Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.dann Thassilo auf Erfolg! Und Wittukind erträgt es auch nicht, daß einer nach Dann die Gattin des Herzogs, die treue Lnitberga. Als Rothar ihr mit dem Und fühlst und weißt nicht, daß wenn schon ein Weib Daß ihr Gatte nämlich auf ihren leidenschaftlichen Wunsch so lange nicht eingeht, Meinst du denn, daß ich dich messe So hat sich im Grunde beider Dasein erfüllt, und ihr Untergang verliert alle Wir haben uns mit Absicht bloß an die poetische Seite der Dichtung Saars An Saars Dichtung reihen wir für heute noch ein neues Werk eines ebenfalls "Das Werk Gottfrieds, sagt der geistreiche Autor in dem Vorworte, so voll dann Thassilo auf Erfolg! Und Wittukind erträgt es auch nicht, daß einer nach Dann die Gattin des Herzogs, die treue Lnitberga. Als Rothar ihr mit dem Und fühlst und weißt nicht, daß wenn schon ein Weib Daß ihr Gatte nämlich auf ihren leidenschaftlichen Wunsch so lange nicht eingeht, Meinst du denn, daß ich dich messe So hat sich im Grunde beider Dasein erfüllt, und ihr Untergang verliert alle Wir haben uns mit Absicht bloß an die poetische Seite der Dichtung Saars An Saars Dichtung reihen wir für heute noch ein neues Werk eines ebenfalls „Das Werk Gottfrieds, sagt der geistreiche Autor in dem Vorworte, so voll <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0261" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/196995"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_817" prev="#ID_816"> dann Thassilo auf Erfolg! Und Wittukind erträgt es auch nicht, daß einer nach<lb/> ihm noch frei vor Karl dastehe, und trotz des strengsten Verbotes, Thassilo in der<lb/> Schlacht zu töten, sendet er ihm den tätlichen Pfeil.</p><lb/> <p xml:id="ID_818"> Dann die Gattin des Herzogs, die treue Lnitberga. Als Rothar ihr mit dem<lb/> Antrage naht, Karl meuchlings zu ermorden, da stößt sie ihn von sich:</p><lb/> <quote> Und fühlst und weißt nicht, daß wenn schon ein Weib<lb/> Des Feindes Tod mit solchem Preis bezahlte,<lb/> Gerade ich jetzt doppelt wünschen muß,<lb/> Daß Karl sein volles Dasein atme?<lb/> Ja wenn er hunderttausend Leben hätte,<lb/> Ich schützte jedes ihm mit nig'mer Hand:<lb/> Besiegt von Thassilo nur darf er fallen!</quote><lb/> <p xml:id="ID_819"> Daß ihr Gatte nämlich auf ihren leidenschaftlichen Wunsch so lange nicht eingeht,<lb/> das erklärt sie sich — echt weiblich — nur als Ausdruck seiner schwachen Liebe zu<lb/> ihr. Sie jubelt daher, ist nußer sich vor Freude, als die Dinge sich nach ihrem<lb/> Wunsche ändern, denn sie erklärt es sich nnr persönlich und findet darin den Beweis<lb/> für die Liebe ihres vergötterten Mannes, Mit der stolzeste» Zuversicht begleitet<lb/> sie seine Rüstung zum Kampfe. Und als er die Möglichkeit der Niederlage auch<lb/> ihr vor Angen hält, erwiedert sie:</p><lb/> <quote> Meinst du denn, daß ich dich messe<lb/> Nach dem, was dir jetzt noch gelingt, was nicht?<lb/> Daß du gewollt, was ich von dir erwartet,<lb/> In meinen jungen Tagen stolz erwartet,<lb/> Ist mir die seligste Erfüllung schon!<lb/> O sieh, so ohne Wunsch mehr bin ich jetzt,<lb/> Daß ich dir sagen könnte: laß es sein!<lb/> Wirf ihm, dem ewig Fordernden, das Land,<lb/> Das er noch nicht besitzt, wirf es ihm hin,<lb/> Dein Baiern! Haben soll er es — und auch<lb/> Die Erde noch, so weit sie reicht, dazu.<lb/> Er mag sie ganz erobern und beherrschen,<lb/> Wenn er uns nur deu Strahl der Sonne läßt,<lb/> Der uus das Haupt bescheint!</quote><lb/> <p xml:id="ID_820"> So hat sich im Grunde beider Dasein erfüllt, und ihr Untergang verliert alle<lb/> Herbigkeit. Als man den Leichnam Thassilos vom Schlachtfelde in das Bnrggemach<lb/> bringt, wo Lnitberga durchs Fenster dem Gange des Streites bewegt gefolgt ist,<lb/> ersticht sie sich und fällt tot zu Karls Füßen nieder. Im Kontrast zu ihr und ihr<lb/> Licht hebend steht Notrudis, die gleichfalls vom Rachedurst gegen den König er¬<lb/> füllt ist; ihr megärenhaftes Wesen ist der rechte Schatten für die sympathische<lb/> Gestalt der Lnngobardeutochter.</p><lb/> <p xml:id="ID_821"> Wir haben uns mit Absicht bloß an die poetische Seite der Dichtung Saars<lb/> gehalten: über ihren dramatischen Wert kann schließlich nur eine Bühnenaufführinig<lb/> urteilen. 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dann Thassilo auf Erfolg! Und Wittukind erträgt es auch nicht, daß einer nach
ihm noch frei vor Karl dastehe, und trotz des strengsten Verbotes, Thassilo in der
Schlacht zu töten, sendet er ihm den tätlichen Pfeil.
Dann die Gattin des Herzogs, die treue Lnitberga. Als Rothar ihr mit dem
Antrage naht, Karl meuchlings zu ermorden, da stößt sie ihn von sich:
Und fühlst und weißt nicht, daß wenn schon ein Weib
Des Feindes Tod mit solchem Preis bezahlte,
Gerade ich jetzt doppelt wünschen muß,
Daß Karl sein volles Dasein atme?
Ja wenn er hunderttausend Leben hätte,
Ich schützte jedes ihm mit nig'mer Hand:
Besiegt von Thassilo nur darf er fallen!
Daß ihr Gatte nämlich auf ihren leidenschaftlichen Wunsch so lange nicht eingeht,
das erklärt sie sich — echt weiblich — nur als Ausdruck seiner schwachen Liebe zu
ihr. Sie jubelt daher, ist nußer sich vor Freude, als die Dinge sich nach ihrem
Wunsche ändern, denn sie erklärt es sich nnr persönlich und findet darin den Beweis
für die Liebe ihres vergötterten Mannes, Mit der stolzeste» Zuversicht begleitet
sie seine Rüstung zum Kampfe. Und als er die Möglichkeit der Niederlage auch
ihr vor Angen hält, erwiedert sie:
Meinst du denn, daß ich dich messe
Nach dem, was dir jetzt noch gelingt, was nicht?
Daß du gewollt, was ich von dir erwartet,
In meinen jungen Tagen stolz erwartet,
Ist mir die seligste Erfüllung schon!
O sieh, so ohne Wunsch mehr bin ich jetzt,
Daß ich dir sagen könnte: laß es sein!
Wirf ihm, dem ewig Fordernden, das Land,
Das er noch nicht besitzt, wirf es ihm hin,
Dein Baiern! Haben soll er es — und auch
Die Erde noch, so weit sie reicht, dazu.
Er mag sie ganz erobern und beherrschen,
Wenn er uns nur deu Strahl der Sonne läßt,
Der uus das Haupt bescheint!
So hat sich im Grunde beider Dasein erfüllt, und ihr Untergang verliert alle
Herbigkeit. Als man den Leichnam Thassilos vom Schlachtfelde in das Bnrggemach
bringt, wo Lnitberga durchs Fenster dem Gange des Streites bewegt gefolgt ist,
ersticht sie sich und fällt tot zu Karls Füßen nieder. Im Kontrast zu ihr und ihr
Licht hebend steht Notrudis, die gleichfalls vom Rachedurst gegen den König er¬
füllt ist; ihr megärenhaftes Wesen ist der rechte Schatten für die sympathische
Gestalt der Lnngobardeutochter.
Wir haben uns mit Absicht bloß an die poetische Seite der Dichtung Saars
gehalten: über ihren dramatischen Wert kann schließlich nur eine Bühnenaufführinig
urteilen. Unsre Theaterdirektoren, die über deu Mangel guter Stücke klagen, haben
hier Gelegenheit, ihr Bedürfnis zu befriedigen.
An Saars Dichtung reihen wir für heute noch ein neues Werk eines ebenfalls
schon früher in diesen Blättern genannten Dichters: die Tragödie Tristan und
Isolde von Friedrich Roher (Iserlohn, Baedeker, 188S),
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„Das Werk Gottfrieds, sagt der geistreiche Autor in dem Vorworte, so voll
der herrlichsten Schönheiten, ist im tiefsten Grunde unsittlich; Shakespeare ist selbst
da, wo er das unsittlichste behandelt, so sittlich wie die Bibel." Des Verfassers Bestreben
war es daher, die überlieferte Sage so Hinzudichten, daß sie unser sittliches Gefühl,
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