Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.Nebenbuhlerschaften am Balkan. zweifelhaft wesentlich dazu beigetragen, daß der Fürst Alexander sich ohne Nebenbuhlerschaften am Balkan. zweifelhaft wesentlich dazu beigetragen, daß der Fürst Alexander sich ohne <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0515" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197249"/> <fw type="header" place="top"> Nebenbuhlerschaften am Balkan.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1649" prev="#ID_1648" next="#ID_1650"> zweifelhaft wesentlich dazu beigetragen, daß der Fürst Alexander sich ohne<lb/> Verzug fügte, nachdem er eine Zeit lang von der Forderung nichts hatte hören<lb/> wollen. Der Waffenstillstand, auf den er einging, sollte nur zehn Tage dauern,<lb/> er wird aber jetzt, vor der Drohung mit der österreichischen Armee, aller Wahr¬<lb/> scheinlichkeit nach der erste Akt des Friedens oder die Einleitung dazu sein. Jeden¬<lb/> falls hat die Diplomatie jetzt, wo die Waffen ruhen, Zeit und Gelegenheit, es<lb/> mit ihren Künsten zu versuchen, und da die Großmächte in dem Bedürfnisse<lb/> nach Frieden einig sind, so werden jene Künste vermutlich Erfolg haben, und<lb/> so wird es schwerlich der Ausführung der österreichischen Drohung bedürfen,<lb/> die möglicherweise die Russen veranlassen könnte, Truppen an der bulgarischen<lb/> Küste zu landen. Daß eine solche Eventualität dem Fürsten Alexander nicht lieb<lb/> sein könnte, liegt auf der Hand; sie würde für ihn der Anfang vom Ende sein.<lb/> Im übrigen scheint jene Drohung Rußland veranlaßt zu haben, öffentlich zu<lb/> erklären, daß es den Bulgaren seine Sympathien bewahrt habe, und dadurch zu<lb/> bethätigen, daß es auf seinen Einfluß bei ihnen, den die Engländer in den<lb/> letzten Monaten mit dem ihrigen zu verdrängen versuchten, durchaus nicht verzichtet<lb/> hat. Es war eine Ermutigung v^er erschien als eine solche, wenn der Kaiser<lb/> Alexander unmittelbar nach jener Drohung einen Tagesbefehl erließ, in welchem<lb/> er dem frühern bulgarischen Kriegsminister Kantakuzeno und den ehemals in<lb/> der bulgarischen Armee dienenden russischen Offizieren für ihre Leistungen bei<lb/> der Ausbildung der bulgarischen und ostrumelischen Truppen Dank und An¬<lb/> erkennung aussprach, wobei der Fürst freilich mit keinem Worte erwähnt wurde.<lb/> Der letztere hätte in Petersburg also gewiß keine Unterstützung zu hoffen, wenn<lb/> er in Betreff des Friedensschlusses weitgehende Ansprüche erheben wollte. Er<lb/> wird sicher von den besiegten Serben keine Gebietsabtretung fordern oder doch,<lb/> falls es geschähe, nicht darauf bestehen, zumal da man weiß, daß die Bulgaren<lb/> eine solche nicht wünschen. Auch das Verlangen nach einer Entschädigung in<lb/> Geld werden ihm die österreichischen Diplomaten vielleicht ausreden können, wenn<lb/> sie auf die Armut Serbiens hinweisen, die es freilich nicht abgehalten hat, Mil¬<lb/> lionen für die Vorbereitung ihres Angriffs auf den Nachbar auszugeben. Selbst¬<lb/> verständlich wird der Fürst fordern, daß die Gegend von Widdin von der Timok-<lb/> armee geräumt werde. Dagegen ist es wieder kaum denkbar, de ß er von König<lb/> Milan Anerkennung der Union Bulgariens und Ostrumeliens verlangen werde.<lb/> Daß er, der auf Ostrumelien in aller Form verzichtet hat, gestützt auf England<lb/> nach einer Wiedergewinnung jener türkischen Provinz durch direkte Verständigung<lb/> mit der Pforte strebt und auf Erfolg hofft, ist sehr glaublich. Aber daß er<lb/> jetzt schon diese seine Absichten aussprechen und die Gutheißung derselben Von¬<lb/> seiten Serbiens, das ihn um der Union willen bekriegte, im voraus fordern<lb/> sollte, ist nicht wohl anzunehmen. Er weiß auf alle Fälle, daß die Serben<lb/> zwar schwere Niederlagen erlitten haben, aber keineswegs ganz niederge¬<lb/> worfen und erschöpft sind, sodaß sie sich in alles zu fügen genötigt wären</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0515]
Nebenbuhlerschaften am Balkan.
zweifelhaft wesentlich dazu beigetragen, daß der Fürst Alexander sich ohne
Verzug fügte, nachdem er eine Zeit lang von der Forderung nichts hatte hören
wollen. Der Waffenstillstand, auf den er einging, sollte nur zehn Tage dauern,
er wird aber jetzt, vor der Drohung mit der österreichischen Armee, aller Wahr¬
scheinlichkeit nach der erste Akt des Friedens oder die Einleitung dazu sein. Jeden¬
falls hat die Diplomatie jetzt, wo die Waffen ruhen, Zeit und Gelegenheit, es
mit ihren Künsten zu versuchen, und da die Großmächte in dem Bedürfnisse
nach Frieden einig sind, so werden jene Künste vermutlich Erfolg haben, und
so wird es schwerlich der Ausführung der österreichischen Drohung bedürfen,
die möglicherweise die Russen veranlassen könnte, Truppen an der bulgarischen
Küste zu landen. Daß eine solche Eventualität dem Fürsten Alexander nicht lieb
sein könnte, liegt auf der Hand; sie würde für ihn der Anfang vom Ende sein.
Im übrigen scheint jene Drohung Rußland veranlaßt zu haben, öffentlich zu
erklären, daß es den Bulgaren seine Sympathien bewahrt habe, und dadurch zu
bethätigen, daß es auf seinen Einfluß bei ihnen, den die Engländer in den
letzten Monaten mit dem ihrigen zu verdrängen versuchten, durchaus nicht verzichtet
hat. Es war eine Ermutigung v^er erschien als eine solche, wenn der Kaiser
Alexander unmittelbar nach jener Drohung einen Tagesbefehl erließ, in welchem
er dem frühern bulgarischen Kriegsminister Kantakuzeno und den ehemals in
der bulgarischen Armee dienenden russischen Offizieren für ihre Leistungen bei
der Ausbildung der bulgarischen und ostrumelischen Truppen Dank und An¬
erkennung aussprach, wobei der Fürst freilich mit keinem Worte erwähnt wurde.
Der letztere hätte in Petersburg also gewiß keine Unterstützung zu hoffen, wenn
er in Betreff des Friedensschlusses weitgehende Ansprüche erheben wollte. Er
wird sicher von den besiegten Serben keine Gebietsabtretung fordern oder doch,
falls es geschähe, nicht darauf bestehen, zumal da man weiß, daß die Bulgaren
eine solche nicht wünschen. Auch das Verlangen nach einer Entschädigung in
Geld werden ihm die österreichischen Diplomaten vielleicht ausreden können, wenn
sie auf die Armut Serbiens hinweisen, die es freilich nicht abgehalten hat, Mil¬
lionen für die Vorbereitung ihres Angriffs auf den Nachbar auszugeben. Selbst¬
verständlich wird der Fürst fordern, daß die Gegend von Widdin von der Timok-
armee geräumt werde. Dagegen ist es wieder kaum denkbar, de ß er von König
Milan Anerkennung der Union Bulgariens und Ostrumeliens verlangen werde.
Daß er, der auf Ostrumelien in aller Form verzichtet hat, gestützt auf England
nach einer Wiedergewinnung jener türkischen Provinz durch direkte Verständigung
mit der Pforte strebt und auf Erfolg hofft, ist sehr glaublich. Aber daß er
jetzt schon diese seine Absichten aussprechen und die Gutheißung derselben Von¬
seiten Serbiens, das ihn um der Union willen bekriegte, im voraus fordern
sollte, ist nicht wohl anzunehmen. Er weiß auf alle Fälle, daß die Serben
zwar schwere Niederlagen erlitten haben, aber keineswegs ganz niederge¬
worfen und erschöpft sind, sodaß sie sich in alles zu fügen genötigt wären
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