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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.

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Der serbisch-bulgarische Krieg.

die verrotteten städtischen Verhältnisse zu bringen. Es ist ein erfreuliches Bild
aus der Aufklärungszeit, das uns da vorgeführt wird, und vielleicht darf es als
charakteristisch für das Leipzig des vorigen Jahrhunderts angesehen werden, daß
in der literarischen Hauptstadt Deutschlands auch ihr bester Mann und Leiter aus
literarischen Kreisen hervorging. Der Bürgermeister Müller gehörte zu den Mit¬
arbeitern der "Bremer Beiträge," war selbst Dichter und Herausgeber der ,,Brit¬
tischen Bibliothek."

Von dem reichen Inhalte der "Gesammelten Aufsätze" Wnstmanns kann unser
flüchtiger Ueberblick nur ein ungenügendes Bild entwerfen. Die Ergebnisse mühe¬
voller und oft Wohl recht undankbarer Forschungen sind hier, soweit sie interessantes
zu Tage förderten, in sorgsam ausgefeilter und künstlerisch abgerundeter Form
einem, hoffentlich recht großen und dem Verfasser Dank wissenden Leserkreise ge¬
boten, in einer, wie der bescheidene Verfasser meint, "für das anspruchslose Buch
viel zu reichen" Ausstattung, in einer, wie wir meinen, dem gediegenen, zugleich
ernsten und doch so ansprechenden Charakter des trefflichen Buches durchaus ent¬
sprechenden gefälligen Ausstattung.


Max Koch.


Der serbisch-bulgarische Krieg.

orig Milan hat den erwarteten Wurf gewagt, und wir haben seit
der Mitte des November einen Krieg auf der Välkanhalbinscl.
Obwohl der Schlag, den die Serben gegen die bulgarische" Nach¬
barn ausführten, von aller Welt als wahrscheinliche Folge einer
gespannten Situation vorausgesehen wurde, welche Fürst Alexander
und sein Minister Karawelvsf geschaffen hatten, hat er offenbar an vielen Stellen
überraschend gewirkt. Es fehlte nicht an Anzeichen, daß ein Gewaltschritt nahe
sei, und selbst hinter den dicht geschlossenen Thüren der Botschafterkonferenz in
Topchane muß man geahnt haben, was im Werke war. Kein Zweifel konnte
hier obwalten, daß die serbische Kriegserklärung, die in der Luft schwebte, er¬
gehen würde, wenn die Großmächte nicht in der Lage wären, Ruhe nicht bloß
zu empfehlen, sondern zu befehlen. Es war sichtlich Gefahr im Verzüge, aber
Uneinigkeit ließ sie sich zu lauge mit Vorarbeiten aufhalten, als daß ein Veto
rechtzeitig eingelegt werden konnte, und so werden ihre langsam fortschreitenden
Verhandlungen über die Sicherstellung des Friedens im Bulgarenlande nun¬
mehr von einem kriegerischen Konzert von allerlei Schießgewehr begleitet, von
dem sich noch nicht sagen läßt, ob es jene Bemühungen um den Frieden in ein
rascheres Tempo bringen oder ob es bewirken wird, daß man sie, für einige Zeit


Der serbisch-bulgarische Krieg.

die verrotteten städtischen Verhältnisse zu bringen. Es ist ein erfreuliches Bild
aus der Aufklärungszeit, das uns da vorgeführt wird, und vielleicht darf es als
charakteristisch für das Leipzig des vorigen Jahrhunderts angesehen werden, daß
in der literarischen Hauptstadt Deutschlands auch ihr bester Mann und Leiter aus
literarischen Kreisen hervorging. Der Bürgermeister Müller gehörte zu den Mit¬
arbeitern der „Bremer Beiträge," war selbst Dichter und Herausgeber der ,,Brit¬
tischen Bibliothek."

Von dem reichen Inhalte der „Gesammelten Aufsätze" Wnstmanns kann unser
flüchtiger Ueberblick nur ein ungenügendes Bild entwerfen. Die Ergebnisse mühe¬
voller und oft Wohl recht undankbarer Forschungen sind hier, soweit sie interessantes
zu Tage förderten, in sorgsam ausgefeilter und künstlerisch abgerundeter Form
einem, hoffentlich recht großen und dem Verfasser Dank wissenden Leserkreise ge¬
boten, in einer, wie der bescheidene Verfasser meint, „für das anspruchslose Buch
viel zu reichen" Ausstattung, in einer, wie wir meinen, dem gediegenen, zugleich
ernsten und doch so ansprechenden Charakter des trefflichen Buches durchaus ent¬
sprechenden gefälligen Ausstattung.


Max Koch.


Der serbisch-bulgarische Krieg.

orig Milan hat den erwarteten Wurf gewagt, und wir haben seit
der Mitte des November einen Krieg auf der Välkanhalbinscl.
Obwohl der Schlag, den die Serben gegen die bulgarische» Nach¬
barn ausführten, von aller Welt als wahrscheinliche Folge einer
gespannten Situation vorausgesehen wurde, welche Fürst Alexander
und sein Minister Karawelvsf geschaffen hatten, hat er offenbar an vielen Stellen
überraschend gewirkt. Es fehlte nicht an Anzeichen, daß ein Gewaltschritt nahe
sei, und selbst hinter den dicht geschlossenen Thüren der Botschafterkonferenz in
Topchane muß man geahnt haben, was im Werke war. Kein Zweifel konnte
hier obwalten, daß die serbische Kriegserklärung, die in der Luft schwebte, er¬
gehen würde, wenn die Großmächte nicht in der Lage wären, Ruhe nicht bloß
zu empfehlen, sondern zu befehlen. Es war sichtlich Gefahr im Verzüge, aber
Uneinigkeit ließ sie sich zu lauge mit Vorarbeiten aufhalten, als daß ein Veto
rechtzeitig eingelegt werden konnte, und so werden ihre langsam fortschreitenden
Verhandlungen über die Sicherstellung des Friedens im Bulgarenlande nun¬
mehr von einem kriegerischen Konzert von allerlei Schießgewehr begleitet, von
dem sich noch nicht sagen läßt, ob es jene Bemühungen um den Frieden in ein
rascheres Tempo bringen oder ob es bewirken wird, daß man sie, für einige Zeit


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[0446] Der serbisch-bulgarische Krieg. die verrotteten städtischen Verhältnisse zu bringen. Es ist ein erfreuliches Bild aus der Aufklärungszeit, das uns da vorgeführt wird, und vielleicht darf es als charakteristisch für das Leipzig des vorigen Jahrhunderts angesehen werden, daß in der literarischen Hauptstadt Deutschlands auch ihr bester Mann und Leiter aus literarischen Kreisen hervorging. Der Bürgermeister Müller gehörte zu den Mit¬ arbeitern der „Bremer Beiträge," war selbst Dichter und Herausgeber der ,,Brit¬ tischen Bibliothek." Von dem reichen Inhalte der „Gesammelten Aufsätze" Wnstmanns kann unser flüchtiger Ueberblick nur ein ungenügendes Bild entwerfen. Die Ergebnisse mühe¬ voller und oft Wohl recht undankbarer Forschungen sind hier, soweit sie interessantes zu Tage förderten, in sorgsam ausgefeilter und künstlerisch abgerundeter Form einem, hoffentlich recht großen und dem Verfasser Dank wissenden Leserkreise ge¬ boten, in einer, wie der bescheidene Verfasser meint, „für das anspruchslose Buch viel zu reichen" Ausstattung, in einer, wie wir meinen, dem gediegenen, zugleich ernsten und doch so ansprechenden Charakter des trefflichen Buches durchaus ent¬ sprechenden gefälligen Ausstattung. Max Koch. Der serbisch-bulgarische Krieg. orig Milan hat den erwarteten Wurf gewagt, und wir haben seit der Mitte des November einen Krieg auf der Välkanhalbinscl. Obwohl der Schlag, den die Serben gegen die bulgarische» Nach¬ barn ausführten, von aller Welt als wahrscheinliche Folge einer gespannten Situation vorausgesehen wurde, welche Fürst Alexander und sein Minister Karawelvsf geschaffen hatten, hat er offenbar an vielen Stellen überraschend gewirkt. Es fehlte nicht an Anzeichen, daß ein Gewaltschritt nahe sei, und selbst hinter den dicht geschlossenen Thüren der Botschafterkonferenz in Topchane muß man geahnt haben, was im Werke war. Kein Zweifel konnte hier obwalten, daß die serbische Kriegserklärung, die in der Luft schwebte, er¬ gehen würde, wenn die Großmächte nicht in der Lage wären, Ruhe nicht bloß zu empfehlen, sondern zu befehlen. Es war sichtlich Gefahr im Verzüge, aber Uneinigkeit ließ sie sich zu lauge mit Vorarbeiten aufhalten, als daß ein Veto rechtzeitig eingelegt werden konnte, und so werden ihre langsam fortschreitenden Verhandlungen über die Sicherstellung des Friedens im Bulgarenlande nun¬ mehr von einem kriegerischen Konzert von allerlei Schießgewehr begleitet, von dem sich noch nicht sagen läßt, ob es jene Bemühungen um den Frieden in ein rascheres Tempo bringen oder ob es bewirken wird, daß man sie, für einige Zeit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196733/446>, abgerufen am 15.01.2025.