Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.Die dramatische Kunst L. v. wildeubrnchs. Zuvörderst könnte man,'wenn man pedantisch sein wollte, auch in diesem Würde also auch in dieser Richtung nur schulmeisterliches Vesscrwissen zu In den beiden ersten Akten ladet von den Vätern der eine dadurch große Die beiden letzten Akte spielen in der Zeit der Erhebung, speziell der vierte, Die dramatische Kunst L. v. wildeubrnchs. Zuvörderst könnte man,'wenn man pedantisch sein wollte, auch in diesem Würde also auch in dieser Richtung nur schulmeisterliches Vesscrwissen zu In den beiden ersten Akten ladet von den Vätern der eine dadurch große Die beiden letzten Akte spielen in der Zeit der Erhebung, speziell der vierte, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0482" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197216"/> <fw type="header" place="top"> Die dramatische Kunst L. v. wildeubrnchs.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1540"> Zuvörderst könnte man,'wenn man pedantisch sein wollte, auch in diesem<lb/> Stücke Anstoß daran nehmen, daß der Dichter die Handlung nicht von einer<lb/> einzelnen, den Mittelpunkt des Ganzen einnehmenden Persönlichkeit ausgehen<lb/> läßt, sondern daß es vielmehr vier Personen sind, die gleichmäßig ein der<lb/> Handlung Teil haben und deshalb auch fast in gleichem Grade unser Interesse<lb/> in Anspruch nehmen. Allerdings mochte man wünschen, daß es ihm gefallen<lb/> Hütte, von den beide» Söhnen denjenigen des Obersten von Jngersleben in<lb/> eine solche Höhe über die andern Personen emporzuheben, daß das Interesse<lb/> des Dramas sich in ihm konzentrirte; aber er hat es nicht gethan, und will<lb/> man nicht eigensinnig sein, so muß mau zugestehen, daß er es auf andre Weise<lb/> verstanden hat, dem Stücke eine solche Einheit zu geben, mit der man in Er¬<lb/> mangelung einer bessern sich zufriedengeben kann. Denn so sehr es auch nach<lb/> Zeit, Ort und Handlung auseinauderfällt, so läuft am Ende doch alles in<lb/> einen Gedanken und ein Gefühl, nämlich in das der Vaterlandsliebe, zusammen.<lb/> In dieser heiligen Flamme, die alles Unreine und Unwahre in sich verzehrt,<lb/> finden die ärgsten Wirrnisse, die heftigsten Gegensätze ihre Losung; träte sonst<lb/> nichts störendes in den Weg, so würde das Drama in völlig harmonischen Ak¬<lb/> korde,, ausklingen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1541"> Würde also auch in dieser Richtung nur schulmeisterliches Vesscrwissen zu<lb/> tadeln finden können, so ist es doch wieder eine andre Frage, wie die Wilden-<lb/> bruchsche Kunst vor den Forderungen andrer Gesetze die Probe besteht. Das<lb/> Stück hat in der Kürze folgenden Inhalt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1542"> In den beiden ersten Akten ladet von den Vätern der eine dadurch große<lb/> Schuld auf fich, daß er nach der Schlacht bei Jena in schwächlicher Haltung<lb/> die ihn, anvertraute Festung Küstrin zu frühzeitig preisgiebt, und der andre,<lb/> daß er in wildem Haffe dieselbe an die Franzosen verrät. An dem Verbrechen<lb/> des letztern — es ist der frühere Dorfschullehrer Valentin Bergmann — nimmt<lb/> dessen Sohn teil, während derjenige des Kommandanten der Festung sich von<lb/> dem Vergehen seines Vaters freihält, dagegen in aufwallender Vaterlandsliebe,<lb/> ohne Befehl und wider Wissen des Oberstkvmmandirenden, in der Absicht, Entsatz<lb/> herbeizurufen, die bedrohte Festung verläßt und dadurch in den Verdacht der<lb/> Desertion gerät. Der Vater, welcher, wie er sich eigner Schuld bewußt ist, so<lb/> auch an die seines Sohnes glauben muß, giebt sich in der Verzweiflung den<lb/> Tod. Das geschieht in dem Augenblicke, wo die Franzosen vom alten Berg¬<lb/> mann geführt in die Stadt eindringen: letzterer kommt früh genug, um die<lb/> volle Freude seiner lange ersehnten Rache genießen zu können.</p><lb/> <p xml:id="ID_1543" next="#ID_1544"> Die beiden letzten Akte spielen in der Zeit der Erhebung, speziell der vierte,<lb/> mit welchem das Stück schließt, in den Tagen der Schlacht von Großbeeren.<lb/> Heinrich, der Sohn Bergmanns, büßt alle Schuld dadurch, daß er deu Sohn<lb/> des frühern Kontmandanten von Küstrin von dem auf ihm ruhenden Verdachte<lb/> der Fahnenflucht reinigt und in heißer Schlacht für das Vaterland die Todes-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0482]
Die dramatische Kunst L. v. wildeubrnchs.
Zuvörderst könnte man,'wenn man pedantisch sein wollte, auch in diesem
Stücke Anstoß daran nehmen, daß der Dichter die Handlung nicht von einer
einzelnen, den Mittelpunkt des Ganzen einnehmenden Persönlichkeit ausgehen
läßt, sondern daß es vielmehr vier Personen sind, die gleichmäßig ein der
Handlung Teil haben und deshalb auch fast in gleichem Grade unser Interesse
in Anspruch nehmen. Allerdings mochte man wünschen, daß es ihm gefallen
Hütte, von den beide» Söhnen denjenigen des Obersten von Jngersleben in
eine solche Höhe über die andern Personen emporzuheben, daß das Interesse
des Dramas sich in ihm konzentrirte; aber er hat es nicht gethan, und will
man nicht eigensinnig sein, so muß mau zugestehen, daß er es auf andre Weise
verstanden hat, dem Stücke eine solche Einheit zu geben, mit der man in Er¬
mangelung einer bessern sich zufriedengeben kann. Denn so sehr es auch nach
Zeit, Ort und Handlung auseinauderfällt, so läuft am Ende doch alles in
einen Gedanken und ein Gefühl, nämlich in das der Vaterlandsliebe, zusammen.
In dieser heiligen Flamme, die alles Unreine und Unwahre in sich verzehrt,
finden die ärgsten Wirrnisse, die heftigsten Gegensätze ihre Losung; träte sonst
nichts störendes in den Weg, so würde das Drama in völlig harmonischen Ak¬
korde,, ausklingen.
Würde also auch in dieser Richtung nur schulmeisterliches Vesscrwissen zu
tadeln finden können, so ist es doch wieder eine andre Frage, wie die Wilden-
bruchsche Kunst vor den Forderungen andrer Gesetze die Probe besteht. Das
Stück hat in der Kürze folgenden Inhalt.
In den beiden ersten Akten ladet von den Vätern der eine dadurch große
Schuld auf fich, daß er nach der Schlacht bei Jena in schwächlicher Haltung
die ihn, anvertraute Festung Küstrin zu frühzeitig preisgiebt, und der andre,
daß er in wildem Haffe dieselbe an die Franzosen verrät. An dem Verbrechen
des letztern — es ist der frühere Dorfschullehrer Valentin Bergmann — nimmt
dessen Sohn teil, während derjenige des Kommandanten der Festung sich von
dem Vergehen seines Vaters freihält, dagegen in aufwallender Vaterlandsliebe,
ohne Befehl und wider Wissen des Oberstkvmmandirenden, in der Absicht, Entsatz
herbeizurufen, die bedrohte Festung verläßt und dadurch in den Verdacht der
Desertion gerät. Der Vater, welcher, wie er sich eigner Schuld bewußt ist, so
auch an die seines Sohnes glauben muß, giebt sich in der Verzweiflung den
Tod. Das geschieht in dem Augenblicke, wo die Franzosen vom alten Berg¬
mann geführt in die Stadt eindringen: letzterer kommt früh genug, um die
volle Freude seiner lange ersehnten Rache genießen zu können.
Die beiden letzten Akte spielen in der Zeit der Erhebung, speziell der vierte,
mit welchem das Stück schließt, in den Tagen der Schlacht von Großbeeren.
Heinrich, der Sohn Bergmanns, büßt alle Schuld dadurch, daß er deu Sohn
des frühern Kontmandanten von Küstrin von dem auf ihm ruhenden Verdachte
der Fahnenflucht reinigt und in heißer Schlacht für das Vaterland die Todes-
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