Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Goethianci.

Wechsels zufällig übersehen, wodurch seine Behandlung der betreffenden Logen-
gedichte recht unglücklich geworden ist.

Das Archiv der Loge Amalia zu Weimar bietet, wenn es auch für die
hier in Betracht kommende Zeit nicht so vollständig ist, als man wünschte, doch
manche für Goethes und seines Sohnes Anteil an ihr und für die Bestimmung
der Gedichte entscheidende Anhaltepunkte. Förmliche Protokolle sind von jeher
nur über die Besprechungen der Beamten und die regelmäßigen Monatszusnmmen-
künfte, die sogenannten Arbeitslogen, nicht aber über die Tafellogen und die Feft-
versammlnngen geführt worden. Die Protokolle sind nicht vollständig erhalten,
und bei manchen fehlt die Präsenzliste. Nur über einzelne Festlichkeiten finden
sich Berichte oder Andeutungen. Diese Mitteilungen verdanke ich der liebens¬
würdigen Zuvorkommenheit des Herrn Realschuldirektor or. H. Wernecke in
Weimar, der auch die Güte hatte, alle einzelnen an ihn gerichteten Fragen zu
beantworten. Hieraus ergiebt sich folgendes Thatsächliche für die beiden hier
in Rede stehenden Jahre. Die Aufnahme von Goethes Sohn fand nicht, wie
v- Lveper (S. 549) annimmt, Ende 1816 statt, sondern um ö. Dezember 1813.
Auch der Vater war dabei zugegen, während sein Name sonst in den Präsenz¬
listen des Jahres nicht erscheint. Neun Tage später war die monatliche Arbeits¬
loge nebst Tafel. In der Präsenzliste derselben wird "von Goethe" genannt,
worunter, obgleich der Zusatz "II" fehlt, der Sohn zu verstehen ist, da der
Vater tuum ohne den Sohn gekommen sein würde. Freilich war der Dichter
an diesem Tage in Weimar (er hatte Jena am 24. November verlassen), aber
sein Bestich der Loge erfolgte eben nur in Ausnahmefällen. In den Präsenz¬
listen des Jahres 1816 findet sich "Bruder von Goethe II" am 16. Januar,
6. Februar, 30. März. 20. und 24. Juni, 2. Juli, 6. September, 1. Oktober
(die Listen der beiden folgenden Monate fehlen) und 8. Dezember. Auch der
einfache Eintrag ohne den Zusatz II vom 5. März, vom 11. und 20. Juni ist
auf diesen zu beziehen; an den beiden letzten Tagen war der Dichter noch in
tiefste Trauer um den am 6. Juni erlittenen Verlust seiner Gattin versunken,
aber dennoch duldete er nicht, daß der Sohn am 11. bei der "Feier der An¬
kunft des Durchl. Bruders Herzog Bernard ^Protektors der Loge^ mit seiner
Frau Gemahlin" (nach der am 30. Mai in Meiningen erfolgten Vermählung)
fehle. An dieser Feier nahmen ausnahmsweise die Schwestern teil, wozu ein
besondres Ritual entworfen ward. Nach Einführung derselben erschienen die
höchsten Herrschaften, nebst fünf Hofdamen. Der Meister vom Stuhl, Nidel,
gedachte dankend des Glückes der Anwesenheit des Hofes und drückte die Achtung
gegen die den heutigen Abend verschönernden Schwestern aus. Der Kanzler
v. Müller sprach über Wert und Pflicht der Teilnahme der Schwestern an den
Bestrebungen des Maurers, Staatsminister von Fritsch über die Geschichte der
geheimen Verbindungen. Bei der Tafelloge wurde "der Dank der Schwestern
durch die geliebte Schwester Eberwein ^Kammersängerin, in Goethes Hause sehr


Goethianci.

Wechsels zufällig übersehen, wodurch seine Behandlung der betreffenden Logen-
gedichte recht unglücklich geworden ist.

Das Archiv der Loge Amalia zu Weimar bietet, wenn es auch für die
hier in Betracht kommende Zeit nicht so vollständig ist, als man wünschte, doch
manche für Goethes und seines Sohnes Anteil an ihr und für die Bestimmung
der Gedichte entscheidende Anhaltepunkte. Förmliche Protokolle sind von jeher
nur über die Besprechungen der Beamten und die regelmäßigen Monatszusnmmen-
künfte, die sogenannten Arbeitslogen, nicht aber über die Tafellogen und die Feft-
versammlnngen geführt worden. Die Protokolle sind nicht vollständig erhalten,
und bei manchen fehlt die Präsenzliste. Nur über einzelne Festlichkeiten finden
sich Berichte oder Andeutungen. Diese Mitteilungen verdanke ich der liebens¬
würdigen Zuvorkommenheit des Herrn Realschuldirektor or. H. Wernecke in
Weimar, der auch die Güte hatte, alle einzelnen an ihn gerichteten Fragen zu
beantworten. Hieraus ergiebt sich folgendes Thatsächliche für die beiden hier
in Rede stehenden Jahre. Die Aufnahme von Goethes Sohn fand nicht, wie
v- Lveper (S. 549) annimmt, Ende 1816 statt, sondern um ö. Dezember 1813.
Auch der Vater war dabei zugegen, während sein Name sonst in den Präsenz¬
listen des Jahres nicht erscheint. Neun Tage später war die monatliche Arbeits¬
loge nebst Tafel. In der Präsenzliste derselben wird „von Goethe" genannt,
worunter, obgleich der Zusatz „II" fehlt, der Sohn zu verstehen ist, da der
Vater tuum ohne den Sohn gekommen sein würde. Freilich war der Dichter
an diesem Tage in Weimar (er hatte Jena am 24. November verlassen), aber
sein Bestich der Loge erfolgte eben nur in Ausnahmefällen. In den Präsenz¬
listen des Jahres 1816 findet sich „Bruder von Goethe II" am 16. Januar,
6. Februar, 30. März. 20. und 24. Juni, 2. Juli, 6. September, 1. Oktober
(die Listen der beiden folgenden Monate fehlen) und 8. Dezember. Auch der
einfache Eintrag ohne den Zusatz II vom 5. März, vom 11. und 20. Juni ist
auf diesen zu beziehen; an den beiden letzten Tagen war der Dichter noch in
tiefste Trauer um den am 6. Juni erlittenen Verlust seiner Gattin versunken,
aber dennoch duldete er nicht, daß der Sohn am 11. bei der „Feier der An¬
kunft des Durchl. Bruders Herzog Bernard ^Protektors der Loge^ mit seiner
Frau Gemahlin" (nach der am 30. Mai in Meiningen erfolgten Vermählung)
fehle. An dieser Feier nahmen ausnahmsweise die Schwestern teil, wozu ein
besondres Ritual entworfen ward. Nach Einführung derselben erschienen die
höchsten Herrschaften, nebst fünf Hofdamen. Der Meister vom Stuhl, Nidel,
gedachte dankend des Glückes der Anwesenheit des Hofes und drückte die Achtung
gegen die den heutigen Abend verschönernden Schwestern aus. Der Kanzler
v. Müller sprach über Wert und Pflicht der Teilnahme der Schwestern an den
Bestrebungen des Maurers, Staatsminister von Fritsch über die Geschichte der
geheimen Verbindungen. Bei der Tafelloge wurde „der Dank der Schwestern
durch die geliebte Schwester Eberwein ^Kammersängerin, in Goethes Hause sehr


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0573" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/196673"/>
            <fw type="header" place="top"> Goethianci.</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_2169" prev="#ID_2168"> Wechsels zufällig übersehen, wodurch seine Behandlung der betreffenden Logen-<lb/>
gedichte recht unglücklich geworden ist.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2170" next="#ID_2171"> Das Archiv der Loge Amalia zu Weimar bietet, wenn es auch für die<lb/>
hier in Betracht kommende Zeit nicht so vollständig ist, als man wünschte, doch<lb/>
manche für Goethes und seines Sohnes Anteil an ihr und für die Bestimmung<lb/>
der Gedichte entscheidende Anhaltepunkte. Förmliche Protokolle sind von jeher<lb/>
nur über die Besprechungen der Beamten und die regelmäßigen Monatszusnmmen-<lb/>
künfte, die sogenannten Arbeitslogen, nicht aber über die Tafellogen und die Feft-<lb/>
versammlnngen geführt worden. Die Protokolle sind nicht vollständig erhalten,<lb/>
und bei manchen fehlt die Präsenzliste. Nur über einzelne Festlichkeiten finden<lb/>
sich Berichte oder Andeutungen. Diese Mitteilungen verdanke ich der liebens¬<lb/>
würdigen Zuvorkommenheit des Herrn Realschuldirektor or. H. Wernecke in<lb/>
Weimar, der auch die Güte hatte, alle einzelnen an ihn gerichteten Fragen zu<lb/>
beantworten. Hieraus ergiebt sich folgendes Thatsächliche für die beiden hier<lb/>
in Rede stehenden Jahre. Die Aufnahme von Goethes Sohn fand nicht, wie<lb/>
v- Lveper (S. 549) annimmt, Ende 1816 statt, sondern um ö. Dezember 1813.<lb/>
Auch der Vater war dabei zugegen, während sein Name sonst in den Präsenz¬<lb/>
listen des Jahres nicht erscheint. Neun Tage später war die monatliche Arbeits¬<lb/>
loge nebst Tafel. In der Präsenzliste derselben wird &#x201E;von Goethe" genannt,<lb/>
worunter, obgleich der Zusatz &#x201E;II" fehlt, der Sohn zu verstehen ist, da der<lb/>
Vater tuum ohne den Sohn gekommen sein würde. Freilich war der Dichter<lb/>
an diesem Tage in Weimar (er hatte Jena am 24. November verlassen), aber<lb/>
sein Bestich der Loge erfolgte eben nur in Ausnahmefällen. In den Präsenz¬<lb/>
listen des Jahres 1816 findet sich &#x201E;Bruder von Goethe II" am 16. Januar,<lb/>
6. Februar, 30. März. 20. und 24. Juni, 2. Juli, 6. September, 1. Oktober<lb/>
(die Listen der beiden folgenden Monate fehlen) und 8. Dezember. Auch der<lb/>
einfache Eintrag ohne den Zusatz II vom 5. März, vom 11. und 20. Juni ist<lb/>
auf diesen zu beziehen; an den beiden letzten Tagen war der Dichter noch in<lb/>
tiefste Trauer um den am 6. Juni erlittenen Verlust seiner Gattin versunken,<lb/>
aber dennoch duldete er nicht, daß der Sohn am 11. bei der &#x201E;Feier der An¬<lb/>
kunft des Durchl. Bruders Herzog Bernard ^Protektors der Loge^ mit seiner<lb/>
Frau Gemahlin" (nach der am 30. Mai in Meiningen erfolgten Vermählung)<lb/>
fehle. An dieser Feier nahmen ausnahmsweise die Schwestern teil, wozu ein<lb/>
besondres Ritual entworfen ward. Nach Einführung derselben erschienen die<lb/>
höchsten Herrschaften, nebst fünf Hofdamen. Der Meister vom Stuhl, Nidel,<lb/>
gedachte dankend des Glückes der Anwesenheit des Hofes und drückte die Achtung<lb/>
gegen die den heutigen Abend verschönernden Schwestern aus. Der Kanzler<lb/>
v. Müller sprach über Wert und Pflicht der Teilnahme der Schwestern an den<lb/>
Bestrebungen des Maurers, Staatsminister von Fritsch über die Geschichte der<lb/>
geheimen Verbindungen. Bei der Tafelloge wurde &#x201E;der Dank der Schwestern<lb/>
durch die geliebte Schwester Eberwein ^Kammersängerin, in Goethes Hause sehr</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0573] Goethianci. Wechsels zufällig übersehen, wodurch seine Behandlung der betreffenden Logen- gedichte recht unglücklich geworden ist. Das Archiv der Loge Amalia zu Weimar bietet, wenn es auch für die hier in Betracht kommende Zeit nicht so vollständig ist, als man wünschte, doch manche für Goethes und seines Sohnes Anteil an ihr und für die Bestimmung der Gedichte entscheidende Anhaltepunkte. Förmliche Protokolle sind von jeher nur über die Besprechungen der Beamten und die regelmäßigen Monatszusnmmen- künfte, die sogenannten Arbeitslogen, nicht aber über die Tafellogen und die Feft- versammlnngen geführt worden. Die Protokolle sind nicht vollständig erhalten, und bei manchen fehlt die Präsenzliste. Nur über einzelne Festlichkeiten finden sich Berichte oder Andeutungen. Diese Mitteilungen verdanke ich der liebens¬ würdigen Zuvorkommenheit des Herrn Realschuldirektor or. H. Wernecke in Weimar, der auch die Güte hatte, alle einzelnen an ihn gerichteten Fragen zu beantworten. Hieraus ergiebt sich folgendes Thatsächliche für die beiden hier in Rede stehenden Jahre. Die Aufnahme von Goethes Sohn fand nicht, wie v- Lveper (S. 549) annimmt, Ende 1816 statt, sondern um ö. Dezember 1813. Auch der Vater war dabei zugegen, während sein Name sonst in den Präsenz¬ listen des Jahres nicht erscheint. Neun Tage später war die monatliche Arbeits¬ loge nebst Tafel. In der Präsenzliste derselben wird „von Goethe" genannt, worunter, obgleich der Zusatz „II" fehlt, der Sohn zu verstehen ist, da der Vater tuum ohne den Sohn gekommen sein würde. Freilich war der Dichter an diesem Tage in Weimar (er hatte Jena am 24. November verlassen), aber sein Bestich der Loge erfolgte eben nur in Ausnahmefällen. In den Präsenz¬ listen des Jahres 1816 findet sich „Bruder von Goethe II" am 16. Januar, 6. Februar, 30. März. 20. und 24. Juni, 2. Juli, 6. September, 1. Oktober (die Listen der beiden folgenden Monate fehlen) und 8. Dezember. Auch der einfache Eintrag ohne den Zusatz II vom 5. März, vom 11. und 20. Juni ist auf diesen zu beziehen; an den beiden letzten Tagen war der Dichter noch in tiefste Trauer um den am 6. Juni erlittenen Verlust seiner Gattin versunken, aber dennoch duldete er nicht, daß der Sohn am 11. bei der „Feier der An¬ kunft des Durchl. Bruders Herzog Bernard ^Protektors der Loge^ mit seiner Frau Gemahlin" (nach der am 30. Mai in Meiningen erfolgten Vermählung) fehle. An dieser Feier nahmen ausnahmsweise die Schwestern teil, wozu ein besondres Ritual entworfen ward. Nach Einführung derselben erschienen die höchsten Herrschaften, nebst fünf Hofdamen. Der Meister vom Stuhl, Nidel, gedachte dankend des Glückes der Anwesenheit des Hofes und drückte die Achtung gegen die den heutigen Abend verschönernden Schwestern aus. Der Kanzler v. Müller sprach über Wert und Pflicht der Teilnahme der Schwestern an den Bestrebungen des Maurers, Staatsminister von Fritsch über die Geschichte der geheimen Verbindungen. Bei der Tafelloge wurde „der Dank der Schwestern durch die geliebte Schwester Eberwein ^Kammersängerin, in Goethes Hause sehr

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/573
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/573>, abgerufen am 27.07.2024.