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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.

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Die proportionale Berufsklassemvahl.

Stimmen seiner Verufsgenossen aufnimmt. Da die Wählerlisten schon jetzt eine
Rubrik für das Gewerbe der Wähler enthalten, so erfordert dies Verfahren
keine neuen Ermittelungen und bietet seine Beaufsichtigung keine Schwierigkeit.
Als zweite Neuerung tritt die Bestimmung ein, daß dem Namen und Wohnort
des Kandidaten auf dem Stimmzettel auch die Bezeichnung der Partei der
politischen Gruppe beizufügen ist, welche er vertreten soll. Diese Ergänzung
ist notwendig, um später die Verteilung der Sitze unter die Parteien innerhalb
der Bernfsklasse uach Maßgabe der Stimmenzahl vornehmen und den Wahl-
quvtientcn ermitteln zu können. Es finden demnach zwei Erklärungen gleich¬
zeitig statt, einmal darüber, welchem Parteiverband die Stimme des Votanten
zu gute kommeu soll, zweitens darüber, welcher Kandidat von ihm für die Ver¬
tretung dieses Parteiintercsses ausersehen ist. Die Hinzufügung der ersten Er¬
klärung macht es möglich, daß die Stimmen, welche einem besonders beliebten
Kandidaten über die Höhe des Wahlquvtienten hinaus zufallen, der Partei
dadurch erhalten werden, daß sie die geringere Stimmenzahl minder begünstigter
Kandidaten ergänzen und dem Verbände somit eine seiner Gesamtstärke ent¬
sprechende Zahl von Mandaten sichern.

Die Stimmzettel würden also z. B. lauten:

Graf A, auf B. in Königsberg
deutsch-konservative Partei

oder

Professor C, in Berlin
deutsch-freisinnige Bereinigung

oder endlich

Pfarrer D. in Weilheim
deutsch-katholische Union.

Die Freiheit der Wahl darf durch diese zweite Forderung indessen nicht
beschränkt werden. Die Beifügung des Verbandes ist mithin nicht obligatorisch,
sondern fakultativ, und auch denjenigen Stimmzetteln, welche nur den Namen
eines Kandidaten enthalten, kann die gesetzmäßige Giltigkeit füglich nicht ab¬
erkannt werden. Die gewählte Persönlichkeit figurirt aber daun auf der Liste
als "isolirter" Kandidat. Die Stimmen, welche ohne Bezeichnung eines Ver¬
bandes für ihn abgegeben werden, können den Stimmzetteln nicht zugezählt
werden, welche jene Bezeichnung enthalten, und der Kandidat, wenn er so unter
verschiednen Voraussetzungen gewählt ist, muß sich entscheiden, welche der beiden
Gruppen er vertreten, ob er als Repräsentant eines Parteiprogrammes oder
als "Wilder" seinen Sitz im Reichstage einnehmen will. Diejenigen Kandidaten,
welchen kein derartiges Doppelmandat angeboten ist, welche nicht durch irgend¬
einen Verband aufgestellt waren und ohne bestimmt abgegebene Erklärung über
ihre politische Richtung lediglich infolge persönlichen Ansehens oder fach¬
männischer Autorität eine Anhängerschaft gewonnen haben, werden bei der Ver¬
teilung der Sitze eine den Verbänden komdinirte Stellung einnehmen. Na¬
türlich kann der ihnen etwa zufallende Stimmenüberschuß nicht für einen


Die proportionale Berufsklassemvahl.

Stimmen seiner Verufsgenossen aufnimmt. Da die Wählerlisten schon jetzt eine
Rubrik für das Gewerbe der Wähler enthalten, so erfordert dies Verfahren
keine neuen Ermittelungen und bietet seine Beaufsichtigung keine Schwierigkeit.
Als zweite Neuerung tritt die Bestimmung ein, daß dem Namen und Wohnort
des Kandidaten auf dem Stimmzettel auch die Bezeichnung der Partei der
politischen Gruppe beizufügen ist, welche er vertreten soll. Diese Ergänzung
ist notwendig, um später die Verteilung der Sitze unter die Parteien innerhalb
der Bernfsklasse uach Maßgabe der Stimmenzahl vornehmen und den Wahl-
quvtientcn ermitteln zu können. Es finden demnach zwei Erklärungen gleich¬
zeitig statt, einmal darüber, welchem Parteiverband die Stimme des Votanten
zu gute kommeu soll, zweitens darüber, welcher Kandidat von ihm für die Ver¬
tretung dieses Parteiintercsses ausersehen ist. Die Hinzufügung der ersten Er¬
klärung macht es möglich, daß die Stimmen, welche einem besonders beliebten
Kandidaten über die Höhe des Wahlquvtienten hinaus zufallen, der Partei
dadurch erhalten werden, daß sie die geringere Stimmenzahl minder begünstigter
Kandidaten ergänzen und dem Verbände somit eine seiner Gesamtstärke ent¬
sprechende Zahl von Mandaten sichern.

Die Stimmzettel würden also z. B. lauten:

Graf A, auf B. in Königsberg
deutsch-konservative Partei

oder

Professor C, in Berlin
deutsch-freisinnige Bereinigung

oder endlich

Pfarrer D. in Weilheim
deutsch-katholische Union.

Die Freiheit der Wahl darf durch diese zweite Forderung indessen nicht
beschränkt werden. Die Beifügung des Verbandes ist mithin nicht obligatorisch,
sondern fakultativ, und auch denjenigen Stimmzetteln, welche nur den Namen
eines Kandidaten enthalten, kann die gesetzmäßige Giltigkeit füglich nicht ab¬
erkannt werden. Die gewählte Persönlichkeit figurirt aber daun auf der Liste
als „isolirter" Kandidat. Die Stimmen, welche ohne Bezeichnung eines Ver¬
bandes für ihn abgegeben werden, können den Stimmzetteln nicht zugezählt
werden, welche jene Bezeichnung enthalten, und der Kandidat, wenn er so unter
verschiednen Voraussetzungen gewählt ist, muß sich entscheiden, welche der beiden
Gruppen er vertreten, ob er als Repräsentant eines Parteiprogrammes oder
als „Wilder" seinen Sitz im Reichstage einnehmen will. Diejenigen Kandidaten,
welchen kein derartiges Doppelmandat angeboten ist, welche nicht durch irgend¬
einen Verband aufgestellt waren und ohne bestimmt abgegebene Erklärung über
ihre politische Richtung lediglich infolge persönlichen Ansehens oder fach¬
männischer Autorität eine Anhängerschaft gewonnen haben, werden bei der Ver¬
teilung der Sitze eine den Verbänden komdinirte Stellung einnehmen. Na¬
türlich kann der ihnen etwa zufallende Stimmenüberschuß nicht für einen


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[0128] Die proportionale Berufsklassemvahl. Stimmen seiner Verufsgenossen aufnimmt. Da die Wählerlisten schon jetzt eine Rubrik für das Gewerbe der Wähler enthalten, so erfordert dies Verfahren keine neuen Ermittelungen und bietet seine Beaufsichtigung keine Schwierigkeit. Als zweite Neuerung tritt die Bestimmung ein, daß dem Namen und Wohnort des Kandidaten auf dem Stimmzettel auch die Bezeichnung der Partei der politischen Gruppe beizufügen ist, welche er vertreten soll. Diese Ergänzung ist notwendig, um später die Verteilung der Sitze unter die Parteien innerhalb der Bernfsklasse uach Maßgabe der Stimmenzahl vornehmen und den Wahl- quvtientcn ermitteln zu können. Es finden demnach zwei Erklärungen gleich¬ zeitig statt, einmal darüber, welchem Parteiverband die Stimme des Votanten zu gute kommeu soll, zweitens darüber, welcher Kandidat von ihm für die Ver¬ tretung dieses Parteiintercsses ausersehen ist. Die Hinzufügung der ersten Er¬ klärung macht es möglich, daß die Stimmen, welche einem besonders beliebten Kandidaten über die Höhe des Wahlquvtienten hinaus zufallen, der Partei dadurch erhalten werden, daß sie die geringere Stimmenzahl minder begünstigter Kandidaten ergänzen und dem Verbände somit eine seiner Gesamtstärke ent¬ sprechende Zahl von Mandaten sichern. Die Stimmzettel würden also z. B. lauten: Graf A, auf B. in Königsberg deutsch-konservative Partei oder Professor C, in Berlin deutsch-freisinnige Bereinigung oder endlich Pfarrer D. in Weilheim deutsch-katholische Union. Die Freiheit der Wahl darf durch diese zweite Forderung indessen nicht beschränkt werden. Die Beifügung des Verbandes ist mithin nicht obligatorisch, sondern fakultativ, und auch denjenigen Stimmzetteln, welche nur den Namen eines Kandidaten enthalten, kann die gesetzmäßige Giltigkeit füglich nicht ab¬ erkannt werden. Die gewählte Persönlichkeit figurirt aber daun auf der Liste als „isolirter" Kandidat. Die Stimmen, welche ohne Bezeichnung eines Ver¬ bandes für ihn abgegeben werden, können den Stimmzetteln nicht zugezählt werden, welche jene Bezeichnung enthalten, und der Kandidat, wenn er so unter verschiednen Voraussetzungen gewählt ist, muß sich entscheiden, welche der beiden Gruppen er vertreten, ob er als Repräsentant eines Parteiprogrammes oder als „Wilder" seinen Sitz im Reichstage einnehmen will. Diejenigen Kandidaten, welchen kein derartiges Doppelmandat angeboten ist, welche nicht durch irgend¬ einen Verband aufgestellt waren und ohne bestimmt abgegebene Erklärung über ihre politische Richtung lediglich infolge persönlichen Ansehens oder fach¬ männischer Autorität eine Anhängerschaft gewonnen haben, werden bei der Ver¬ teilung der Sitze eine den Verbänden komdinirte Stellung einnehmen. Na¬ türlich kann der ihnen etwa zufallende Stimmenüberschuß nicht für einen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196733/128>, abgerufen am 15.01.2025.