Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.Skizzen aus unserm heutigen Volksleben. die Ausschreibung im Amtsblatt?. Kenner behaupten: Wenn eine Stelle erst im So kamen denn bereits in den nächsten Tagen die ersten Meldungen gleich¬ Und alle fünfzig fingen an, einer hinter dem andern bei den zwanzig Wählern Rufes-Fritze machte sechs bequem, er blieb ruhig auf seinem Miste stehen und ,.Wieder viele Herren dagewesen?" "Ja, ein Stücker fünfzehn." "Fünfzehn? Guck einmal an. Und die hast du alle auf dem Hofe stehen "Wieso ungalant? Wenn sie rumlaufen wie die Betteljungen, kaun man sie "Ich meine ja bloß." "Na also. Da hatte der Fenchel-Bauer sein Teil und schob ab. Inzwischen waren mehrere Monate vergangen, und es mußte etwas geschehen. "Ich will Ihnen was sagen, Herr Pastor," sagte der Kirchenrendant zu Diese Aeußerung war dem Genannten höchst unangenehm, da er an nichts Einzelne hatten, Wohl wissend, daß man einfach beseitigt sei, sobald man nicht Grenzboten IV. 1335. 20
Skizzen aus unserm heutigen Volksleben. die Ausschreibung im Amtsblatt?. Kenner behaupten: Wenn eine Stelle erst im So kamen denn bereits in den nächsten Tagen die ersten Meldungen gleich¬ Und alle fünfzig fingen an, einer hinter dem andern bei den zwanzig Wählern Rufes-Fritze machte sechs bequem, er blieb ruhig auf seinem Miste stehen und ,.Wieder viele Herren dagewesen?" „Ja, ein Stücker fünfzehn." »Fünfzehn? Guck einmal an. Und die hast du alle auf dem Hofe stehen „Wieso ungalant? Wenn sie rumlaufen wie die Betteljungen, kaun man sie „Ich meine ja bloß." „Na also. Da hatte der Fenchel-Bauer sein Teil und schob ab. Inzwischen waren mehrere Monate vergangen, und es mußte etwas geschehen. „Ich will Ihnen was sagen, Herr Pastor," sagte der Kirchenrendant zu Diese Aeußerung war dem Genannten höchst unangenehm, da er an nichts Einzelne hatten, Wohl wissend, daß man einfach beseitigt sei, sobald man nicht Grenzboten IV. 1335. 20
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Skizzen aus unserm heutigen Volksleben.
die Ausschreibung im Amtsblatt?. Kenner behaupten: Wenn eine Stelle erst im
Amtsblatte gestanden hat, dann ist sie auch schon sogut wie verloren; es lohnt
nicht, sich noch zu bemühen. Dennoch thun es viele.
So kamen denn bereits in den nächsten Tagen die ersten Meldungen gleich¬
sam atemlos an. Der Herr Kirchenrendant fühlte sich sehr gehoben, trug die ersten
fünf Meldungen von früh bis abend in der Rocktasche herum und setzte jedem,
der es hören wollte, nnter Vorzeigung der Beweismittel auseinander, was für
hübsche Leute sich um die Abendorfer bemühten. Aber bald brachte der Brief¬
bote ganze Stöße von Briefen, die Zahl wuchs auf vierzig, fünfzig und darüber,
man war nicht mehr imstande, unter dieser Menge sich zurechtzufinden. Die letzten
Meldungen wurden ungelesen ans den übrigen Haufen gelegt; Gott mochte wissen,
was daraus werden sollte.
Und alle fünfzig fingen an, einer hinter dem andern bei den zwanzig Wählern
Besuch zu machen, es war ein unablässiges Wandern, Fragen, Anklopfen, Kommen
und Gehen. Das waren lauter Pastoren, wie man auf den ersten Blick sehen
konnte, und doch wie verschiedne Leute! Würdige Männer und Streber, ernste
Erscheinungen und Lebemänner, Gelehrte und Bauern, harmlose Menschen und In¬
triganten, solche, die den Visitengang gewohnheitsmäßig abarbeiteten, und solche,
die es seufzend und mit dem Gefühl der Beschämung thaten, weil es doch einmal
sein mußte. Ju dieser Zeit war es garnicht möglich, bei der Arbeit zu bleiben,
aller Augenblicke wollte sich der Hofhund im Leibe zerreißen, aller Augenblicke
mußte der Sonntagsrock angezogen und ein Pastor irgendwelches Namens ans
irgendeinem Orte begrüßt werden.
Rufes-Fritze machte sechs bequem, er blieb ruhig auf seinem Miste stehen und
behielt die Pfeife im Maule und die Hände in den Hosentaschen. Dies hatte zur
Folge, daß eines schönen Morgens bei der Zwiesprache über den Dorfweg hinweg
unerhörter Weise der Nachbar Fenchel-Bauer das Wort ergriff und sagte:
,.Wieder viele Herren dagewesen?"
„Ja, ein Stücker fünfzehn."
»Fünfzehn? Guck einmal an. Und die hast du alle auf dem Hofe stehen
lassen? Das ist ungalant von dir, das sagen sie alle." (Er meinte unkulant.)
„Wieso ungalant? Wenn sie rumlaufen wie die Betteljungen, kaun man sie
auch auf dem Hofe stehen lassen. Wenn einer von mir was will, so bin ich der
Herr und thue, was mir Paßt. Ich mache meins, und du machst deius. Und nun
ist es gut."
„Ich meine ja bloß."
"
„Na also.
Da hatte der Fenchel-Bauer sein Teil und schob ab.
Inzwischen waren mehrere Monate vergangen, und es mußte etwas geschehen.
Aber was? Wen wählen, wen finden aus dieser Unmasse von Bewerbern?
„Ich will Ihnen was sagen, Herr Pastor," sagte der Kirchenrendant zu
Pastor Bruder Täubchen, „Treff ist Trumpf." Das sollte heißen: wers trifft,
der hats.
Diese Aeußerung war dem Genannten höchst unangenehm, da er an nichts
weniger glaubte, als daß Treff Trumpf sei. Denn wenn die nußern und innern
Gründe erwogen wurden, wenn Verdienst und Chance in Anschlag kam, so ging
er ja jedem andern vor.
Einzelne hatten, Wohl wissend, daß man einfach beseitigt sei, sobald man nicht
eine Spezialmarke auszuweisen habe, eine solche beigelegt, z. V. eine Untersuchung
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