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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Vor Notstand des Privatkapitals.

nicht früher erhält, als er ihren Gegenwert eingezahlt hat; denn er kann die
Papiere schon vor ihrer Ausgabe an der Börse gegen Gutscheine veräußern.
Und wenn er auch wirklich eine Vorlage zu machen hat, so ist es doch nur
auf kurze Zeit, während sich sein Gewinn auf die ganze in dem Unternehmen
angelegte Summe berechnet. Angenommen z. B., es handle sich um zehn
Millionen, und der Bankier wäre genötigt, ein Fünftel mit zwei Millionen vor¬
zulegen, der Gewinn des Geschäftes aber wäre zwei Prozent ^ 200 000 Mark,
so verdient er, abgesehen von dem laufenden Zins, auf seine Vorlage zehn
Prozent. Nun aber wickelt sich ein solches Geschäft im regelmäßigen Verlaufe
in sehr kurzer Zeit ab, nehmen wir an in zwei bis drei Monaten; er kann
also mit dem nämlichen Kapital drei, vier, ja fünf solcher Geschäfte in einem
Jahre machen und also dreißig bis fünfzig Prozent Nutzen daraus erzielen.
Man sieht, wie in solchen Geschäften der eigentliche Kapitalzins zur Nebensache
wird. In der That ist dem Bankier der Zinsfuß der von ihm kontmyirten
Anlehen ganz gleichgiltig. denn sein Gewinn ist die Provision, die ihm der
Entlchner zahlt, und der höhere Kurs, zu welchem ihm die Börse die Partiellen
abnimmt. Aber auch nach vollständiger Abwicklung des Geschäftes bleiben noch
garnicht zu verachtende Vorteile für den Bankier übrig, bei Anlehen die Be¬
sorgung der Zins- und Rückzahlungen, bei Aktiengrttndungen die einträglichen
Stellen der Aufsichtsrate und der Einfluß, den sie auf die Gesellschaften üben,
welche ihre Klientel vermehren -- von Orden und Titeln, die bei dem Geschäfte
abfallen, garnicht zu reden.

Freilich verlaufen nicht alle Operationen glücklich, und es kommt wohl vor,
daß ein Bankier auf seinen Papieren sitzen bleibt. Allein es sind dies doch
wohl im ganzen seltene Fälle, die sich bei einiger Vorsicht leicht vermeiden lassen.
Denn da der Bankier kraft seines Lebensprinzips sich nur auf solche Unternehmungen
einläßt, die sich in kurzer Zeit für ihn abwickeln, so ist es schon an und für
sich uicht wahrscheinlich, daß ihn Verluste treffen werden, denn in so kurzer
Zeit ändern sich die Umstände nicht leicht, unter denen er sich auf das
Geschäft eingelassen hat und die natürlich gewinnverheißend waren; zur Paraly-
sirung leichter Schwankungen in der Konjunktur aber besitzt er allerlei geräusch¬
lose Mittel, die das Vertrauen, die "Stimmung" des Publikums wenigstens
so lange erhalten, bis er selbst nicht mehr wesentlich beteiligt ist, d. h. den Kopf
aus der Schlinge gezogen hat.

Man kann zwar nicht bestreikn, daß manche jener großen Anlehensgeschästc
ohne die Intervention der Bankiers nicht zustande kommen würden, und in
solchen Fällen wäre ihre Thätigkeit dann allerdings eine produktive, so gut wie
diejenige des Kaufmanns, der eine Waare von dem Orte, wo sie wenig gilt,
an einen Ort bringt, wo sie mehr wert ist. Allein es würde dies doch voraus¬
setzen, daß diese der Geburtshilfe des Bankiers bedürftige Geschäfte an sich nütz¬
liche und wirtschaftliche wären. Und eben dies darf öfters stark bezweifelt


Vor Notstand des Privatkapitals.

nicht früher erhält, als er ihren Gegenwert eingezahlt hat; denn er kann die
Papiere schon vor ihrer Ausgabe an der Börse gegen Gutscheine veräußern.
Und wenn er auch wirklich eine Vorlage zu machen hat, so ist es doch nur
auf kurze Zeit, während sich sein Gewinn auf die ganze in dem Unternehmen
angelegte Summe berechnet. Angenommen z. B., es handle sich um zehn
Millionen, und der Bankier wäre genötigt, ein Fünftel mit zwei Millionen vor¬
zulegen, der Gewinn des Geschäftes aber wäre zwei Prozent ^ 200 000 Mark,
so verdient er, abgesehen von dem laufenden Zins, auf seine Vorlage zehn
Prozent. Nun aber wickelt sich ein solches Geschäft im regelmäßigen Verlaufe
in sehr kurzer Zeit ab, nehmen wir an in zwei bis drei Monaten; er kann
also mit dem nämlichen Kapital drei, vier, ja fünf solcher Geschäfte in einem
Jahre machen und also dreißig bis fünfzig Prozent Nutzen daraus erzielen.
Man sieht, wie in solchen Geschäften der eigentliche Kapitalzins zur Nebensache
wird. In der That ist dem Bankier der Zinsfuß der von ihm kontmyirten
Anlehen ganz gleichgiltig. denn sein Gewinn ist die Provision, die ihm der
Entlchner zahlt, und der höhere Kurs, zu welchem ihm die Börse die Partiellen
abnimmt. Aber auch nach vollständiger Abwicklung des Geschäftes bleiben noch
garnicht zu verachtende Vorteile für den Bankier übrig, bei Anlehen die Be¬
sorgung der Zins- und Rückzahlungen, bei Aktiengrttndungen die einträglichen
Stellen der Aufsichtsrate und der Einfluß, den sie auf die Gesellschaften üben,
welche ihre Klientel vermehren — von Orden und Titeln, die bei dem Geschäfte
abfallen, garnicht zu reden.

Freilich verlaufen nicht alle Operationen glücklich, und es kommt wohl vor,
daß ein Bankier auf seinen Papieren sitzen bleibt. Allein es sind dies doch
wohl im ganzen seltene Fälle, die sich bei einiger Vorsicht leicht vermeiden lassen.
Denn da der Bankier kraft seines Lebensprinzips sich nur auf solche Unternehmungen
einläßt, die sich in kurzer Zeit für ihn abwickeln, so ist es schon an und für
sich uicht wahrscheinlich, daß ihn Verluste treffen werden, denn in so kurzer
Zeit ändern sich die Umstände nicht leicht, unter denen er sich auf das
Geschäft eingelassen hat und die natürlich gewinnverheißend waren; zur Paraly-
sirung leichter Schwankungen in der Konjunktur aber besitzt er allerlei geräusch¬
lose Mittel, die das Vertrauen, die „Stimmung" des Publikums wenigstens
so lange erhalten, bis er selbst nicht mehr wesentlich beteiligt ist, d. h. den Kopf
aus der Schlinge gezogen hat.

Man kann zwar nicht bestreikn, daß manche jener großen Anlehensgeschästc
ohne die Intervention der Bankiers nicht zustande kommen würden, und in
solchen Fällen wäre ihre Thätigkeit dann allerdings eine produktive, so gut wie
diejenige des Kaufmanns, der eine Waare von dem Orte, wo sie wenig gilt,
an einen Ort bringt, wo sie mehr wert ist. Allein es würde dies doch voraus¬
setzen, daß diese der Geburtshilfe des Bankiers bedürftige Geschäfte an sich nütz¬
liche und wirtschaftliche wären. Und eben dies darf öfters stark bezweifelt


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[0563] Vor Notstand des Privatkapitals. nicht früher erhält, als er ihren Gegenwert eingezahlt hat; denn er kann die Papiere schon vor ihrer Ausgabe an der Börse gegen Gutscheine veräußern. Und wenn er auch wirklich eine Vorlage zu machen hat, so ist es doch nur auf kurze Zeit, während sich sein Gewinn auf die ganze in dem Unternehmen angelegte Summe berechnet. Angenommen z. B., es handle sich um zehn Millionen, und der Bankier wäre genötigt, ein Fünftel mit zwei Millionen vor¬ zulegen, der Gewinn des Geschäftes aber wäre zwei Prozent ^ 200 000 Mark, so verdient er, abgesehen von dem laufenden Zins, auf seine Vorlage zehn Prozent. Nun aber wickelt sich ein solches Geschäft im regelmäßigen Verlaufe in sehr kurzer Zeit ab, nehmen wir an in zwei bis drei Monaten; er kann also mit dem nämlichen Kapital drei, vier, ja fünf solcher Geschäfte in einem Jahre machen und also dreißig bis fünfzig Prozent Nutzen daraus erzielen. Man sieht, wie in solchen Geschäften der eigentliche Kapitalzins zur Nebensache wird. In der That ist dem Bankier der Zinsfuß der von ihm kontmyirten Anlehen ganz gleichgiltig. denn sein Gewinn ist die Provision, die ihm der Entlchner zahlt, und der höhere Kurs, zu welchem ihm die Börse die Partiellen abnimmt. Aber auch nach vollständiger Abwicklung des Geschäftes bleiben noch garnicht zu verachtende Vorteile für den Bankier übrig, bei Anlehen die Be¬ sorgung der Zins- und Rückzahlungen, bei Aktiengrttndungen die einträglichen Stellen der Aufsichtsrate und der Einfluß, den sie auf die Gesellschaften üben, welche ihre Klientel vermehren — von Orden und Titeln, die bei dem Geschäfte abfallen, garnicht zu reden. Freilich verlaufen nicht alle Operationen glücklich, und es kommt wohl vor, daß ein Bankier auf seinen Papieren sitzen bleibt. Allein es sind dies doch wohl im ganzen seltene Fälle, die sich bei einiger Vorsicht leicht vermeiden lassen. Denn da der Bankier kraft seines Lebensprinzips sich nur auf solche Unternehmungen einläßt, die sich in kurzer Zeit für ihn abwickeln, so ist es schon an und für sich uicht wahrscheinlich, daß ihn Verluste treffen werden, denn in so kurzer Zeit ändern sich die Umstände nicht leicht, unter denen er sich auf das Geschäft eingelassen hat und die natürlich gewinnverheißend waren; zur Paraly- sirung leichter Schwankungen in der Konjunktur aber besitzt er allerlei geräusch¬ lose Mittel, die das Vertrauen, die „Stimmung" des Publikums wenigstens so lange erhalten, bis er selbst nicht mehr wesentlich beteiligt ist, d. h. den Kopf aus der Schlinge gezogen hat. Man kann zwar nicht bestreikn, daß manche jener großen Anlehensgeschästc ohne die Intervention der Bankiers nicht zustande kommen würden, und in solchen Fällen wäre ihre Thätigkeit dann allerdings eine produktive, so gut wie diejenige des Kaufmanns, der eine Waare von dem Orte, wo sie wenig gilt, an einen Ort bringt, wo sie mehr wert ist. Allein es würde dies doch voraus¬ setzen, daß diese der Geburtshilfe des Bankiers bedürftige Geschäfte an sich nütz¬ liche und wirtschaftliche wären. Und eben dies darf öfters stark bezweifelt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/563>, abgerufen am 22.11.2024.