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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Unpolitische Briefe aus N?le".

So wie die ältere österreichische Literatur trotz der Abgeschlossenheit gegen
das Ausland an den Bewegungen der auswärtigen, namentlich der deutschen
Literatur einen wenn auch bescheidnen Anteil nahm und sie in ihren Hervor-
bringungen spiegelte, so auch die Malerei: man wird in den Werken der ältern
Münchener oder Düsseldorfer Schule gewiß auch die Richtungen, die wir eben
zu schildern versucht haben, vorfinden. Aber ein eigentümlicher Lokalton ist den
österreichischen Künstlern doch inimer eigen gewesen, im historischen und religiösen
Bild tritt er weniger, bedeutender aber im Genre und in der Landschaft hervor.
Von Amerlings Kunst aber könnte man sagen, daß sie die alte, vornehme Ge¬
sellschaft der Kaiserstadt in ihrer ganzen Liebenswürdigkeit ganz besonders zu
charakterisiren verstand.

Wenden wir uns um zur Malerei der Gegenwart. Da müssen wir zuerst
konstatiren, daß eine große österreichische Historienmalerei, die von patriotischen
Tendenzen erfüllt wäre und staatspädagogisch wirken könnte, so gut wie nicht
vorhanden ist. Während in andern Staaten die Kunst schon Jahrzehnte
hindurch zur Propaganda für die Staatsidee, zur Stärkung des Nationalgefühls
und Volksruhmcs verwendet wird, hat Österreich diese Bundesgenossin von jeher
ziemlich gering geschätzt. Schon vor zwanzig Jahren hat der verstorbne Eitel-
berger daraus hingewiesen und betont, wie wichtig gerade für Österreich eine
patriotische Malerschule sein würde, denn gerade in einem Staate, der noch in
einem Bilduugsprvzeß begriffen ist, in dem nationale und politische Parteien
sich schroff gegenüberstehen, sei die Kunst als ein einigendes, versöhnendes, völker¬
verbindendes Element von der größten Bedeutung. Heute liegen die Verhältnisse
nicht besser, nur daß mau es an maßgebender Stelle weiß und wenigstens den
guten Willen zeigt, eine Besserung herbeizuführen. Vor drei Jahren ungefähr
war in den Zeitungen ein Reskript des Unterrichtsministers Baron Conrad an
die Vorstände der Kunstakademien zu lesen, in welchem jene Wunde berührt
und der Wunsch ausgedrückt wurde, man möge auf deren Heilung bedacht sein.
Wenn es aber auch sehr anerkennenswert ist, daß mau sich in den Bureaus auf
dem Minoritenplatz mit solchen Fragen beschäftigt, so ist doch sehr daran zu
zweifeln, ob auf dem Wege der Verordnung dem Übel abzuhelfen sei. Denn
die Wurzel desselben liegt eben sehr tief. Sonderbar aber ist es, daß die
Ansätze zu einer - wenn wir so sagen dürfen -- österreichischen Staatsmalerei,
die sich allerdings selten genug, aber doch bisweilen zeigen, doch verhältnismäßig
wenig beachtet und noch weniger ermuntert werden. Dies hat z. B. C. Rudolf
Huber, ein Maler, der sich vor Jahren durch Tierstücke einen guten Ruf gemacht,
jüngst, als er auf das historische Gebiet übertrat, erfahren müssen. Angeregt
durch die patriotische Bewegung, welche die Türkcnfeier vor zwei Jahren hervor¬
gerufen hatte, malte er zwei große Bilder: das eine stellte den Grafen Starhemberg
dar, wie er auf der Bastei die Arbeiten der Belagerten leitet; das andre den
Herzog von Lothringen, wie er das Entsatzheer die Kahlenbergstraße herab der


Unpolitische Briefe aus N?le».

So wie die ältere österreichische Literatur trotz der Abgeschlossenheit gegen
das Ausland an den Bewegungen der auswärtigen, namentlich der deutschen
Literatur einen wenn auch bescheidnen Anteil nahm und sie in ihren Hervor-
bringungen spiegelte, so auch die Malerei: man wird in den Werken der ältern
Münchener oder Düsseldorfer Schule gewiß auch die Richtungen, die wir eben
zu schildern versucht haben, vorfinden. Aber ein eigentümlicher Lokalton ist den
österreichischen Künstlern doch inimer eigen gewesen, im historischen und religiösen
Bild tritt er weniger, bedeutender aber im Genre und in der Landschaft hervor.
Von Amerlings Kunst aber könnte man sagen, daß sie die alte, vornehme Ge¬
sellschaft der Kaiserstadt in ihrer ganzen Liebenswürdigkeit ganz besonders zu
charakterisiren verstand.

Wenden wir uns um zur Malerei der Gegenwart. Da müssen wir zuerst
konstatiren, daß eine große österreichische Historienmalerei, die von patriotischen
Tendenzen erfüllt wäre und staatspädagogisch wirken könnte, so gut wie nicht
vorhanden ist. Während in andern Staaten die Kunst schon Jahrzehnte
hindurch zur Propaganda für die Staatsidee, zur Stärkung des Nationalgefühls
und Volksruhmcs verwendet wird, hat Österreich diese Bundesgenossin von jeher
ziemlich gering geschätzt. Schon vor zwanzig Jahren hat der verstorbne Eitel-
berger daraus hingewiesen und betont, wie wichtig gerade für Österreich eine
patriotische Malerschule sein würde, denn gerade in einem Staate, der noch in
einem Bilduugsprvzeß begriffen ist, in dem nationale und politische Parteien
sich schroff gegenüberstehen, sei die Kunst als ein einigendes, versöhnendes, völker¬
verbindendes Element von der größten Bedeutung. Heute liegen die Verhältnisse
nicht besser, nur daß mau es an maßgebender Stelle weiß und wenigstens den
guten Willen zeigt, eine Besserung herbeizuführen. Vor drei Jahren ungefähr
war in den Zeitungen ein Reskript des Unterrichtsministers Baron Conrad an
die Vorstände der Kunstakademien zu lesen, in welchem jene Wunde berührt
und der Wunsch ausgedrückt wurde, man möge auf deren Heilung bedacht sein.
Wenn es aber auch sehr anerkennenswert ist, daß mau sich in den Bureaus auf
dem Minoritenplatz mit solchen Fragen beschäftigt, so ist doch sehr daran zu
zweifeln, ob auf dem Wege der Verordnung dem Übel abzuhelfen sei. Denn
die Wurzel desselben liegt eben sehr tief. Sonderbar aber ist es, daß die
Ansätze zu einer - wenn wir so sagen dürfen — österreichischen Staatsmalerei,
die sich allerdings selten genug, aber doch bisweilen zeigen, doch verhältnismäßig
wenig beachtet und noch weniger ermuntert werden. Dies hat z. B. C. Rudolf
Huber, ein Maler, der sich vor Jahren durch Tierstücke einen guten Ruf gemacht,
jüngst, als er auf das historische Gebiet übertrat, erfahren müssen. Angeregt
durch die patriotische Bewegung, welche die Türkcnfeier vor zwei Jahren hervor¬
gerufen hatte, malte er zwei große Bilder: das eine stellte den Grafen Starhemberg
dar, wie er auf der Bastei die Arbeiten der Belagerten leitet; das andre den
Herzog von Lothringen, wie er das Entsatzheer die Kahlenbergstraße herab der


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[0581] Unpolitische Briefe aus N?le». So wie die ältere österreichische Literatur trotz der Abgeschlossenheit gegen das Ausland an den Bewegungen der auswärtigen, namentlich der deutschen Literatur einen wenn auch bescheidnen Anteil nahm und sie in ihren Hervor- bringungen spiegelte, so auch die Malerei: man wird in den Werken der ältern Münchener oder Düsseldorfer Schule gewiß auch die Richtungen, die wir eben zu schildern versucht haben, vorfinden. Aber ein eigentümlicher Lokalton ist den österreichischen Künstlern doch inimer eigen gewesen, im historischen und religiösen Bild tritt er weniger, bedeutender aber im Genre und in der Landschaft hervor. Von Amerlings Kunst aber könnte man sagen, daß sie die alte, vornehme Ge¬ sellschaft der Kaiserstadt in ihrer ganzen Liebenswürdigkeit ganz besonders zu charakterisiren verstand. Wenden wir uns um zur Malerei der Gegenwart. Da müssen wir zuerst konstatiren, daß eine große österreichische Historienmalerei, die von patriotischen Tendenzen erfüllt wäre und staatspädagogisch wirken könnte, so gut wie nicht vorhanden ist. Während in andern Staaten die Kunst schon Jahrzehnte hindurch zur Propaganda für die Staatsidee, zur Stärkung des Nationalgefühls und Volksruhmcs verwendet wird, hat Österreich diese Bundesgenossin von jeher ziemlich gering geschätzt. Schon vor zwanzig Jahren hat der verstorbne Eitel- berger daraus hingewiesen und betont, wie wichtig gerade für Österreich eine patriotische Malerschule sein würde, denn gerade in einem Staate, der noch in einem Bilduugsprvzeß begriffen ist, in dem nationale und politische Parteien sich schroff gegenüberstehen, sei die Kunst als ein einigendes, versöhnendes, völker¬ verbindendes Element von der größten Bedeutung. Heute liegen die Verhältnisse nicht besser, nur daß mau es an maßgebender Stelle weiß und wenigstens den guten Willen zeigt, eine Besserung herbeizuführen. Vor drei Jahren ungefähr war in den Zeitungen ein Reskript des Unterrichtsministers Baron Conrad an die Vorstände der Kunstakademien zu lesen, in welchem jene Wunde berührt und der Wunsch ausgedrückt wurde, man möge auf deren Heilung bedacht sein. Wenn es aber auch sehr anerkennenswert ist, daß mau sich in den Bureaus auf dem Minoritenplatz mit solchen Fragen beschäftigt, so ist doch sehr daran zu zweifeln, ob auf dem Wege der Verordnung dem Übel abzuhelfen sei. Denn die Wurzel desselben liegt eben sehr tief. Sonderbar aber ist es, daß die Ansätze zu einer - wenn wir so sagen dürfen — österreichischen Staatsmalerei, die sich allerdings selten genug, aber doch bisweilen zeigen, doch verhältnismäßig wenig beachtet und noch weniger ermuntert werden. Dies hat z. B. C. Rudolf Huber, ein Maler, der sich vor Jahren durch Tierstücke einen guten Ruf gemacht, jüngst, als er auf das historische Gebiet übertrat, erfahren müssen. Angeregt durch die patriotische Bewegung, welche die Türkcnfeier vor zwei Jahren hervor¬ gerufen hatte, malte er zwei große Bilder: das eine stellte den Grafen Starhemberg dar, wie er auf der Bastei die Arbeiten der Belagerten leitet; das andre den Herzog von Lothringen, wie er das Entsatzheer die Kahlenbergstraße herab der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/581>, abgerufen am 25.11.2024.