernt sei, zuzutreffen. Der englische Premier vergaß oder wollte
nicht wissen, daß die deutsche Politik in der bulgarischen Frage in ihrer durchaus
uneigennützigen, loyalen und durchaus auf den Frieden abzielenden Art und
Weise das vollständige Gegenbild der englischen Politik war, welche die Kon¬
ferenz hemmte, sie schließlich scheitern ließ und unnötiges Blutvergießen zur
Folge hatte.
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