Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

vergießen wäre erspart worden, wenn die Staaten keine Armeen hielten, denn
daß König Milan den Fürsten Alexander zum Zweikampf herausgefordert haben
würde, ist kaum anzunehmen. Ich kenne Wohl die alte Ausrede, daß ein Land
nicht anfangen könne, sich wehrlos zu macheu, während die andern gerüstet
bleiben, aber das ist eine leere Ausrede. Zur Zeit des seligen Bundestages
-- der Zeit der Freiheit, nach welcher sich Herr Liebknecht aus der jetzigen
Reichsreaktion zurücksehnt -- fürchtete sich niemand vor Deutschland, und dennoch
griff es niemand an, denn so schlecht sind die Menschen ja nicht, einen Wehr¬
und Hilflosen zu überfallen. Wer überzieht Monaco mit Krieg, obgleich es ein
rentablerer Besitz wäre als die bewußten Sandköcher? Und angenommen, ein
Ministerium Deroulcdc, das wir ja hoffentlich bald erleben werden, forderte
Elsaß und Lothringen zurück, nun so werden wir sie hergeben und als gut
evangelische Christen auch die linke Wange, ich meine das linke Rheinufer, dazu.
Und was liegt uns daran, ob Posen und Oberschlesien und Westpreußen zu
einem deutschen oder einem polnischen Reiche gehören; wenn nur unter dem
meißcu Adler Freihandel getrieben werden kann, werden sich ja die Danziger ganz
wohl dabei befinden, nicht wahr, Herr Rickert? Wir Übrigbleibenden aber würden
ein steuerfreies Dasein führen. Daran verhindert uns der Militarismus. Fiasko!

Von der Sozialreform möchte ich am liebsten garnicht sprechen, denn da
ist der Mißerfolg am kläglichsten. Nach vier Jahren des Experimentirens haben
noch immer die Reichen das Geld und die Armen nichts, anstatt umgekehrt.
Um dem ständigen Vorwurfe zu begegnen, daß die Opposition kein Reform-
programm besitze, habe ich mir von einem Manne, der ein warmer Freund der
Arbeiter, jedoch völlig unparteiisch und uneigennützig ist, da er in seinem Leben
nie gearbeitet hat, seine Forderungen geben lassen. Er sagt: "Wenn ich auf¬
wache, soll ein Geheimerat an meinem Bette stehen, um meine Wünsche wegen
des Frühstücks in Empfang zu nehmen und mir später beim Ankleiden behilflich
zu sein. Restaurants, Bier- und Kaffeehäuser sollen gehalten sein, mir die ver-
schiednen Mahlzeiten nach meiner Anordnung -- natürlich gratis -- zu serviren,
zur Verdauuugszeit muß eine Theaterlvge zu meiner Verfügung stehen, den
Nachttrunk nehme ich in einem Gasthause mit weiblicher Bedienung. Eine
Droschke erster Klasse versteht sich von selbst." Nun werden Sie zugeben, meine
Herren, daß der Mann nichts unbilliges verlangt, und so lange solche be¬
scheidne Ansprüche nicht einmal befriedigt werden, bleibt nichts übrig als: Fiasko!

Ob in Afrika katholische oder protestantische oder jüdische Missionare ihr
Wesen treiben, ist mir, wie Sie denken können, gänzlich einerlei. Da aber auch
diese Frage eine schöne Gelegenheit giebt, der Regierung etwas am Zeuge zu
flicken, so bin ich entrüstet, empört über die Ausschließung der armen unschul¬
digen Jesuiten, und erkläre der Regierung, daß sie auch damit Fiasko machen
wird. vixi.




vergießen wäre erspart worden, wenn die Staaten keine Armeen hielten, denn
daß König Milan den Fürsten Alexander zum Zweikampf herausgefordert haben
würde, ist kaum anzunehmen. Ich kenne Wohl die alte Ausrede, daß ein Land
nicht anfangen könne, sich wehrlos zu macheu, während die andern gerüstet
bleiben, aber das ist eine leere Ausrede. Zur Zeit des seligen Bundestages
— der Zeit der Freiheit, nach welcher sich Herr Liebknecht aus der jetzigen
Reichsreaktion zurücksehnt — fürchtete sich niemand vor Deutschland, und dennoch
griff es niemand an, denn so schlecht sind die Menschen ja nicht, einen Wehr¬
und Hilflosen zu überfallen. Wer überzieht Monaco mit Krieg, obgleich es ein
rentablerer Besitz wäre als die bewußten Sandköcher? Und angenommen, ein
Ministerium Deroulcdc, das wir ja hoffentlich bald erleben werden, forderte
Elsaß und Lothringen zurück, nun so werden wir sie hergeben und als gut
evangelische Christen auch die linke Wange, ich meine das linke Rheinufer, dazu.
Und was liegt uns daran, ob Posen und Oberschlesien und Westpreußen zu
einem deutschen oder einem polnischen Reiche gehören; wenn nur unter dem
meißcu Adler Freihandel getrieben werden kann, werden sich ja die Danziger ganz
wohl dabei befinden, nicht wahr, Herr Rickert? Wir Übrigbleibenden aber würden
ein steuerfreies Dasein führen. Daran verhindert uns der Militarismus. Fiasko!

Von der Sozialreform möchte ich am liebsten garnicht sprechen, denn da
ist der Mißerfolg am kläglichsten. Nach vier Jahren des Experimentirens haben
noch immer die Reichen das Geld und die Armen nichts, anstatt umgekehrt.
Um dem ständigen Vorwurfe zu begegnen, daß die Opposition kein Reform-
programm besitze, habe ich mir von einem Manne, der ein warmer Freund der
Arbeiter, jedoch völlig unparteiisch und uneigennützig ist, da er in seinem Leben
nie gearbeitet hat, seine Forderungen geben lassen. Er sagt: „Wenn ich auf¬
wache, soll ein Geheimerat an meinem Bette stehen, um meine Wünsche wegen
des Frühstücks in Empfang zu nehmen und mir später beim Ankleiden behilflich
zu sein. Restaurants, Bier- und Kaffeehäuser sollen gehalten sein, mir die ver-
schiednen Mahlzeiten nach meiner Anordnung — natürlich gratis — zu serviren,
zur Verdauuugszeit muß eine Theaterlvge zu meiner Verfügung stehen, den
Nachttrunk nehme ich in einem Gasthause mit weiblicher Bedienung. Eine
Droschke erster Klasse versteht sich von selbst." Nun werden Sie zugeben, meine
Herren, daß der Mann nichts unbilliges verlangt, und so lange solche be¬
scheidne Ansprüche nicht einmal befriedigt werden, bleibt nichts übrig als: Fiasko!

Ob in Afrika katholische oder protestantische oder jüdische Missionare ihr
Wesen treiben, ist mir, wie Sie denken können, gänzlich einerlei. Da aber auch
diese Frage eine schöne Gelegenheit giebt, der Regierung etwas am Zeuge zu
flicken, so bin ich entrüstet, empört über die Ausschließung der armen unschul¬
digen Jesuiten, und erkläre der Regierung, daß sie auch damit Fiasko machen
wird. vixi.




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0502" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197236"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <p xml:id="ID_1609" prev="#ID_1608"> vergießen wäre erspart worden, wenn die Staaten keine Armeen hielten, denn<lb/>
daß König Milan den Fürsten Alexander zum Zweikampf herausgefordert haben<lb/>
würde, ist kaum anzunehmen. Ich kenne Wohl die alte Ausrede, daß ein Land<lb/>
nicht anfangen könne, sich wehrlos zu macheu, während die andern gerüstet<lb/>
bleiben, aber das ist eine leere Ausrede. Zur Zeit des seligen Bundestages<lb/>
&#x2014; der Zeit der Freiheit, nach welcher sich Herr Liebknecht aus der jetzigen<lb/>
Reichsreaktion zurücksehnt &#x2014; fürchtete sich niemand vor Deutschland, und dennoch<lb/>
griff es niemand an, denn so schlecht sind die Menschen ja nicht, einen Wehr¬<lb/>
und Hilflosen zu überfallen. Wer überzieht Monaco mit Krieg, obgleich es ein<lb/>
rentablerer Besitz wäre als die bewußten Sandköcher? Und angenommen, ein<lb/>
Ministerium Deroulcdc, das wir ja hoffentlich bald erleben werden, forderte<lb/>
Elsaß und Lothringen zurück, nun so werden wir sie hergeben und als gut<lb/>
evangelische Christen auch die linke Wange, ich meine das linke Rheinufer, dazu.<lb/>
Und was liegt uns daran, ob Posen und Oberschlesien und Westpreußen zu<lb/>
einem deutschen oder einem polnischen Reiche gehören; wenn nur unter dem<lb/>
meißcu Adler Freihandel getrieben werden kann, werden sich ja die Danziger ganz<lb/>
wohl dabei befinden, nicht wahr, Herr Rickert? Wir Übrigbleibenden aber würden<lb/>
ein steuerfreies Dasein führen. Daran verhindert uns der Militarismus. Fiasko!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1610"> Von der Sozialreform möchte ich am liebsten garnicht sprechen, denn da<lb/>
ist der Mißerfolg am kläglichsten. Nach vier Jahren des Experimentirens haben<lb/>
noch immer die Reichen das Geld und die Armen nichts, anstatt umgekehrt.<lb/>
Um dem ständigen Vorwurfe zu begegnen, daß die Opposition kein Reform-<lb/>
programm besitze, habe ich mir von einem Manne, der ein warmer Freund der<lb/>
Arbeiter, jedoch völlig unparteiisch und uneigennützig ist, da er in seinem Leben<lb/>
nie gearbeitet hat, seine Forderungen geben lassen. Er sagt: &#x201E;Wenn ich auf¬<lb/>
wache, soll ein Geheimerat an meinem Bette stehen, um meine Wünsche wegen<lb/>
des Frühstücks in Empfang zu nehmen und mir später beim Ankleiden behilflich<lb/>
zu sein. Restaurants, Bier- und Kaffeehäuser sollen gehalten sein, mir die ver-<lb/>
schiednen Mahlzeiten nach meiner Anordnung &#x2014; natürlich gratis &#x2014; zu serviren,<lb/>
zur Verdauuugszeit muß eine Theaterlvge zu meiner Verfügung stehen, den<lb/>
Nachttrunk nehme ich in einem Gasthause mit weiblicher Bedienung. Eine<lb/>
Droschke erster Klasse versteht sich von selbst." Nun werden Sie zugeben, meine<lb/>
Herren, daß der Mann nichts unbilliges verlangt, und so lange solche be¬<lb/>
scheidne Ansprüche nicht einmal befriedigt werden, bleibt nichts übrig als: Fiasko!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1611"> Ob in Afrika katholische oder protestantische oder jüdische Missionare ihr<lb/>
Wesen treiben, ist mir, wie Sie denken können, gänzlich einerlei. Da aber auch<lb/>
diese Frage eine schöne Gelegenheit giebt, der Regierung etwas am Zeuge zu<lb/>
flicken, so bin ich entrüstet, empört über die Ausschließung der armen unschul¬<lb/>
digen Jesuiten, und erkläre der Regierung, daß sie auch damit Fiasko machen<lb/>
wird. vixi.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0502] vergießen wäre erspart worden, wenn die Staaten keine Armeen hielten, denn daß König Milan den Fürsten Alexander zum Zweikampf herausgefordert haben würde, ist kaum anzunehmen. Ich kenne Wohl die alte Ausrede, daß ein Land nicht anfangen könne, sich wehrlos zu macheu, während die andern gerüstet bleiben, aber das ist eine leere Ausrede. Zur Zeit des seligen Bundestages — der Zeit der Freiheit, nach welcher sich Herr Liebknecht aus der jetzigen Reichsreaktion zurücksehnt — fürchtete sich niemand vor Deutschland, und dennoch griff es niemand an, denn so schlecht sind die Menschen ja nicht, einen Wehr¬ und Hilflosen zu überfallen. Wer überzieht Monaco mit Krieg, obgleich es ein rentablerer Besitz wäre als die bewußten Sandköcher? Und angenommen, ein Ministerium Deroulcdc, das wir ja hoffentlich bald erleben werden, forderte Elsaß und Lothringen zurück, nun so werden wir sie hergeben und als gut evangelische Christen auch die linke Wange, ich meine das linke Rheinufer, dazu. Und was liegt uns daran, ob Posen und Oberschlesien und Westpreußen zu einem deutschen oder einem polnischen Reiche gehören; wenn nur unter dem meißcu Adler Freihandel getrieben werden kann, werden sich ja die Danziger ganz wohl dabei befinden, nicht wahr, Herr Rickert? Wir Übrigbleibenden aber würden ein steuerfreies Dasein führen. Daran verhindert uns der Militarismus. Fiasko! Von der Sozialreform möchte ich am liebsten garnicht sprechen, denn da ist der Mißerfolg am kläglichsten. Nach vier Jahren des Experimentirens haben noch immer die Reichen das Geld und die Armen nichts, anstatt umgekehrt. Um dem ständigen Vorwurfe zu begegnen, daß die Opposition kein Reform- programm besitze, habe ich mir von einem Manne, der ein warmer Freund der Arbeiter, jedoch völlig unparteiisch und uneigennützig ist, da er in seinem Leben nie gearbeitet hat, seine Forderungen geben lassen. Er sagt: „Wenn ich auf¬ wache, soll ein Geheimerat an meinem Bette stehen, um meine Wünsche wegen des Frühstücks in Empfang zu nehmen und mir später beim Ankleiden behilflich zu sein. Restaurants, Bier- und Kaffeehäuser sollen gehalten sein, mir die ver- schiednen Mahlzeiten nach meiner Anordnung — natürlich gratis — zu serviren, zur Verdauuugszeit muß eine Theaterlvge zu meiner Verfügung stehen, den Nachttrunk nehme ich in einem Gasthause mit weiblicher Bedienung. Eine Droschke erster Klasse versteht sich von selbst." Nun werden Sie zugeben, meine Herren, daß der Mann nichts unbilliges verlangt, und so lange solche be¬ scheidne Ansprüche nicht einmal befriedigt werden, bleibt nichts übrig als: Fiasko! Ob in Afrika katholische oder protestantische oder jüdische Missionare ihr Wesen treiben, ist mir, wie Sie denken können, gänzlich einerlei. Da aber auch diese Frage eine schöne Gelegenheit giebt, der Regierung etwas am Zeuge zu flicken, so bin ich entrüstet, empört über die Ausschließung der armen unschul¬ digen Jesuiten, und erkläre der Regierung, daß sie auch damit Fiasko machen wird. vixi.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196733
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196733/502
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196733/502>, abgerufen am 15.01.2025.