Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.Notizen. die ganze Verfügung zieht sich dabei der entschiedenste Dank für die in der That Antiquarisches. Vor uns liegen zwei antiquarische Kataloge aus den letzten Notizen. die ganze Verfügung zieht sich dabei der entschiedenste Dank für die in der That Antiquarisches. Vor uns liegen zwei antiquarische Kataloge aus den letzten <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0219" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/196953"/> <fw type="header" place="top"> Notizen.</fw><lb/> <p xml:id="ID_696" prev="#ID_695"> die ganze Verfügung zieht sich dabei der entschiedenste Dank für die in der That<lb/> große bisherige Mühewaltung der Kommission, die ohnehin schon recht belastet ist<lb/> mit andern Arbeiten und eine Entschädigung für ihre Thätigkeit bezieht, welche<lb/> kaum der Rede wert ist. Es wird besonders anerkannt, daß jene Kommissionen<lb/> in den siebzig Jahren ihres Bestehens es zustande gebracht haben, daß das Ver¬<lb/> fahren in den Reifeprüfungen jetzt „eine feste Tradition zu annähernder Gleich¬<lb/> mäßigkeit gewonnen hat," sodaß jetzt das Institut wohl einmal, als Regel, sus-<lb/> pendirt werden kann. Dabei bleibt die Stellung der Kommission zu der Revision<lb/> im Prinzip dieselbe, ein von der eigentlichen Verwaltung unabhängiges Organ zu<lb/> fachmännischer Beurteilung des in deu Reifeprüfungen eingeschlagenen Verfahrens<lb/> zu sein. So ist die schwierige Aufgabe gelöst, auch bei scheinbarer Aufhebung<lb/> eines Instituts die Kontinuität der Verwaltung und eine hohe Anerkennung des<lb/> durch jene Einrichtung geleisteten festzuhalten. Derselbe Minister hatte der guten<lb/> Sache bei der Neuordnung der Entlassungsprüfung schon in aller Stille einen be¬<lb/> deutenden Dienst erwiesen, indem er die in den westlichen Provinzen bestehende<lb/> Forderung eines katholischen oder evangelischen Religionsaufsntzes fallen ließ. Die<lb/> Anfertigung und die Beurteilung dieser Aufsätze führten zu sittlich höchst bedenk¬<lb/> lichen Mißständen, wie sich aus deu Akten leicht erweisen ließe. Jetzt ist das weg¬<lb/> gefallen und, wie es scheint, ohne Einbuße der Teilnahme für die Sache.</p><lb/> <p xml:id="ID_697" next="#ID_698"> Antiquarisches. Vor uns liegen zwei antiquarische Kataloge aus den letzten<lb/> Wichen, einer ans Lübeck, Bücher uns allen Fächern enthaltend, und einer aus<lb/> Leipzig, der sich durch ein rotgedrncktes „Goethe" auf dem Umschlage, als spezifische<lb/> Goethesammlung und außerdem durch einen gewaltigen Pvscmnenstoß auf der<lb/> Junenseite des Umschlags als Goethesammlung im Superlativ aufspielt. Sicht man<lb/> sich den Katalog freilich näher an, so gewahrt man bald, daß hier eine recht mäßige<lb/> Kollektion von Büchern und Bildern, wie sie sicherlich in zahlreichen Privathandel:<lb/> zu finden ist, durch künstliches Hereinziehen von allerhand fernliegenden Dingen zu<lb/> einem großartigen Gvethekatnlog aufgebauscht werden soll; die erläuternden Be¬<lb/> merkungen enthalten Irrtümer und Uebertreibungen und geraten vor lauter Schwung<lb/> sogar in starke grammatische Schnitzer, wie wenn es von einer Radiruug von 1775<lb/> heißt: „Eines der wirkungsvollsten Bildnisse Goethes, von dein die Holzschnitt-<lb/> rcprodnktion in (!) Rottet ein schwacher Abschimmer (!) ist und nach der man nicht<lb/> vermutet, daß die Radiruug so Packend schön ist." Aber das ist Nebensache. Weshalb<lb/> wir die beiden Kataloge hier nebeneinanderstellen, ist folgendes. In beiden finden<lb/> sich die bekannten vier Hefte Reichardtscher Kompositionen von Goethes Liedern, Oden,<lb/> Balladen und Romanzen verzeichnet, die Ende des vorigen und Anfang dieses<lb/> Jahrhunderts uach und nach in der Breitkopfischen Musikalienhandlung in Leipzig<lb/> erschienen. Während sie jedoch der Lübecker Katalog mit 4, sage vier Mark ansetzt,<lb/> verlangt der Leipziger dafür 90, sage neunzig Mark! Die Annahme eines Druck¬<lb/> fehlers ist in beiden Fällen ausgeschlossen, denn das Viermarkexemplar, vier wohl¬<lb/> erhaltene saubere Hefte in den Originalumschlägen, hat sich der Verfasser dieser<lb/> Zeilen in Lübeck bestellt und — erhalten; in dem Leipziger Katalog aber ist an<lb/> andrer Stelle nochmals ein einzelnes Heft dieser Reichardtschen Lieder (das zweite)<lb/> mit 15 Mark angesetzt, sodaß also bei dem vollständigen Exemplar die Vollständig¬<lb/> keit noch extra mit dreißig Mark berechnet ist. Die Frage, die angesichts solcher<lb/> dörrenden Preisunterschiede entsteht, liegt nahe; sie lautet: Welcher von den beiden<lb/> Antiquaren hat von dein Werte der in seinen Händen befindlichen Bücher nicht den<lb/> leisesten Schimmer (oder Abschimmer), der Lübecker oder der Leipziger? Wenn</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0219]
Notizen.
die ganze Verfügung zieht sich dabei der entschiedenste Dank für die in der That
große bisherige Mühewaltung der Kommission, die ohnehin schon recht belastet ist
mit andern Arbeiten und eine Entschädigung für ihre Thätigkeit bezieht, welche
kaum der Rede wert ist. Es wird besonders anerkannt, daß jene Kommissionen
in den siebzig Jahren ihres Bestehens es zustande gebracht haben, daß das Ver¬
fahren in den Reifeprüfungen jetzt „eine feste Tradition zu annähernder Gleich¬
mäßigkeit gewonnen hat," sodaß jetzt das Institut wohl einmal, als Regel, sus-
pendirt werden kann. Dabei bleibt die Stellung der Kommission zu der Revision
im Prinzip dieselbe, ein von der eigentlichen Verwaltung unabhängiges Organ zu
fachmännischer Beurteilung des in deu Reifeprüfungen eingeschlagenen Verfahrens
zu sein. So ist die schwierige Aufgabe gelöst, auch bei scheinbarer Aufhebung
eines Instituts die Kontinuität der Verwaltung und eine hohe Anerkennung des
durch jene Einrichtung geleisteten festzuhalten. Derselbe Minister hatte der guten
Sache bei der Neuordnung der Entlassungsprüfung schon in aller Stille einen be¬
deutenden Dienst erwiesen, indem er die in den westlichen Provinzen bestehende
Forderung eines katholischen oder evangelischen Religionsaufsntzes fallen ließ. Die
Anfertigung und die Beurteilung dieser Aufsätze führten zu sittlich höchst bedenk¬
lichen Mißständen, wie sich aus deu Akten leicht erweisen ließe. Jetzt ist das weg¬
gefallen und, wie es scheint, ohne Einbuße der Teilnahme für die Sache.
Antiquarisches. Vor uns liegen zwei antiquarische Kataloge aus den letzten
Wichen, einer ans Lübeck, Bücher uns allen Fächern enthaltend, und einer aus
Leipzig, der sich durch ein rotgedrncktes „Goethe" auf dem Umschlage, als spezifische
Goethesammlung und außerdem durch einen gewaltigen Pvscmnenstoß auf der
Junenseite des Umschlags als Goethesammlung im Superlativ aufspielt. Sicht man
sich den Katalog freilich näher an, so gewahrt man bald, daß hier eine recht mäßige
Kollektion von Büchern und Bildern, wie sie sicherlich in zahlreichen Privathandel:
zu finden ist, durch künstliches Hereinziehen von allerhand fernliegenden Dingen zu
einem großartigen Gvethekatnlog aufgebauscht werden soll; die erläuternden Be¬
merkungen enthalten Irrtümer und Uebertreibungen und geraten vor lauter Schwung
sogar in starke grammatische Schnitzer, wie wenn es von einer Radiruug von 1775
heißt: „Eines der wirkungsvollsten Bildnisse Goethes, von dein die Holzschnitt-
rcprodnktion in (!) Rottet ein schwacher Abschimmer (!) ist und nach der man nicht
vermutet, daß die Radiruug so Packend schön ist." Aber das ist Nebensache. Weshalb
wir die beiden Kataloge hier nebeneinanderstellen, ist folgendes. In beiden finden
sich die bekannten vier Hefte Reichardtscher Kompositionen von Goethes Liedern, Oden,
Balladen und Romanzen verzeichnet, die Ende des vorigen und Anfang dieses
Jahrhunderts uach und nach in der Breitkopfischen Musikalienhandlung in Leipzig
erschienen. Während sie jedoch der Lübecker Katalog mit 4, sage vier Mark ansetzt,
verlangt der Leipziger dafür 90, sage neunzig Mark! Die Annahme eines Druck¬
fehlers ist in beiden Fällen ausgeschlossen, denn das Viermarkexemplar, vier wohl¬
erhaltene saubere Hefte in den Originalumschlägen, hat sich der Verfasser dieser
Zeilen in Lübeck bestellt und — erhalten; in dem Leipziger Katalog aber ist an
andrer Stelle nochmals ein einzelnes Heft dieser Reichardtschen Lieder (das zweite)
mit 15 Mark angesetzt, sodaß also bei dem vollständigen Exemplar die Vollständig¬
keit noch extra mit dreißig Mark berechnet ist. Die Frage, die angesichts solcher
dörrenden Preisunterschiede entsteht, liegt nahe; sie lautet: Welcher von den beiden
Antiquaren hat von dein Werte der in seinen Händen befindlichen Bücher nicht den
leisesten Schimmer (oder Abschimmer), der Lübecker oder der Leipziger? Wenn
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |