Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.Zeitimgsmusik. bedeutend, um gegen die jetzt übliche in Betracht zu kommen, da sie schon durch Neklameinseratc waren früher, wenigstens in der jetzigen Form, gänzlich Es konnte nicht fehlen, daß gerade die, welche ein stilles Mißtrauen in Zeitimgsmusik. bedeutend, um gegen die jetzt übliche in Betracht zu kommen, da sie schon durch Neklameinseratc waren früher, wenigstens in der jetzigen Form, gänzlich Es konnte nicht fehlen, daß gerade die, welche ein stilles Mißtrauen in <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0104" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/196838"/> <fw type="header" place="top"> Zeitimgsmusik.</fw><lb/> <p xml:id="ID_266" prev="#ID_265"> bedeutend, um gegen die jetzt übliche in Betracht zu kommen, da sie schon durch<lb/> die geringe Zahl der öffentlichen Blätter eingeschränkt war. Der Fall, daß<lb/> Komponisten Lobgesünge auf sich selbst mit ihrer Namensunterschrift veröffent¬<lb/> lichten, kam nicht vor, würde auch schwerlich von günstigem Erfolge gewesen<lb/> sein. Jetzt ist es bekanntlich nichts seltenes mehr und gilt vielen für ein Be¬<lb/> weis eines auf hohen innern Wert gegründeten Selbstgefühls, weil man sich<lb/> des bekannten „Nur die Lumpe sind bescheiden" dabei erinnert, womit Goethe indes<lb/> wohl nicht hat sagen wollen, die Unbescheidenen könnten niemals Lumpe sein.</p><lb/> <p xml:id="ID_267"> Neklameinseratc waren früher, wenigstens in der jetzigen Form, gänzlich<lb/> unbekannt. Da es ziemlich sicher ist, daß auch heute noch ein großer Teil<lb/> des Publikums garnicht weiß, was eigentlich mit einem Reklameinserat gemeint<lb/> ist, so sei hier gesagt, daß darunter ein Inserat zu verstehen ist, welches nur<lb/> den Redaktionen, aber nicht den Lesern als solches erscheint, weil es nicht im<lb/> Inseratenteil abgedruckt ist und daher ganz unbefangen als Meinung der<lb/> Zeitung, d. h. der Redaktion gilt, obgleich diese in der Regel dabei nur durch<lb/> die Rechnung beteiligt ist, welche sie dem Einsender zuschickt. Solche Inserate<lb/> kosten das Doppelte und finden sich in manchen Zeitungen jetzt täglich vor, sie<lb/> fangen gewöhnlich an: „Wir haben binnen kurzem wieder einen großen Genuß<lb/> zu erwarten" oder: „Man schreibt uns aus Bayreuth" ?c.</p><lb/> <p xml:id="ID_268"> Es konnte nicht fehlen, daß gerade die, welche ein stilles Mißtrauen in<lb/> die Wirkung ihrer Leistungen zu setzen Veranlassung hatten, am meisten sich<lb/> der Hilfe der Presse bedienten und bestrebt waren, das Publikum durch eine<lb/> Wolke von Neklameartikeln in geeignete Stimmung zu versetzen. Gespannte<lb/> Erwartung kann zuweilen bedeutende Enttäuschung herbeiführen, in den meisten<lb/> Fällen verursacht sie indes ein günstiges Vorurteil, und das ist von großer<lb/> Wichtigkeit in einer Kunst, in der das Urteil viel unsicherer ist als in den<lb/> bildenden Künsten. Die Wirkung einer Musik häugt nicht nur von dem Inhalt<lb/> und der gelungner Ausführung derselben ab, sondern auch vou der Aufmerk¬<lb/> samkeit und geistigen Anstrengung des Hörers. Zu solcher versteht sich aber<lb/> niemand gern, ohne bis zu einem gewissen Grade ein günstiges Vorurteil zu<lb/> haben. Hat er dies, so findet er freilich sehr häufig Interesse an Dingen, die<lb/> er sonst nicht beachten würde. Das Wichtigste ist der Name des Komponisten;<lb/> die Art, wie er erlangt wurde, ist zunächst vollkommen gleichgiltig. Wer nun<lb/> beim ersten Erwachen feines musikalischen Bewußtseins diesen Namen als fertige,<lb/> unbestrittene Thatsache vorfindet, ohne die oft bedenkliche Art zu kennen, wie<lb/> seine Verbreitung entstanden ist, wird das Bestreben haben, das, wie er nicht<lb/> bezweifelt, entschieden Gute und Berechtigte, das von diesem Namen ausgegangen<lb/> ist, sich anzueignen, wenn auch oft mit einiger Schwierigkeit. Was kann der<lb/> Mensch aber nicht, wenn er ernstlich will, sogar in Betreff des rein physischen<lb/> Geschmacks. Hat doch das fürchterliche Getränk, Hvffscher Malzextrakt genannt,<lb/> Hunderttausende von Verehrern und Käufern gefunden.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0104]
Zeitimgsmusik.
bedeutend, um gegen die jetzt übliche in Betracht zu kommen, da sie schon durch
die geringe Zahl der öffentlichen Blätter eingeschränkt war. Der Fall, daß
Komponisten Lobgesünge auf sich selbst mit ihrer Namensunterschrift veröffent¬
lichten, kam nicht vor, würde auch schwerlich von günstigem Erfolge gewesen
sein. Jetzt ist es bekanntlich nichts seltenes mehr und gilt vielen für ein Be¬
weis eines auf hohen innern Wert gegründeten Selbstgefühls, weil man sich
des bekannten „Nur die Lumpe sind bescheiden" dabei erinnert, womit Goethe indes
wohl nicht hat sagen wollen, die Unbescheidenen könnten niemals Lumpe sein.
Neklameinseratc waren früher, wenigstens in der jetzigen Form, gänzlich
unbekannt. Da es ziemlich sicher ist, daß auch heute noch ein großer Teil
des Publikums garnicht weiß, was eigentlich mit einem Reklameinserat gemeint
ist, so sei hier gesagt, daß darunter ein Inserat zu verstehen ist, welches nur
den Redaktionen, aber nicht den Lesern als solches erscheint, weil es nicht im
Inseratenteil abgedruckt ist und daher ganz unbefangen als Meinung der
Zeitung, d. h. der Redaktion gilt, obgleich diese in der Regel dabei nur durch
die Rechnung beteiligt ist, welche sie dem Einsender zuschickt. Solche Inserate
kosten das Doppelte und finden sich in manchen Zeitungen jetzt täglich vor, sie
fangen gewöhnlich an: „Wir haben binnen kurzem wieder einen großen Genuß
zu erwarten" oder: „Man schreibt uns aus Bayreuth" ?c.
Es konnte nicht fehlen, daß gerade die, welche ein stilles Mißtrauen in
die Wirkung ihrer Leistungen zu setzen Veranlassung hatten, am meisten sich
der Hilfe der Presse bedienten und bestrebt waren, das Publikum durch eine
Wolke von Neklameartikeln in geeignete Stimmung zu versetzen. Gespannte
Erwartung kann zuweilen bedeutende Enttäuschung herbeiführen, in den meisten
Fällen verursacht sie indes ein günstiges Vorurteil, und das ist von großer
Wichtigkeit in einer Kunst, in der das Urteil viel unsicherer ist als in den
bildenden Künsten. Die Wirkung einer Musik häugt nicht nur von dem Inhalt
und der gelungner Ausführung derselben ab, sondern auch vou der Aufmerk¬
samkeit und geistigen Anstrengung des Hörers. Zu solcher versteht sich aber
niemand gern, ohne bis zu einem gewissen Grade ein günstiges Vorurteil zu
haben. Hat er dies, so findet er freilich sehr häufig Interesse an Dingen, die
er sonst nicht beachten würde. Das Wichtigste ist der Name des Komponisten;
die Art, wie er erlangt wurde, ist zunächst vollkommen gleichgiltig. Wer nun
beim ersten Erwachen feines musikalischen Bewußtseins diesen Namen als fertige,
unbestrittene Thatsache vorfindet, ohne die oft bedenkliche Art zu kennen, wie
seine Verbreitung entstanden ist, wird das Bestreben haben, das, wie er nicht
bezweifelt, entschieden Gute und Berechtigte, das von diesem Namen ausgegangen
ist, sich anzueignen, wenn auch oft mit einiger Schwierigkeit. Was kann der
Mensch aber nicht, wenn er ernstlich will, sogar in Betreff des rein physischen
Geschmacks. Hat doch das fürchterliche Getränk, Hvffscher Malzextrakt genannt,
Hunderttausende von Verehrern und Käufern gefunden.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |