Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Lin Krieg Englands in Birma.

es abermals zum Kriege. 11 000 britische und indische Soldaten segelten unter
dem General Campbell den Jrcnvaddh hinauf und nahmen verschiedne Orte
an dessen Ufern, darunter die damalige Hauptstadt Rangun ein, aber das Land¬
heer der Engländer, das von Nssam her einrücken sollte, fand in den Birmanen,
die, von Mahn Bcmdala geführt, ihm entgegentraten, ebenbürtige Gegner und
erlitt mehrere Niederlagen, und erst als die Siamesen 1823 Miene machten,
Birma gleichfalls anzufallen, erlangten die Engländer mit letzterem einen Frieden,
der im Februar 1826 abgeschlossen winde und ihnen anßer einer beträchtlichen
Kriegsentschädigung, der Abtretung von vier Provinzen, der Schutzherrschaft
über gewisse Gebirgslandschaften im Norden und dem Recht, in Avr, der nun¬
mehrigen Hauptstadt, einen Gesandten zu halten, einen Handelsvertrag mit
großen Freiheiten für ihre Kaufleute verschaffte, deren Zahl sich daraufhin im
Lande bald stark vermehrte. Dieser Friede hatte eine Dauer von 25 Jahren,
obwohl der englische Gesandte in Ava schon 1829 infolge einer Palastrevolution
sich genötigt sah, das Land zu verlassen, und die Birmanen bei jeder Gelegen¬
heit kundgaben, wie verhaßt ihnen die englische Nachbarschaft war. Da brach
1851 der birmanische Statthalter in Rangun den Handelsvertrag, indem er
von den europäischen Schiffen und Kaufleuten willkürlich Zölle und Steuern
forderte und, als sie sich dagegen verwahrten, mehrere von ihnen wie Ver¬
brecher behandelte. Darauf erschien ein englisches Geschwader unter Commo-
dore Lambert vor Rangun, um Genugthuung und Entschädigung zu verlangen.
Der König versprach beides, wollte die Angelegenheit jedoch erst untersuchen
lassen. Er gedachte damit aber mir Zeit zur Vollendung der Rüstungen zu
gewinnen, die er angeordnet hatte. Er brachte in der That ein zahlreiches
Heer zusammen, das auf beiden Ufern des Jrawaddh Stellung nahm. Die
Engländer warfen dasselbe, obwohl die den Fluß aufwärts fahrenden Schiffe
Lamberts nur 10 000 Mann Landungstruppen an Bord hatten, langsam zurück,
und im April wurden Martaban und Rangun, im Oktober Prome und im
November Pegu von ihnen eingenommen. Indes fanden ihre Friedensverträge
trotzdem, daß auch diesmal die Siamesen sich zu einem Einfall in Birma an¬
schickten und auch die Laos mit einem Aufstande gegen ihre Unterdrücker drohten,
erst dann Gehör, als eine Empörung in der Königsfamilie in Ava einen
Thronwechsel bewirkt und dem Prinzen Mendan Min die Krone von Birma
verschafft hatte. Dieser verstand sich zu nächst zu einem Waffenstillstande und
hierauf zu einem Frieden, in welchem die ganze Provinz Pegu an die Briten
abgetreten wurde, die zehn Jahre später alle ihre Eroberungen im Jrawaddy-
thale und zu beiden Seiten desselben zu der neuen Kolonie Britisch-Birma
vereinigten.

Diesmal würde der Feldzug gegen den Birmanenkönig allem Anscheine
zufolge weniger Zeit, Mühe und Kosten an Blut und Geld erheischen. Birma
ist jetzt viel kleiner und schwächer als in den Jahren 1825 und 1851, und es


Lin Krieg Englands in Birma.

es abermals zum Kriege. 11 000 britische und indische Soldaten segelten unter
dem General Campbell den Jrcnvaddh hinauf und nahmen verschiedne Orte
an dessen Ufern, darunter die damalige Hauptstadt Rangun ein, aber das Land¬
heer der Engländer, das von Nssam her einrücken sollte, fand in den Birmanen,
die, von Mahn Bcmdala geführt, ihm entgegentraten, ebenbürtige Gegner und
erlitt mehrere Niederlagen, und erst als die Siamesen 1823 Miene machten,
Birma gleichfalls anzufallen, erlangten die Engländer mit letzterem einen Frieden,
der im Februar 1826 abgeschlossen winde und ihnen anßer einer beträchtlichen
Kriegsentschädigung, der Abtretung von vier Provinzen, der Schutzherrschaft
über gewisse Gebirgslandschaften im Norden und dem Recht, in Avr, der nun¬
mehrigen Hauptstadt, einen Gesandten zu halten, einen Handelsvertrag mit
großen Freiheiten für ihre Kaufleute verschaffte, deren Zahl sich daraufhin im
Lande bald stark vermehrte. Dieser Friede hatte eine Dauer von 25 Jahren,
obwohl der englische Gesandte in Ava schon 1829 infolge einer Palastrevolution
sich genötigt sah, das Land zu verlassen, und die Birmanen bei jeder Gelegen¬
heit kundgaben, wie verhaßt ihnen die englische Nachbarschaft war. Da brach
1851 der birmanische Statthalter in Rangun den Handelsvertrag, indem er
von den europäischen Schiffen und Kaufleuten willkürlich Zölle und Steuern
forderte und, als sie sich dagegen verwahrten, mehrere von ihnen wie Ver¬
brecher behandelte. Darauf erschien ein englisches Geschwader unter Commo-
dore Lambert vor Rangun, um Genugthuung und Entschädigung zu verlangen.
Der König versprach beides, wollte die Angelegenheit jedoch erst untersuchen
lassen. Er gedachte damit aber mir Zeit zur Vollendung der Rüstungen zu
gewinnen, die er angeordnet hatte. Er brachte in der That ein zahlreiches
Heer zusammen, das auf beiden Ufern des Jrawaddh Stellung nahm. Die
Engländer warfen dasselbe, obwohl die den Fluß aufwärts fahrenden Schiffe
Lamberts nur 10 000 Mann Landungstruppen an Bord hatten, langsam zurück,
und im April wurden Martaban und Rangun, im Oktober Prome und im
November Pegu von ihnen eingenommen. Indes fanden ihre Friedensverträge
trotzdem, daß auch diesmal die Siamesen sich zu einem Einfall in Birma an¬
schickten und auch die Laos mit einem Aufstande gegen ihre Unterdrücker drohten,
erst dann Gehör, als eine Empörung in der Königsfamilie in Ava einen
Thronwechsel bewirkt und dem Prinzen Mendan Min die Krone von Birma
verschafft hatte. Dieser verstand sich zu nächst zu einem Waffenstillstande und
hierauf zu einem Frieden, in welchem die ganze Provinz Pegu an die Briten
abgetreten wurde, die zehn Jahre später alle ihre Eroberungen im Jrawaddy-
thale und zu beiden Seiten desselben zu der neuen Kolonie Britisch-Birma
vereinigten.

Diesmal würde der Feldzug gegen den Birmanenkönig allem Anscheine
zufolge weniger Zeit, Mühe und Kosten an Blut und Geld erheischen. Birma
ist jetzt viel kleiner und schwächer als in den Jahren 1825 und 1851, und es


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0277" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197011"/>
          <fw type="header" place="top"> Lin Krieg Englands in Birma.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_875" prev="#ID_874"> es abermals zum Kriege. 11 000 britische und indische Soldaten segelten unter<lb/>
dem General Campbell den Jrcnvaddh hinauf und nahmen verschiedne Orte<lb/>
an dessen Ufern, darunter die damalige Hauptstadt Rangun ein, aber das Land¬<lb/>
heer der Engländer, das von Nssam her einrücken sollte, fand in den Birmanen,<lb/>
die, von Mahn Bcmdala geführt, ihm entgegentraten, ebenbürtige Gegner und<lb/>
erlitt mehrere Niederlagen, und erst als die Siamesen 1823 Miene machten,<lb/>
Birma gleichfalls anzufallen, erlangten die Engländer mit letzterem einen Frieden,<lb/>
der im Februar 1826 abgeschlossen winde und ihnen anßer einer beträchtlichen<lb/>
Kriegsentschädigung, der Abtretung von vier Provinzen, der Schutzherrschaft<lb/>
über gewisse Gebirgslandschaften im Norden und dem Recht, in Avr, der nun¬<lb/>
mehrigen Hauptstadt, einen Gesandten zu halten, einen Handelsvertrag mit<lb/>
großen Freiheiten für ihre Kaufleute verschaffte, deren Zahl sich daraufhin im<lb/>
Lande bald stark vermehrte. Dieser Friede hatte eine Dauer von 25 Jahren,<lb/>
obwohl der englische Gesandte in Ava schon 1829 infolge einer Palastrevolution<lb/>
sich genötigt sah, das Land zu verlassen, und die Birmanen bei jeder Gelegen¬<lb/>
heit kundgaben, wie verhaßt ihnen die englische Nachbarschaft war. Da brach<lb/>
1851 der birmanische Statthalter in Rangun den Handelsvertrag, indem er<lb/>
von den europäischen Schiffen und Kaufleuten willkürlich Zölle und Steuern<lb/>
forderte und, als sie sich dagegen verwahrten, mehrere von ihnen wie Ver¬<lb/>
brecher behandelte. Darauf erschien ein englisches Geschwader unter Commo-<lb/>
dore Lambert vor Rangun, um Genugthuung und Entschädigung zu verlangen.<lb/>
Der König versprach beides, wollte die Angelegenheit jedoch erst untersuchen<lb/>
lassen. Er gedachte damit aber mir Zeit zur Vollendung der Rüstungen zu<lb/>
gewinnen, die er angeordnet hatte. Er brachte in der That ein zahlreiches<lb/>
Heer zusammen, das auf beiden Ufern des Jrawaddh Stellung nahm. Die<lb/>
Engländer warfen dasselbe, obwohl die den Fluß aufwärts fahrenden Schiffe<lb/>
Lamberts nur 10 000 Mann Landungstruppen an Bord hatten, langsam zurück,<lb/>
und im April wurden Martaban und Rangun, im Oktober Prome und im<lb/>
November Pegu von ihnen eingenommen. Indes fanden ihre Friedensverträge<lb/>
trotzdem, daß auch diesmal die Siamesen sich zu einem Einfall in Birma an¬<lb/>
schickten und auch die Laos mit einem Aufstande gegen ihre Unterdrücker drohten,<lb/>
erst dann Gehör, als eine Empörung in der Königsfamilie in Ava einen<lb/>
Thronwechsel bewirkt und dem Prinzen Mendan Min die Krone von Birma<lb/>
verschafft hatte. Dieser verstand sich zu nächst zu einem Waffenstillstande und<lb/>
hierauf zu einem Frieden, in welchem die ganze Provinz Pegu an die Briten<lb/>
abgetreten wurde, die zehn Jahre später alle ihre Eroberungen im Jrawaddy-<lb/>
thale und zu beiden Seiten desselben zu der neuen Kolonie Britisch-Birma<lb/>
vereinigten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_876" next="#ID_877"> Diesmal würde der Feldzug gegen den Birmanenkönig allem Anscheine<lb/>
zufolge weniger Zeit, Mühe und Kosten an Blut und Geld erheischen. Birma<lb/>
ist jetzt viel kleiner und schwächer als in den Jahren 1825 und 1851, und es</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0277] Lin Krieg Englands in Birma. es abermals zum Kriege. 11 000 britische und indische Soldaten segelten unter dem General Campbell den Jrcnvaddh hinauf und nahmen verschiedne Orte an dessen Ufern, darunter die damalige Hauptstadt Rangun ein, aber das Land¬ heer der Engländer, das von Nssam her einrücken sollte, fand in den Birmanen, die, von Mahn Bcmdala geführt, ihm entgegentraten, ebenbürtige Gegner und erlitt mehrere Niederlagen, und erst als die Siamesen 1823 Miene machten, Birma gleichfalls anzufallen, erlangten die Engländer mit letzterem einen Frieden, der im Februar 1826 abgeschlossen winde und ihnen anßer einer beträchtlichen Kriegsentschädigung, der Abtretung von vier Provinzen, der Schutzherrschaft über gewisse Gebirgslandschaften im Norden und dem Recht, in Avr, der nun¬ mehrigen Hauptstadt, einen Gesandten zu halten, einen Handelsvertrag mit großen Freiheiten für ihre Kaufleute verschaffte, deren Zahl sich daraufhin im Lande bald stark vermehrte. Dieser Friede hatte eine Dauer von 25 Jahren, obwohl der englische Gesandte in Ava schon 1829 infolge einer Palastrevolution sich genötigt sah, das Land zu verlassen, und die Birmanen bei jeder Gelegen¬ heit kundgaben, wie verhaßt ihnen die englische Nachbarschaft war. Da brach 1851 der birmanische Statthalter in Rangun den Handelsvertrag, indem er von den europäischen Schiffen und Kaufleuten willkürlich Zölle und Steuern forderte und, als sie sich dagegen verwahrten, mehrere von ihnen wie Ver¬ brecher behandelte. Darauf erschien ein englisches Geschwader unter Commo- dore Lambert vor Rangun, um Genugthuung und Entschädigung zu verlangen. Der König versprach beides, wollte die Angelegenheit jedoch erst untersuchen lassen. Er gedachte damit aber mir Zeit zur Vollendung der Rüstungen zu gewinnen, die er angeordnet hatte. Er brachte in der That ein zahlreiches Heer zusammen, das auf beiden Ufern des Jrawaddh Stellung nahm. Die Engländer warfen dasselbe, obwohl die den Fluß aufwärts fahrenden Schiffe Lamberts nur 10 000 Mann Landungstruppen an Bord hatten, langsam zurück, und im April wurden Martaban und Rangun, im Oktober Prome und im November Pegu von ihnen eingenommen. Indes fanden ihre Friedensverträge trotzdem, daß auch diesmal die Siamesen sich zu einem Einfall in Birma an¬ schickten und auch die Laos mit einem Aufstande gegen ihre Unterdrücker drohten, erst dann Gehör, als eine Empörung in der Königsfamilie in Ava einen Thronwechsel bewirkt und dem Prinzen Mendan Min die Krone von Birma verschafft hatte. Dieser verstand sich zu nächst zu einem Waffenstillstande und hierauf zu einem Frieden, in welchem die ganze Provinz Pegu an die Briten abgetreten wurde, die zehn Jahre später alle ihre Eroberungen im Jrawaddy- thale und zu beiden Seiten desselben zu der neuen Kolonie Britisch-Birma vereinigten. Diesmal würde der Feldzug gegen den Birmanenkönig allem Anscheine zufolge weniger Zeit, Mühe und Kosten an Blut und Geld erheischen. Birma ist jetzt viel kleiner und schwächer als in den Jahren 1825 und 1851, und es

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196733
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196733/277
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196733/277>, abgerufen am 15.01.2025.