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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Ver Notstand des Pnvatkupiwls.

Nischuinowgvrod, um seine Hammel und seine selbstgefertigten Zeltfilze gegen
Waffen, Pulver, Getreide und sonstige Bedürfnisse auszutauschen. Er ist sicher,
dort Käufer seiner Produkte und Verkäufer derjenigen Waare" zu finden, welche
er einzutauschen wünscht. Diese Gewißheit überhebt ihn der Mühe, im weiten
Lande umherzuziehen, um die gewünschten Käufer und Verkäufer zu finden oder
-- vergeblich zu suchen. Stellen wir uns nun aber den Markt nur als den
Versammlungsort aller derjenigen vor, die ihre Produkte gegen ihren Bedarf
umsetzen wollen, so würde er seinen wirtschaftlichen Zweck nur in ungenügendem
Maße erfüllen. Denn es würde vom Zufalle abhängen, ob -- um bei unserm
Beispiele zu bleiben -- so viele Liebhaber von Hammeln und Zeltfilzen in
Nischninvwgrvd erschienen wären, um dem Angebote der Kirgisen zu ent¬
sprechen, oder ob so viele Kirgisen zum Markte gekommen wären, um der Nach¬
frage nach Hammeln und Zeltfilzeu zu genügen. Vom Zufall also würde es
abhängen, ob der Kirgise unverrichteter Sache wieder heimziehen müßte, weil
er seine Hammel und Filze nicht anbringen konnte oder nicht zu Spottpreisen
hergeben wollte, oder ob der Russe seinen Bedarf an Hammeln und Filzen
garnicht oder doch nur zu übermäßigen Preisen decken konnte, weil nur wenige
Kirgisen erschienen wären. Um diesem llbelstande vorzubeugen, muß es auf
einem richtigen Markte noch eine dritte Klasse von Personen geben, die weder
eigne Produkte zu verkaufen haben, noch ihren Bedarf an fremden Produkten
decke" wollen, die also weder Produzenten noch Konsumenten, Wohl aber bereit
sind, solche Güter, die sonst keine Abnehmer finden, zu kaufen, oder solche Güter
zu verkaufen, die verlangt, aber nicht in genügender Menge von den Produ¬
zenten angeboten werden, sei es, daß jene dritte die fehlenden Waaren von
ihrem Vorräte abgeben, den sie ans dem vorigen Markte, als das Angebot
überwog, vorsorglich angeschafft haben, oder daß sie die Lieferung in genügender
Frist und am gewünschten Orte versprechen. Diese Klasse von Spekulations
Rufern und Verkäufern verhindert dnrch ihr Dazwischentreten ein unbegrenztes
Sinken oder Steigen der Preise und eine zeitweilige Entblößung des Marktes
von gewissen Waaren; sie sind demnach, wenn sie kaufen, lästige Konkurrenten
der übrigen für eignen Bedarf auftretenden Käufer, und wenn sie verkaufen,
die lästigen Konkurrenten der ihre eignen Produkte ausbicteuden Verkäufer.
Sie bilden aber den Regulator der Marktpreise und sind deshalb nicht nur
nützlich, sondern geradezu unentbehrlich.

Nun ist es leicht einzusehen, daß diese Spekulation sehr gefahrvoll ist, weil
sie auf Beurteilung gegenwärtiger und auf Berechnung künftiger Umstände be¬
ruht und von Dinge" abhängig ist, auf welche der Spekulant in der Regel
keinen Einfluß hat. Das Geschäft wird daher uur von den geriebensten Leuten
mit Erfolg betrieben werden können, und es ist zu vermuten, daß dieselben
leicht veranlaßt werden, statt nur vorhandne Umstände zu benutzen -- was
ihres Amtes ist --, solche Umstände durch allerlei Mittel künstlich herbeizn-


Ver Notstand des Pnvatkupiwls.

Nischuinowgvrod, um seine Hammel und seine selbstgefertigten Zeltfilze gegen
Waffen, Pulver, Getreide und sonstige Bedürfnisse auszutauschen. Er ist sicher,
dort Käufer seiner Produkte und Verkäufer derjenigen Waare» zu finden, welche
er einzutauschen wünscht. Diese Gewißheit überhebt ihn der Mühe, im weiten
Lande umherzuziehen, um die gewünschten Käufer und Verkäufer zu finden oder
— vergeblich zu suchen. Stellen wir uns nun aber den Markt nur als den
Versammlungsort aller derjenigen vor, die ihre Produkte gegen ihren Bedarf
umsetzen wollen, so würde er seinen wirtschaftlichen Zweck nur in ungenügendem
Maße erfüllen. Denn es würde vom Zufalle abhängen, ob — um bei unserm
Beispiele zu bleiben — so viele Liebhaber von Hammeln und Zeltfilzen in
Nischninvwgrvd erschienen wären, um dem Angebote der Kirgisen zu ent¬
sprechen, oder ob so viele Kirgisen zum Markte gekommen wären, um der Nach¬
frage nach Hammeln und Zeltfilzeu zu genügen. Vom Zufall also würde es
abhängen, ob der Kirgise unverrichteter Sache wieder heimziehen müßte, weil
er seine Hammel und Filze nicht anbringen konnte oder nicht zu Spottpreisen
hergeben wollte, oder ob der Russe seinen Bedarf an Hammeln und Filzen
garnicht oder doch nur zu übermäßigen Preisen decken konnte, weil nur wenige
Kirgisen erschienen wären. Um diesem llbelstande vorzubeugen, muß es auf
einem richtigen Markte noch eine dritte Klasse von Personen geben, die weder
eigne Produkte zu verkaufen haben, noch ihren Bedarf an fremden Produkten
decke» wollen, die also weder Produzenten noch Konsumenten, Wohl aber bereit
sind, solche Güter, die sonst keine Abnehmer finden, zu kaufen, oder solche Güter
zu verkaufen, die verlangt, aber nicht in genügender Menge von den Produ¬
zenten angeboten werden, sei es, daß jene dritte die fehlenden Waaren von
ihrem Vorräte abgeben, den sie ans dem vorigen Markte, als das Angebot
überwog, vorsorglich angeschafft haben, oder daß sie die Lieferung in genügender
Frist und am gewünschten Orte versprechen. Diese Klasse von Spekulations
Rufern und Verkäufern verhindert dnrch ihr Dazwischentreten ein unbegrenztes
Sinken oder Steigen der Preise und eine zeitweilige Entblößung des Marktes
von gewissen Waaren; sie sind demnach, wenn sie kaufen, lästige Konkurrenten
der übrigen für eignen Bedarf auftretenden Käufer, und wenn sie verkaufen,
die lästigen Konkurrenten der ihre eignen Produkte ausbicteuden Verkäufer.
Sie bilden aber den Regulator der Marktpreise und sind deshalb nicht nur
nützlich, sondern geradezu unentbehrlich.

Nun ist es leicht einzusehen, daß diese Spekulation sehr gefahrvoll ist, weil
sie auf Beurteilung gegenwärtiger und auf Berechnung künftiger Umstände be¬
ruht und von Dinge» abhängig ist, auf welche der Spekulant in der Regel
keinen Einfluß hat. Das Geschäft wird daher uur von den geriebensten Leuten
mit Erfolg betrieben werden können, und es ist zu vermuten, daß dieselben
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ihres Amtes ist —, solche Umstände durch allerlei Mittel künstlich herbeizn-


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[0558] Ver Notstand des Pnvatkupiwls. Nischuinowgvrod, um seine Hammel und seine selbstgefertigten Zeltfilze gegen Waffen, Pulver, Getreide und sonstige Bedürfnisse auszutauschen. Er ist sicher, dort Käufer seiner Produkte und Verkäufer derjenigen Waare» zu finden, welche er einzutauschen wünscht. Diese Gewißheit überhebt ihn der Mühe, im weiten Lande umherzuziehen, um die gewünschten Käufer und Verkäufer zu finden oder — vergeblich zu suchen. Stellen wir uns nun aber den Markt nur als den Versammlungsort aller derjenigen vor, die ihre Produkte gegen ihren Bedarf umsetzen wollen, so würde er seinen wirtschaftlichen Zweck nur in ungenügendem Maße erfüllen. Denn es würde vom Zufalle abhängen, ob — um bei unserm Beispiele zu bleiben — so viele Liebhaber von Hammeln und Zeltfilzen in Nischninvwgrvd erschienen wären, um dem Angebote der Kirgisen zu ent¬ sprechen, oder ob so viele Kirgisen zum Markte gekommen wären, um der Nach¬ frage nach Hammeln und Zeltfilzeu zu genügen. Vom Zufall also würde es abhängen, ob der Kirgise unverrichteter Sache wieder heimziehen müßte, weil er seine Hammel und Filze nicht anbringen konnte oder nicht zu Spottpreisen hergeben wollte, oder ob der Russe seinen Bedarf an Hammeln und Filzen garnicht oder doch nur zu übermäßigen Preisen decken konnte, weil nur wenige Kirgisen erschienen wären. Um diesem llbelstande vorzubeugen, muß es auf einem richtigen Markte noch eine dritte Klasse von Personen geben, die weder eigne Produkte zu verkaufen haben, noch ihren Bedarf an fremden Produkten decke» wollen, die also weder Produzenten noch Konsumenten, Wohl aber bereit sind, solche Güter, die sonst keine Abnehmer finden, zu kaufen, oder solche Güter zu verkaufen, die verlangt, aber nicht in genügender Menge von den Produ¬ zenten angeboten werden, sei es, daß jene dritte die fehlenden Waaren von ihrem Vorräte abgeben, den sie ans dem vorigen Markte, als das Angebot überwog, vorsorglich angeschafft haben, oder daß sie die Lieferung in genügender Frist und am gewünschten Orte versprechen. Diese Klasse von Spekulations Rufern und Verkäufern verhindert dnrch ihr Dazwischentreten ein unbegrenztes Sinken oder Steigen der Preise und eine zeitweilige Entblößung des Marktes von gewissen Waaren; sie sind demnach, wenn sie kaufen, lästige Konkurrenten der übrigen für eignen Bedarf auftretenden Käufer, und wenn sie verkaufen, die lästigen Konkurrenten der ihre eignen Produkte ausbicteuden Verkäufer. Sie bilden aber den Regulator der Marktpreise und sind deshalb nicht nur nützlich, sondern geradezu unentbehrlich. Nun ist es leicht einzusehen, daß diese Spekulation sehr gefahrvoll ist, weil sie auf Beurteilung gegenwärtiger und auf Berechnung künftiger Umstände be¬ ruht und von Dinge» abhängig ist, auf welche der Spekulant in der Regel keinen Einfluß hat. Das Geschäft wird daher uur von den geriebensten Leuten mit Erfolg betrieben werden können, und es ist zu vermuten, daß dieselben leicht veranlaßt werden, statt nur vorhandne Umstände zu benutzen — was ihres Amtes ist —, solche Umstände durch allerlei Mittel künstlich herbeizn-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/558>, abgerufen am 28.07.2024.