Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.Zur Geschichte des gelehrten Unterrichts. betrieben worden sind, noch von Nutzen seien, dazu kam die leidige Überbürdungs- Paulsen gesteht offen ein, daß es zunächst das Interesse an der Zukunft Zur Geschichte des gelehrten Unterrichts. betrieben worden sind, noch von Nutzen seien, dazu kam die leidige Überbürdungs- Paulsen gesteht offen ein, daß es zunächst das Interesse an der Zukunft <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0248" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/196982"/> <fw type="header" place="top"> Zur Geschichte des gelehrten Unterrichts.</fw><lb/> <p xml:id="ID_781" prev="#ID_780"> betrieben worden sind, noch von Nutzen seien, dazu kam die leidige Überbürdungs-<lb/> frage, kurz, der Glaube an die Untrüglichkcit des Gymnasialuutcrrichts wurde<lb/> merklich erschüttert. Da erschien Paniscus Arbeit im rechten Augenblicke, und<lb/> so mag sie uns denn hier etwas näher beschäftigen.</p><lb/> <p xml:id="ID_782"> Paulsen gesteht offen ein, daß es zunächst das Interesse an der Zukunft<lb/> unsers gelehrten Unterrichts gewesen sei, welches ihn zur Beschäftigung mit der<lb/> Vergangenheit desselben geführt habe, und zwar mit immer wachsendem Interesse<lb/> an der Vergangenheit als solcher. Vielleicht gebe es kein Einzclgebiet historischer<lb/> Forschung, welches in so engem Zusammenhange mit der gesamten Kulturent-<lb/> wicklung unsers Volkes stehe als die Geschichte des gelehrten Unterrichts.<lb/> Soweit es möglich und mit seiner Hauptaufgabe vereinbar war, hat Paulsen<lb/> auch versucht, diese umfassenden Beziehungen anzudeuten, namentlich wie sich<lb/> in ihm die Geschichte des geistigen Lebens, der Philosophie, der Wissenschaft,<lb/> der Literatur spiegelt, welchen tiefen Einblick in die Entwicklung der Gesellschaft<lb/> die jedesmalige Stellung der gelehrten Schulen zu der sozialen Gliederung<lb/> gewährt und wie sich in der Organisation der Schulverwaltung das Wachsen<lb/> der staatlichen Macht gegenüber der Kirche und der Gemeinde verfolgen läßt.<lb/> Seine Aufgabe in der Geschichte des Unterrichts selbst glaubt er darin zu er¬<lb/> kennen, „aus dem ihm zugänglichen Material repräsentative Thatsachen und<lb/> Äußerungen auszuwählen, ausreichend, um eine deutliche Vorstellung von dem<lb/> Bestände des Unterrichts in jedem Zeitalter zu geben." Vor allem kam es<lb/> ihm auch darauf an, in seiner Darstellung den Zusammenhang der Universi¬<lb/> täten mit den gelehrten Schulen zu veranschaulichen, da ja die gelehrten<lb/> Schulen sich naturgemäß uach den Universitäten formen, von welchen sie ihre<lb/> Lehrer empfangen und welchen sie ihre Schüler übergeben. Über den Plan<lb/> und die Gruppirung des Stoffes spricht sich der Verfasser selbst ans. In drei<lb/> gewaltigen Flutwelle» haben, wie uns die Einleitung in großen Zügen vorführt,<lb/> die Sprachen und Literaturen, die Erkenntnisse und Ideen des Altertums die<lb/> germanische Welt überströmt. Die erste erstreckte sich über das gesamte Mittel¬<lb/> alter; die lateinische Sprache, der römisch-katholische Kultus bilden den nieder¬<lb/> schlug. Die zweite, im fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert auftretende,<lb/> führte die griechische Sprache und Literatur mit sich; als Niederschlag dieser<lb/> Überflutung blieb das klassische Latein, die Kenntnis der griechischen Sprache<lb/> und der Same der naturalistischen Weltanschauung zurück. Die dritte, besonders<lb/> das protestantische Norddeutschland überflutende Welle erreichte ihren höchsten<lb/> Stand um die Wende des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts, sie ver¬<lb/> breitete die hellenistischen Ideen und Anschauungen; die klassische Philologie und<lb/> der klassische Unterricht auf den Gymnasien blieb als Niederschlag zurück. Nach<lb/> dieser Einteilung der Zeiten hat Paulsen seine Darstellung in drei Bücher<lb/> zerlegt, das erste und das dritte Buch behandeln die zweite und dritte Flutzeit,<lb/> das zweite die zwischen beiden liegende Ebbe.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0248]
Zur Geschichte des gelehrten Unterrichts.
betrieben worden sind, noch von Nutzen seien, dazu kam die leidige Überbürdungs-
frage, kurz, der Glaube an die Untrüglichkcit des Gymnasialuutcrrichts wurde
merklich erschüttert. Da erschien Paniscus Arbeit im rechten Augenblicke, und
so mag sie uns denn hier etwas näher beschäftigen.
Paulsen gesteht offen ein, daß es zunächst das Interesse an der Zukunft
unsers gelehrten Unterrichts gewesen sei, welches ihn zur Beschäftigung mit der
Vergangenheit desselben geführt habe, und zwar mit immer wachsendem Interesse
an der Vergangenheit als solcher. Vielleicht gebe es kein Einzclgebiet historischer
Forschung, welches in so engem Zusammenhange mit der gesamten Kulturent-
wicklung unsers Volkes stehe als die Geschichte des gelehrten Unterrichts.
Soweit es möglich und mit seiner Hauptaufgabe vereinbar war, hat Paulsen
auch versucht, diese umfassenden Beziehungen anzudeuten, namentlich wie sich
in ihm die Geschichte des geistigen Lebens, der Philosophie, der Wissenschaft,
der Literatur spiegelt, welchen tiefen Einblick in die Entwicklung der Gesellschaft
die jedesmalige Stellung der gelehrten Schulen zu der sozialen Gliederung
gewährt und wie sich in der Organisation der Schulverwaltung das Wachsen
der staatlichen Macht gegenüber der Kirche und der Gemeinde verfolgen läßt.
Seine Aufgabe in der Geschichte des Unterrichts selbst glaubt er darin zu er¬
kennen, „aus dem ihm zugänglichen Material repräsentative Thatsachen und
Äußerungen auszuwählen, ausreichend, um eine deutliche Vorstellung von dem
Bestände des Unterrichts in jedem Zeitalter zu geben." Vor allem kam es
ihm auch darauf an, in seiner Darstellung den Zusammenhang der Universi¬
täten mit den gelehrten Schulen zu veranschaulichen, da ja die gelehrten
Schulen sich naturgemäß uach den Universitäten formen, von welchen sie ihre
Lehrer empfangen und welchen sie ihre Schüler übergeben. Über den Plan
und die Gruppirung des Stoffes spricht sich der Verfasser selbst ans. In drei
gewaltigen Flutwelle» haben, wie uns die Einleitung in großen Zügen vorführt,
die Sprachen und Literaturen, die Erkenntnisse und Ideen des Altertums die
germanische Welt überströmt. Die erste erstreckte sich über das gesamte Mittel¬
alter; die lateinische Sprache, der römisch-katholische Kultus bilden den nieder¬
schlug. Die zweite, im fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert auftretende,
führte die griechische Sprache und Literatur mit sich; als Niederschlag dieser
Überflutung blieb das klassische Latein, die Kenntnis der griechischen Sprache
und der Same der naturalistischen Weltanschauung zurück. Die dritte, besonders
das protestantische Norddeutschland überflutende Welle erreichte ihren höchsten
Stand um die Wende des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts, sie ver¬
breitete die hellenistischen Ideen und Anschauungen; die klassische Philologie und
der klassische Unterricht auf den Gymnasien blieb als Niederschlag zurück. Nach
dieser Einteilung der Zeiten hat Paulsen seine Darstellung in drei Bücher
zerlegt, das erste und das dritte Buch behandeln die zweite und dritte Flutzeit,
das zweite die zwischen beiden liegende Ebbe.
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