Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.Notizen. lich machen; 3. die Bevölkerung daran zu gewöhnen, künftig ihre Angelegenheiten Das nächste Ziel des Vereins wird sein, der geringer bemittelten Bevölkerung Natürlich null der Verein damit den Kredit nicht erleichtern, wie es gerade Was der Verein bekämpft, ist nicht bloß ein lokales Uebel, und deshalb reden Der Wucherer aber bekommt immer mehr Schuldner, die ihm zu bestimmten Damit hängt wieder die Güterschlächterei zusammen. Der Kapitalist kauft ein Bei allen diesen Geschäften wendet der Wucherer uoch gern bekannte Mittel Das sind so die dunkeln Punkte, die der Berein schonungslos bloßlegen will. Notizen. lich machen; 3. die Bevölkerung daran zu gewöhnen, künftig ihre Angelegenheiten Das nächste Ziel des Vereins wird sein, der geringer bemittelten Bevölkerung Natürlich null der Verein damit den Kredit nicht erleichtern, wie es gerade Was der Verein bekämpft, ist nicht bloß ein lokales Uebel, und deshalb reden Der Wucherer aber bekommt immer mehr Schuldner, die ihm zu bestimmten Damit hängt wieder die Güterschlächterei zusammen. Der Kapitalist kauft ein Bei allen diesen Geschäften wendet der Wucherer uoch gern bekannte Mittel Das sind so die dunkeln Punkte, die der Berein schonungslos bloßlegen will. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0411" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197145"/> <fw type="header" place="top"> Notizen.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1343" prev="#ID_1342"> lich machen; 3. die Bevölkerung daran zu gewöhnen, künftig ihre Angelegenheiten<lb/> selbst zu besorgen, statt sie durch habsüchtige Menschen verwalten zu lassen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1344"> Das nächste Ziel des Vereins wird sein, der geringer bemittelten Bevölkerung<lb/> die Gelegenheit zu solider und billiger Befriedigung ihres Kreditbedürfnisses zu<lb/> verschaffen, ferner dahin zu wirken, daß die bestehenden Spar- und Darlehnskassen<lb/> eine Einrichtung erhalten, gemäß welcher sie kleinern Leuten Darlehen gegen mäßigen<lb/> Zinsfuß unter Auferlegung einer angemessenen Tilgungsfrist gewähren.</p><lb/> <p xml:id="ID_1345"> Natürlich null der Verein damit den Kredit nicht erleichtern, wie es gerade<lb/> der Wucherer erstrebt; nein, er will den Kredit erschweren und die schweren Pflichten,<lb/> die er auferlegt, deutlicher macheu. Einen Widerspruch kann man darin nicht sehen,<lb/> und glücklicherweise zieht die Bevölkerung einen soliden und darum erschwerten Kredit<lb/> immer noch dem leichten, aber zum Ruin führenden Kredit vor, wenn sie die Wahl<lb/> hat. Dieses „Wenn" ist eben zu unterstreichen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1346"> Was der Verein bekämpft, ist nicht bloß ein lokales Uebel, und deshalb reden<lb/> wir ja davon. Aber einige wucherische Liebhabereien sind wieder dem rheinisch-<lb/> französischen Rechtsgebiete spezifisch oder doch in höherm Grade angehörig als andern<lb/> Bezirken. Auf dem entscheidenden Vereinstage wurde nicht bloß von Landrat Knebel,<lb/> sondern auch von den: Notar Henrich aus Völklingen in sehr korrekter Weise von<lb/> dem Protvkollankaufen, wie es die Wucherer üben, vor der Versammlung gehandelt.<lb/> Es hängt mit dem Parzellenwesen der Rheinprovinz zusammen und der Sitte, bei<lb/> Versteigerungen und Verkäufen unter der Hand den Kauf- oder Steigpreis nicht<lb/> sofort baar zu verlangen, sondern in vier bis zehn Jahren. Der bisherige Eigen¬<lb/> tümer ist nun selten in der Lage, so lange Termine abzuwarten. Er verkauft das<lb/> „Protokoll," das seine Fordernngsrechte spezialisirt, an einen Kapitalisten, um so¬<lb/> fort baares Geld zu bekommen. Das solide Privatkapital hat sich nur ungern mit<lb/> diesen Zessivnsgeschäften abgegeben, denn sie sind mühsam und waren bis vor kurzem<lb/> much riskant. Desto mehr hat sich die Zunft der Wucherer mit diesen Geschäften<lb/> befaßt; sie macht dabei 12 bis 16 Prozent Gewinn. Je kleiner der Mann und<lb/> je ärmer die Gegend, desto höher ist der Rabatt, den der Wucherer erzielt. Und<lb/> dabei sucht der Mensch den Güterwechsel, der ihm Gewinn bringt, durch allerlei<lb/> Mittel noch zu fördern., sooaß durch die bedeutenden Stempel- und Notariatsge¬<lb/> bühren die Leute immer mehr zurückgehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1347"> Der Wucherer aber bekommt immer mehr Schuldner, die ihm zu bestimmten<lb/> Terminen Abzahlungen zu. macheu haben, in die Finger. Anfangs erschwert er<lb/> ihnen das Leben nicht, wenn einmal einer den Termin versäumt. Im Gegenteil,<lb/> er bietet ihm neue Geschäfte an. Erst wenn bei dem Manne nichts mehr zu holen<lb/> ist, wirft er ihn auf die Straße.</p><lb/> <p xml:id="ID_1348"> Damit hängt wieder die Güterschlächterei zusammen. Der Kapitalist kauft ein<lb/> ganzes Besitztum an, um es in Parzellen öffentlich oder unter der Hand wieder<lb/> zu verkaufen. Dabei werden zuweilen 100 Prozent verdient.</p><lb/> <p xml:id="ID_1349"> Bei allen diesen Geschäften wendet der Wucherer uoch gern bekannte Mittel<lb/> an, insbesondre spart er den Wein nicht, wenn er die armen Leute zum Bieten<lb/> veranlassen will. Es ist der alte „Weiukauf" in moderner Form, vulgo ein Sauf¬<lb/> gelage auf Kosten des reichen Mannes, und natürlich ist nicht der Wein, sondern<lb/> der Schnaps die Hauptsache dabei, der dann die Bieter toll macht. Nur die ärgsten<lb/> Skandale hierbei erfaßt das Strafgesetz, das meiste bleibt unbestraft.</p><lb/> <p xml:id="ID_1350" next="#ID_1351"> Das sind so die dunkeln Punkte, die der Berein schonungslos bloßlegen will.<lb/> Alle Fälle von solchen Weinkäufen, alle Beispiele von Bewuchernngen, kurz, alle<lb/> Aergernisse auf diesem Gebiete werdeu bestimmten ortskundigen und rechtskundigen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0411]
Notizen.
lich machen; 3. die Bevölkerung daran zu gewöhnen, künftig ihre Angelegenheiten
selbst zu besorgen, statt sie durch habsüchtige Menschen verwalten zu lassen.
Das nächste Ziel des Vereins wird sein, der geringer bemittelten Bevölkerung
die Gelegenheit zu solider und billiger Befriedigung ihres Kreditbedürfnisses zu
verschaffen, ferner dahin zu wirken, daß die bestehenden Spar- und Darlehnskassen
eine Einrichtung erhalten, gemäß welcher sie kleinern Leuten Darlehen gegen mäßigen
Zinsfuß unter Auferlegung einer angemessenen Tilgungsfrist gewähren.
Natürlich null der Verein damit den Kredit nicht erleichtern, wie es gerade
der Wucherer erstrebt; nein, er will den Kredit erschweren und die schweren Pflichten,
die er auferlegt, deutlicher macheu. Einen Widerspruch kann man darin nicht sehen,
und glücklicherweise zieht die Bevölkerung einen soliden und darum erschwerten Kredit
immer noch dem leichten, aber zum Ruin führenden Kredit vor, wenn sie die Wahl
hat. Dieses „Wenn" ist eben zu unterstreichen.
Was der Verein bekämpft, ist nicht bloß ein lokales Uebel, und deshalb reden
wir ja davon. Aber einige wucherische Liebhabereien sind wieder dem rheinisch-
französischen Rechtsgebiete spezifisch oder doch in höherm Grade angehörig als andern
Bezirken. Auf dem entscheidenden Vereinstage wurde nicht bloß von Landrat Knebel,
sondern auch von den: Notar Henrich aus Völklingen in sehr korrekter Weise von
dem Protvkollankaufen, wie es die Wucherer üben, vor der Versammlung gehandelt.
Es hängt mit dem Parzellenwesen der Rheinprovinz zusammen und der Sitte, bei
Versteigerungen und Verkäufen unter der Hand den Kauf- oder Steigpreis nicht
sofort baar zu verlangen, sondern in vier bis zehn Jahren. Der bisherige Eigen¬
tümer ist nun selten in der Lage, so lange Termine abzuwarten. Er verkauft das
„Protokoll," das seine Fordernngsrechte spezialisirt, an einen Kapitalisten, um so¬
fort baares Geld zu bekommen. Das solide Privatkapital hat sich nur ungern mit
diesen Zessivnsgeschäften abgegeben, denn sie sind mühsam und waren bis vor kurzem
much riskant. Desto mehr hat sich die Zunft der Wucherer mit diesen Geschäften
befaßt; sie macht dabei 12 bis 16 Prozent Gewinn. Je kleiner der Mann und
je ärmer die Gegend, desto höher ist der Rabatt, den der Wucherer erzielt. Und
dabei sucht der Mensch den Güterwechsel, der ihm Gewinn bringt, durch allerlei
Mittel noch zu fördern., sooaß durch die bedeutenden Stempel- und Notariatsge¬
bühren die Leute immer mehr zurückgehen.
Der Wucherer aber bekommt immer mehr Schuldner, die ihm zu bestimmten
Terminen Abzahlungen zu. macheu haben, in die Finger. Anfangs erschwert er
ihnen das Leben nicht, wenn einmal einer den Termin versäumt. Im Gegenteil,
er bietet ihm neue Geschäfte an. Erst wenn bei dem Manne nichts mehr zu holen
ist, wirft er ihn auf die Straße.
Damit hängt wieder die Güterschlächterei zusammen. Der Kapitalist kauft ein
ganzes Besitztum an, um es in Parzellen öffentlich oder unter der Hand wieder
zu verkaufen. Dabei werden zuweilen 100 Prozent verdient.
Bei allen diesen Geschäften wendet der Wucherer uoch gern bekannte Mittel
an, insbesondre spart er den Wein nicht, wenn er die armen Leute zum Bieten
veranlassen will. Es ist der alte „Weiukauf" in moderner Form, vulgo ein Sauf¬
gelage auf Kosten des reichen Mannes, und natürlich ist nicht der Wein, sondern
der Schnaps die Hauptsache dabei, der dann die Bieter toll macht. Nur die ärgsten
Skandale hierbei erfaßt das Strafgesetz, das meiste bleibt unbestraft.
Das sind so die dunkeln Punkte, die der Berein schonungslos bloßlegen will.
Alle Fälle von solchen Weinkäufen, alle Beispiele von Bewuchernngen, kurz, alle
Aergernisse auf diesem Gebiete werdeu bestimmten ortskundigen und rechtskundigen
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |