Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.Das Ergebnis der französische" QXchlen. andern Prätendenten und ihre Verbindung mit seinen Parteigängern kaum ver¬ Das Ergebnis der französische» QXchlen. andern Prätendenten und ihre Verbindung mit seinen Parteigängern kaum ver¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0227" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/196961"/> <fw type="header" place="top"> Das Ergebnis der französische» QXchlen.</fw><lb/> <p xml:id="ID_722" prev="#ID_721" next="#ID_723"> andern Prätendenten und ihre Verbindung mit seinen Parteigängern kaum ver¬<lb/> hehlt oder offen bekannt hatten, aber im großen und ganzen konnte man schon<lb/> bei der ersten Wahl sagen, daß Frankreich dadurch uicht so sehr Feindschaft<lb/> gegen die Republik als solche, als Unzufriedenheit mit der Klasse von Republi¬<lb/> kanern kundgegeben habe, welche den Staat in den letzten Jahre» verwaltet hatte.<lb/> Es war ein Tadelsvotum gegen die Epigonen Gambcttas, in erster Reihe gegen<lb/> das Regiment Ferrys, und man behauptet nicht zu viel, wenn man dasselbe<lb/> in vielen Beziehungen verdient und in andern wenigstens begreiflich nennt. Die<lb/> Freunde des Friedens zwar konnten Ferry Dank wissen, daß er sich mit dem<lb/> deutschen Reiche auf guten Fuß stellte, aber anderseits führte er eine ganze<lb/> Anzahl kleiner Kriege, die weder Ruhm noch andre Vorteile brachten, im Ver¬<lb/> dachte standen, solche nur für spekulirende Kapitalisten herbeiführen zu sollen,<lb/> und die Finanzen sowie die Menschenkraft des Landes unaufhörlich stark in<lb/> Anspruch nahmen, sodaß die Armee geschwächt und teilweise desorganisirt<lb/> wurde und die ohnehin sehr erhebliche Staatsschuld Frankreichs sich beträcht¬<lb/> lich steigerte. Dazu kam vielfache Mißwirtschaft in den innern Angelegen¬<lb/> heiten. Seine kleinliche Verfolgung der Geistlichen und Klosterlente, die Be¬<lb/> leidigung der Kirche überhaupt, die seine Amtsführung bezeichnete, seine Versuche,<lb/> die Schulen zu sükularisireu, umso verdrießlicher für weite Kreise, als sie ebenfalls<lb/> kostspieliger Natur waren, mußten einzeln betrachtet schon viel Unzufriedenheit<lb/> hervorrufen, und machten ihm, als Ganzes genommen und mit seiner fast durchweg<lb/> unfruchtbaren überseeischen Politik zusammengehalten, alle Parteien, mir seine<lb/> eigne nicht, zu erbitterten Gegnern. Andre opportunistische Ministerpräsidenten,<lb/> die, welche ihm vorangingen, und sein Nachfolger, sind teilweise gleichfalls ver¬<lb/> antwortlich für diese Politik unruhiger Strebsamkeit und zweckloser oder zweck¬<lb/> widriger Abenteuer; aber Ferry war länger am Ruder als irgendein französischer<lb/> Parteiminister seit 1871, und so richtete sich das Verdikt, das am 4. Oktober<lb/> gegen die ganze Geschäftsführung der Gambettisten erging, naturgemäß gegen<lb/> ihn. Daß die Wähler bei ihrem Urteile mehr auf die Fehler der jetzt regierenden<lb/> Gruppe der Republikaner als auf die Verdienste ihrer Gegner sahen, ergiebt<lb/> sich deutlich aus den Umständen. Royalisten, Imperialisten, Radikale, gleichviel,<lb/> wo ein Politiker im Rufe stand oder durch seine Wahlrede bekannte, ein Wider¬<lb/> sacher der Opportunisten zu sein, so vereinigte er in der Regel die Mehrzahl<lb/> der Stimmen um seinen Name». Gewiß stimmte ferner, wie schon angedeutet,<lb/> ein großer Teil der Wähler für das politische Programm, welches der Monarchie<lb/> vor der demokratischen Republik den Vorzug giebt, aber das Gesamtergebnis der<lb/> Wahlen vom 4. Oktober schloß keineswegs den Wunsch ein, eine bestimmte<lb/> Persönlichkeit auf demi Throne von Frankreich zu sehen. Die Kundgebung trug<lb/> also keinen streng praktische», sondern mehr einen theoretischen oder, wie die<lb/> Diplomaten sich ausdrücken, einen akademischen Charakter, und das verstand sich<lb/> bei der Beschaffenheit der Prätendenten, um die sichs allein handeln konnte, von</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0227]
Das Ergebnis der französische» QXchlen.
andern Prätendenten und ihre Verbindung mit seinen Parteigängern kaum ver¬
hehlt oder offen bekannt hatten, aber im großen und ganzen konnte man schon
bei der ersten Wahl sagen, daß Frankreich dadurch uicht so sehr Feindschaft
gegen die Republik als solche, als Unzufriedenheit mit der Klasse von Republi¬
kanern kundgegeben habe, welche den Staat in den letzten Jahre» verwaltet hatte.
Es war ein Tadelsvotum gegen die Epigonen Gambcttas, in erster Reihe gegen
das Regiment Ferrys, und man behauptet nicht zu viel, wenn man dasselbe
in vielen Beziehungen verdient und in andern wenigstens begreiflich nennt. Die
Freunde des Friedens zwar konnten Ferry Dank wissen, daß er sich mit dem
deutschen Reiche auf guten Fuß stellte, aber anderseits führte er eine ganze
Anzahl kleiner Kriege, die weder Ruhm noch andre Vorteile brachten, im Ver¬
dachte standen, solche nur für spekulirende Kapitalisten herbeiführen zu sollen,
und die Finanzen sowie die Menschenkraft des Landes unaufhörlich stark in
Anspruch nahmen, sodaß die Armee geschwächt und teilweise desorganisirt
wurde und die ohnehin sehr erhebliche Staatsschuld Frankreichs sich beträcht¬
lich steigerte. Dazu kam vielfache Mißwirtschaft in den innern Angelegen¬
heiten. Seine kleinliche Verfolgung der Geistlichen und Klosterlente, die Be¬
leidigung der Kirche überhaupt, die seine Amtsführung bezeichnete, seine Versuche,
die Schulen zu sükularisireu, umso verdrießlicher für weite Kreise, als sie ebenfalls
kostspieliger Natur waren, mußten einzeln betrachtet schon viel Unzufriedenheit
hervorrufen, und machten ihm, als Ganzes genommen und mit seiner fast durchweg
unfruchtbaren überseeischen Politik zusammengehalten, alle Parteien, mir seine
eigne nicht, zu erbitterten Gegnern. Andre opportunistische Ministerpräsidenten,
die, welche ihm vorangingen, und sein Nachfolger, sind teilweise gleichfalls ver¬
antwortlich für diese Politik unruhiger Strebsamkeit und zweckloser oder zweck¬
widriger Abenteuer; aber Ferry war länger am Ruder als irgendein französischer
Parteiminister seit 1871, und so richtete sich das Verdikt, das am 4. Oktober
gegen die ganze Geschäftsführung der Gambettisten erging, naturgemäß gegen
ihn. Daß die Wähler bei ihrem Urteile mehr auf die Fehler der jetzt regierenden
Gruppe der Republikaner als auf die Verdienste ihrer Gegner sahen, ergiebt
sich deutlich aus den Umständen. Royalisten, Imperialisten, Radikale, gleichviel,
wo ein Politiker im Rufe stand oder durch seine Wahlrede bekannte, ein Wider¬
sacher der Opportunisten zu sein, so vereinigte er in der Regel die Mehrzahl
der Stimmen um seinen Name». Gewiß stimmte ferner, wie schon angedeutet,
ein großer Teil der Wähler für das politische Programm, welches der Monarchie
vor der demokratischen Republik den Vorzug giebt, aber das Gesamtergebnis der
Wahlen vom 4. Oktober schloß keineswegs den Wunsch ein, eine bestimmte
Persönlichkeit auf demi Throne von Frankreich zu sehen. Die Kundgebung trug
also keinen streng praktische», sondern mehr einen theoretischen oder, wie die
Diplomaten sich ausdrücken, einen akademischen Charakter, und das verstand sich
bei der Beschaffenheit der Prätendenten, um die sichs allein handeln konnte, von
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