Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.oder sonst sich vergriffen habe. Dabei ging man in manche Spezialitäten ein, und oder sonst sich vergriffen habe. Dabei ging man in manche Spezialitäten ein, und <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0218" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/196952"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_695" prev="#ID_694" next="#ID_696"> oder sonst sich vergriffen habe. Dabei ging man in manche Spezialitäten ein, und<lb/> Feinheiten der griechischen, lateinischen und französischen Sprache wurden erörtert,<lb/> von denen zu bedauern ist, daß sie in den Akten begraben bleiben. Man wird dieser<lb/> Einrichtung uicht abstreiten können, daß sie nützlich wirken mußte in Zeiten, wo<lb/> eine gleichmäßige Anspannung der wissenschaftlichen Anforderungen an die Abitu¬<lb/> rienten erst zu bewirken war. Auch sonst ist sie für manche Lehrer, denn man<lb/> muß überall die durchschnittliche Qualität der Mitglieder eines Standes im Auge<lb/> behalten, eine überwiegend heilsame Anspannung gewesen. Aber Opposition mußte<lb/> sie doch auch hervorrufen. Die Kommissionen wechselten. Es kam vor, daß die<lb/> Korrekturen desselben Lehrers in diesem Jahre gebilligt, im folgenden Jahre ge¬<lb/> tadelt wurden. Es kam bei diesem Tadel sogar zu Urteilen über die ganze Fähig¬<lb/> keit des Lehrers, dergleichen Arbeiten zu beurteile». Dabei erwies sich zuweilen<lb/> handgreiflich, daß es gefährlich sei zu behaupten, dies oder jenes Wort, oder diese<lb/> oder jene Struktur hätte als unklassisch angestrichen werden müssen. Und wenn<lb/> man dem vielbeschäftigten Oberlehrer vorhielt, daß ein Professor, der nur Griechisch<lb/> an der Universität treibe, ihm wohl autoritativ sagen könne, welcher Modus z. B.<lb/> hier anzuwenden sei, ihm, der in so vielen Gegenständen zu arbeiten habe, so konnte<lb/> er wiederum fragen, ob es denn auch Professoren des deutscheu Aufsatzes gebe,<lb/> die als solche ihn amtlich kontroliren könnten. Kurz, es kamen seit langem Klagen<lb/> genug vor. Eine besonders lebhafte wurde vom rheinischen Provinzialschulkollegium<lb/> am 12. September 1871 gütig aufgenommen, rief aber eine Verteidigung Von¬<lb/> seiten der betreffenden wissenschaftlichen Prüfungskommission hervor. Der Herr<lb/> Minister von Muster kam in eine böse Lage, hier entscheiden zu müssen, trat aber<lb/> in einer Verfügung vom ü. Januar 1872 überwiegend auf die Seite der Kom-<lb/> missionen und „reprobirte" die genannte rheinische Verfügung. Es war gewisser¬<lb/> maßen sein Schwanengesang, denn kaum acht Tage nach jener Verfügung verließ<lb/> er sein Amt. Wie fast alle Verfügungen Musters ist auch diese klar und trefflich<lb/> stilisirt. Und weil besonders die Ausstellungen an den Korrekturen der deutschen<lb/> Aufsätze, wie es scheint, die Beschwerden hervorgerufen hatten, so benutzt der<lb/> Minister die Gelegenheit, die Mängel der betreffenden Aufsätze kräftig zu betonen.<lb/> Aber er hat einen Punkt, wo er dem Uebereifer des einen oder andern Professors<lb/> im Interesse der Lehrer glaubt entgegentreten zu können. Nämlich von jeher hatte<lb/> das Provinzialschulkollegium das Recht, die Urteile der Professoren nnr teilweise<lb/> zu acceptiren, und diesen Teil nur brauchte es deu Lehrerkollegien zukommen zu<lb/> küssen. Dadurch war den Provinzialschülkollegien die Möglichkeit gegeben, Beleidi¬<lb/> gungen, die vou den Professoren ausgehen konnten, zu unterdrücken oder ihnen die<lb/> Spitzen abzubrechen. Was aber als „das Urteil, worin Kommission und Provinzial¬<lb/> schulkollegium übereinstimmten," erschien, das sollte „unbedingt zur Weisung und<lb/> Nachachtung dienen." Wer über die Natur vou Privilegien, wie sie auch Univer¬<lb/> sitäten besitzen, etwas nachgedacht hat, wird diese letzte, echt büreaukratische Wendung<lb/> für wenig bedeutsam erkennen. Etwas besser wurde es doch durch den Wechsel der<lb/> Personen. Aber vor einigen Jahren nahm eine Konferenz von Lehrern in Köln<lb/> wieder Gelegenheit, die Snperrevisivn zur Besprechung zu bringen, und, wie es<lb/> scheint, hat diese Anregung einen guten Boden gefunden. Denn in höchst geschickter<lb/> Weise hat der Herr Minister nunmehr die Einrichtung als regelmäßige Maßregel<lb/> beseitigt und sich uur vorbehalten, so oft er dazu Anlaß findet, das fachmännische<lb/> Urteil der Prüfungskvmmissioueu „über das Verfahren oder die thatsächlichen Lei¬<lb/> stungen in einem einzelnen oder in allen Gegenständen der Reifeprüfungen für den<lb/> Bereich einer einzelnen Provinz oder der gesamten Monarchie einzuziehen." Durch</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0218]
oder sonst sich vergriffen habe. Dabei ging man in manche Spezialitäten ein, und
Feinheiten der griechischen, lateinischen und französischen Sprache wurden erörtert,
von denen zu bedauern ist, daß sie in den Akten begraben bleiben. Man wird dieser
Einrichtung uicht abstreiten können, daß sie nützlich wirken mußte in Zeiten, wo
eine gleichmäßige Anspannung der wissenschaftlichen Anforderungen an die Abitu¬
rienten erst zu bewirken war. Auch sonst ist sie für manche Lehrer, denn man
muß überall die durchschnittliche Qualität der Mitglieder eines Standes im Auge
behalten, eine überwiegend heilsame Anspannung gewesen. Aber Opposition mußte
sie doch auch hervorrufen. Die Kommissionen wechselten. Es kam vor, daß die
Korrekturen desselben Lehrers in diesem Jahre gebilligt, im folgenden Jahre ge¬
tadelt wurden. Es kam bei diesem Tadel sogar zu Urteilen über die ganze Fähig¬
keit des Lehrers, dergleichen Arbeiten zu beurteile». Dabei erwies sich zuweilen
handgreiflich, daß es gefährlich sei zu behaupten, dies oder jenes Wort, oder diese
oder jene Struktur hätte als unklassisch angestrichen werden müssen. Und wenn
man dem vielbeschäftigten Oberlehrer vorhielt, daß ein Professor, der nur Griechisch
an der Universität treibe, ihm wohl autoritativ sagen könne, welcher Modus z. B.
hier anzuwenden sei, ihm, der in so vielen Gegenständen zu arbeiten habe, so konnte
er wiederum fragen, ob es denn auch Professoren des deutscheu Aufsatzes gebe,
die als solche ihn amtlich kontroliren könnten. Kurz, es kamen seit langem Klagen
genug vor. Eine besonders lebhafte wurde vom rheinischen Provinzialschulkollegium
am 12. September 1871 gütig aufgenommen, rief aber eine Verteidigung Von¬
seiten der betreffenden wissenschaftlichen Prüfungskommission hervor. Der Herr
Minister von Muster kam in eine böse Lage, hier entscheiden zu müssen, trat aber
in einer Verfügung vom ü. Januar 1872 überwiegend auf die Seite der Kom-
missionen und „reprobirte" die genannte rheinische Verfügung. Es war gewisser¬
maßen sein Schwanengesang, denn kaum acht Tage nach jener Verfügung verließ
er sein Amt. Wie fast alle Verfügungen Musters ist auch diese klar und trefflich
stilisirt. Und weil besonders die Ausstellungen an den Korrekturen der deutschen
Aufsätze, wie es scheint, die Beschwerden hervorgerufen hatten, so benutzt der
Minister die Gelegenheit, die Mängel der betreffenden Aufsätze kräftig zu betonen.
Aber er hat einen Punkt, wo er dem Uebereifer des einen oder andern Professors
im Interesse der Lehrer glaubt entgegentreten zu können. Nämlich von jeher hatte
das Provinzialschulkollegium das Recht, die Urteile der Professoren nnr teilweise
zu acceptiren, und diesen Teil nur brauchte es deu Lehrerkollegien zukommen zu
küssen. Dadurch war den Provinzialschülkollegien die Möglichkeit gegeben, Beleidi¬
gungen, die vou den Professoren ausgehen konnten, zu unterdrücken oder ihnen die
Spitzen abzubrechen. Was aber als „das Urteil, worin Kommission und Provinzial¬
schulkollegium übereinstimmten," erschien, das sollte „unbedingt zur Weisung und
Nachachtung dienen." Wer über die Natur vou Privilegien, wie sie auch Univer¬
sitäten besitzen, etwas nachgedacht hat, wird diese letzte, echt büreaukratische Wendung
für wenig bedeutsam erkennen. Etwas besser wurde es doch durch den Wechsel der
Personen. Aber vor einigen Jahren nahm eine Konferenz von Lehrern in Köln
wieder Gelegenheit, die Snperrevisivn zur Besprechung zu bringen, und, wie es
scheint, hat diese Anregung einen guten Boden gefunden. Denn in höchst geschickter
Weise hat der Herr Minister nunmehr die Einrichtung als regelmäßige Maßregel
beseitigt und sich uur vorbehalten, so oft er dazu Anlaß findet, das fachmännische
Urteil der Prüfungskvmmissioueu „über das Verfahren oder die thatsächlichen Lei¬
stungen in einem einzelnen oder in allen Gegenständen der Reifeprüfungen für den
Bereich einer einzelnen Provinz oder der gesamten Monarchie einzuziehen." Durch
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