Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.Der Nichtgewählte an die Wähler. sich das Gleichgewicht halten oder nicht. Keine Westmacht wird sich in den Der Nichtgewählte an die Wähler. eine Herren! Abermals haben Sie mir ein Mandat vorenthalten Der Nichtgewählte an die Wähler. sich das Gleichgewicht halten oder nicht. Keine Westmacht wird sich in den Der Nichtgewählte an die Wähler. eine Herren! Abermals haben Sie mir ein Mandat vorenthalten <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0356" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197090"/> <fw type="header" place="top"> Der Nichtgewählte an die Wähler.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1115" prev="#ID_1114"> sich das Gleichgewicht halten oder nicht. Keine Westmacht wird sich in den<lb/> Harnisch werfen und nach dem Schwerte greifen, wenn der Friede von Berlin<lb/> ungeändert wieder Geltung erlangt; selbst eine Absetzung Fürst Alexanders,<lb/> die auf seine Streichung aus den russischen Gcneralslisten folgen könnte,<lb/> würde stillschweigend hingenommen werden. Auch die Ostrumelier werden sich<lb/> wahrscheinlich mit der Wiederherstellung der türkischen Herrschaft über kurz oder<lb/> laug zufrieden geben. Sie war immer nur nominell. Der Gouverneur wurde<lb/> zwar vom Sultan ernannt, aber mit Einwilligung der Großmächte, und die<lb/> Leute regierten sich im wesentlichen selbst. Kein türkischer Soldat war im<lb/> Lande. Die große Masse war ohne politische Gedanken und ohne eigentlichen<lb/> Patriotismus. Es war im ganzen ein fleißiges Völkchen von Gärtnern,<lb/> Ackersleuteu und Hirten, das sich in aller Stille rasch vermehrte, rascher als<lb/> die Slawen und Griechen im Lande. Das kleine Teil von Gesittung und<lb/> Wissen, das man besaß, war aus Rußland bezogen, welches anch die meisten höhern<lb/> Beamten und für die Miliz die Offiziere lieferte. Man wird den Russen einige<lb/> Zeit grollen, daß sie das Land in einer Krisis im Stiche gelassen haben, aber<lb/> diesen Groll wird das Bewußtsein aufwiegen, daß man ohne die Russen nicht<lb/> viel mehr als nichts bedeutet. Die Türkei endlich hat bei der Krisis ohne<lb/> Zivcifel schmerzliche Erfahrungen gemacht, sie hat erfahren, daß sie heutzutage<lb/> mehr Objekt als Subjekt in der Geschichte ist, aber sie kann sich einigermaßen<lb/> damit trösten, daß sie bemerkt hat, daß Europa ihrer noch bedarf und ihre<lb/> Herrschaft südlich vom Balkan dem Chaos vorzieht, das dem Aufhören der¬<lb/> selben folgen würde.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Der Nichtgewählte an die Wähler.</head><lb/> <p xml:id="ID_1116" next="#ID_1117"> eine Herren! Abermals haben Sie mir ein Mandat vorenthalten<lb/> und mich dadurch von neuem zu Danke verpflichtet. Zu doppeltem<lb/> Danke! Denn erstens werde ich, wenn Sie auch künftig konsequent<lb/> bleiben, mit der Zeit mein Jubiläum der Durchfälle feiern können:<lb/> ein seltenes Fest, da wohl viele in der Lage sind, in welche zu<lb/> kommen ich mir schmeichle, aber aus falscher Bescheidenheit diesen Umstand ver¬<lb/> heimlichen, wie manche Frauen es verschweigen, daß sie aus dem Alter der<lb/> Verehrung in das ehrfurchtgebietende getreten sind. Ich aber glaube, daß der<lb/> fünfundzwanzigste Wahldurchfall ebensoviel Anspruch auf ein Jubelfest gewähre/</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0356]
Der Nichtgewählte an die Wähler.
sich das Gleichgewicht halten oder nicht. Keine Westmacht wird sich in den
Harnisch werfen und nach dem Schwerte greifen, wenn der Friede von Berlin
ungeändert wieder Geltung erlangt; selbst eine Absetzung Fürst Alexanders,
die auf seine Streichung aus den russischen Gcneralslisten folgen könnte,
würde stillschweigend hingenommen werden. Auch die Ostrumelier werden sich
wahrscheinlich mit der Wiederherstellung der türkischen Herrschaft über kurz oder
laug zufrieden geben. Sie war immer nur nominell. Der Gouverneur wurde
zwar vom Sultan ernannt, aber mit Einwilligung der Großmächte, und die
Leute regierten sich im wesentlichen selbst. Kein türkischer Soldat war im
Lande. Die große Masse war ohne politische Gedanken und ohne eigentlichen
Patriotismus. Es war im ganzen ein fleißiges Völkchen von Gärtnern,
Ackersleuteu und Hirten, das sich in aller Stille rasch vermehrte, rascher als
die Slawen und Griechen im Lande. Das kleine Teil von Gesittung und
Wissen, das man besaß, war aus Rußland bezogen, welches anch die meisten höhern
Beamten und für die Miliz die Offiziere lieferte. Man wird den Russen einige
Zeit grollen, daß sie das Land in einer Krisis im Stiche gelassen haben, aber
diesen Groll wird das Bewußtsein aufwiegen, daß man ohne die Russen nicht
viel mehr als nichts bedeutet. Die Türkei endlich hat bei der Krisis ohne
Zivcifel schmerzliche Erfahrungen gemacht, sie hat erfahren, daß sie heutzutage
mehr Objekt als Subjekt in der Geschichte ist, aber sie kann sich einigermaßen
damit trösten, daß sie bemerkt hat, daß Europa ihrer noch bedarf und ihre
Herrschaft südlich vom Balkan dem Chaos vorzieht, das dem Aufhören der¬
selben folgen würde.
Der Nichtgewählte an die Wähler.
eine Herren! Abermals haben Sie mir ein Mandat vorenthalten
und mich dadurch von neuem zu Danke verpflichtet. Zu doppeltem
Danke! Denn erstens werde ich, wenn Sie auch künftig konsequent
bleiben, mit der Zeit mein Jubiläum der Durchfälle feiern können:
ein seltenes Fest, da wohl viele in der Lage sind, in welche zu
kommen ich mir schmeichle, aber aus falscher Bescheidenheit diesen Umstand ver¬
heimlichen, wie manche Frauen es verschweigen, daß sie aus dem Alter der
Verehrung in das ehrfurchtgebietende getreten sind. Ich aber glaube, daß der
fünfundzwanzigste Wahldurchfall ebensoviel Anspruch auf ein Jubelfest gewähre/
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