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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Der Notstand des privatkapitals,

ein Dritter hinzukommen, der beide in seinen Dienst nimmt. Dieser Dritte ist
der Unternehmer, in ihm liegt der Ausgang und Schwerpunkt oller Produktion.
Wenn derjenige, welcher ein Gut erzeugen will, so viel Kapital besitzt und mit
seinen alleinigen Kräften so viel auszurichten vermag, als nötig ist, so steht er
ganz auf eignen Füßen, und von einer Teilnahme andrer Personen an dem er¬
zeugten Werte ist keine Rede. Ju dieser Lage ist z. B. ein Tischler, der mit
eignem Werkzeug und mit Holz, das er aus eignen Mitteln erkauft hat. ohne
Gesellen arbeitet. Er ist Unternehmer, Kapitalist und Arbeiter in einer Person.
Wenn aber sein Geschäft wächst und seine persönliche Kraft nicht mehr ausreicht,
so muß er sich einen Arbeiter als Gehilfen zugesellen, und wenn sich das Ge¬
schäft so ausdehnt, daß er zur Anschaffung von Holz und Werkzeugen fremden
Beistandes bedarf, so muß er deu Kapitalisten als andern Gehilfen herbeirufen.
Arbeiter und Kapitalist sind also die Gehilfen des Unternehmers, und jeder
dieser beiden Gehilfen hat seinen Lohn für sich mit dem Unternehmer zu ver¬
einbaren.

Nun ist es ganz natürlich und der menschlichen Natur, wie sie nun einmal
ist, ganz angemessen, daß sich der Unternehmer, soweit er nicht unter der Herr¬
schaft moralischer und humaner Rücksichten steht, nur von seinem Egoismus
leiten läßt, und eben dieser Egoismus des Unternehmers ist es, gegen den der
Arbeiter anzukämpfen hat, nicht der Egoismus des Kapitalisten. Hieran ändert
auch der Umstand nichts, wenn der Unternehmer gleichzeitig Eigentümer des im
Geschäfte mitwirkenden Kapitals ist, wenn auch diese Vereinigung seineu Egois¬
mus zu stärket? vermag.

Es ist nicht meine Absicht, dies hier weiter auszuführen, weil sich dieser
Aufsatz nicht mit der Arbeit, sondern nur mit dem Kapital befassen soll und
weil es mir deshalb nur darauf ankommen kann, festzustellen, daß Kapital und
Arbeit direkt nichts miteinander zu schaffen haben. Es können hohe Löhne bei
hohem wie bei niedrigem Zins bestehen, die Unternehmer können gute Geschäfte
machen, obwohl sie sowohl hohen Zins als hohe Löhne bezahlen müssen, und
wiederum kann die Industrie darniederliegen, obgleich sowohl Kapital als Arbeit
für geringes Entgelt zu gehste stehen.

Wenn der Arbeiter mit dem Unternehmer über Höhe des Lohnes verhandelt,
so soll nach der herrschenden Lehre das Verhältnis von Nachfrage und Angebot
entscheiden. Es ist dies insofern nicht zu bestreiten, als die Löhne ganz gewiß
hoher sein werden, wenn sich weniger Hände anbieten, als die Unternehmer ver¬
langen, lind als die Löhne niedriger sein werden, wenn das umgekehrte Ver¬
hältnis besteht. Allein die nachteilige Lage der Arbeiter besteht darin, daß das
Überwiegen des Angebots von Arbeitern durch zwei Umstände stetig gefördert
wird, welche ganz außerhalb des eigentlichen Prozesses der Gütererzeugung
liegen. Der eine ist die fortwährende Zunahme der Bevölkerungszahl, ins¬
besondere der von ihrer Hände Arbeit lebenden Klassen, der andre ist der


Der Notstand des privatkapitals,

ein Dritter hinzukommen, der beide in seinen Dienst nimmt. Dieser Dritte ist
der Unternehmer, in ihm liegt der Ausgang und Schwerpunkt oller Produktion.
Wenn derjenige, welcher ein Gut erzeugen will, so viel Kapital besitzt und mit
seinen alleinigen Kräften so viel auszurichten vermag, als nötig ist, so steht er
ganz auf eignen Füßen, und von einer Teilnahme andrer Personen an dem er¬
zeugten Werte ist keine Rede. Ju dieser Lage ist z. B. ein Tischler, der mit
eignem Werkzeug und mit Holz, das er aus eignen Mitteln erkauft hat. ohne
Gesellen arbeitet. Er ist Unternehmer, Kapitalist und Arbeiter in einer Person.
Wenn aber sein Geschäft wächst und seine persönliche Kraft nicht mehr ausreicht,
so muß er sich einen Arbeiter als Gehilfen zugesellen, und wenn sich das Ge¬
schäft so ausdehnt, daß er zur Anschaffung von Holz und Werkzeugen fremden
Beistandes bedarf, so muß er deu Kapitalisten als andern Gehilfen herbeirufen.
Arbeiter und Kapitalist sind also die Gehilfen des Unternehmers, und jeder
dieser beiden Gehilfen hat seinen Lohn für sich mit dem Unternehmer zu ver¬
einbaren.

Nun ist es ganz natürlich und der menschlichen Natur, wie sie nun einmal
ist, ganz angemessen, daß sich der Unternehmer, soweit er nicht unter der Herr¬
schaft moralischer und humaner Rücksichten steht, nur von seinem Egoismus
leiten läßt, und eben dieser Egoismus des Unternehmers ist es, gegen den der
Arbeiter anzukämpfen hat, nicht der Egoismus des Kapitalisten. Hieran ändert
auch der Umstand nichts, wenn der Unternehmer gleichzeitig Eigentümer des im
Geschäfte mitwirkenden Kapitals ist, wenn auch diese Vereinigung seineu Egois¬
mus zu stärket? vermag.

Es ist nicht meine Absicht, dies hier weiter auszuführen, weil sich dieser
Aufsatz nicht mit der Arbeit, sondern nur mit dem Kapital befassen soll und
weil es mir deshalb nur darauf ankommen kann, festzustellen, daß Kapital und
Arbeit direkt nichts miteinander zu schaffen haben. Es können hohe Löhne bei
hohem wie bei niedrigem Zins bestehen, die Unternehmer können gute Geschäfte
machen, obwohl sie sowohl hohen Zins als hohe Löhne bezahlen müssen, und
wiederum kann die Industrie darniederliegen, obgleich sowohl Kapital als Arbeit
für geringes Entgelt zu gehste stehen.

Wenn der Arbeiter mit dem Unternehmer über Höhe des Lohnes verhandelt,
so soll nach der herrschenden Lehre das Verhältnis von Nachfrage und Angebot
entscheiden. Es ist dies insofern nicht zu bestreiten, als die Löhne ganz gewiß
hoher sein werden, wenn sich weniger Hände anbieten, als die Unternehmer ver¬
langen, lind als die Löhne niedriger sein werden, wenn das umgekehrte Ver¬
hältnis besteht. Allein die nachteilige Lage der Arbeiter besteht darin, daß das
Überwiegen des Angebots von Arbeitern durch zwei Umstände stetig gefördert
wird, welche ganz außerhalb des eigentlichen Prozesses der Gütererzeugung
liegen. Der eine ist die fortwährende Zunahme der Bevölkerungszahl, ins¬
besondere der von ihrer Hände Arbeit lebenden Klassen, der andre ist der


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[0556] Der Notstand des privatkapitals, ein Dritter hinzukommen, der beide in seinen Dienst nimmt. Dieser Dritte ist der Unternehmer, in ihm liegt der Ausgang und Schwerpunkt oller Produktion. Wenn derjenige, welcher ein Gut erzeugen will, so viel Kapital besitzt und mit seinen alleinigen Kräften so viel auszurichten vermag, als nötig ist, so steht er ganz auf eignen Füßen, und von einer Teilnahme andrer Personen an dem er¬ zeugten Werte ist keine Rede. Ju dieser Lage ist z. B. ein Tischler, der mit eignem Werkzeug und mit Holz, das er aus eignen Mitteln erkauft hat. ohne Gesellen arbeitet. Er ist Unternehmer, Kapitalist und Arbeiter in einer Person. Wenn aber sein Geschäft wächst und seine persönliche Kraft nicht mehr ausreicht, so muß er sich einen Arbeiter als Gehilfen zugesellen, und wenn sich das Ge¬ schäft so ausdehnt, daß er zur Anschaffung von Holz und Werkzeugen fremden Beistandes bedarf, so muß er deu Kapitalisten als andern Gehilfen herbeirufen. Arbeiter und Kapitalist sind also die Gehilfen des Unternehmers, und jeder dieser beiden Gehilfen hat seinen Lohn für sich mit dem Unternehmer zu ver¬ einbaren. Nun ist es ganz natürlich und der menschlichen Natur, wie sie nun einmal ist, ganz angemessen, daß sich der Unternehmer, soweit er nicht unter der Herr¬ schaft moralischer und humaner Rücksichten steht, nur von seinem Egoismus leiten läßt, und eben dieser Egoismus des Unternehmers ist es, gegen den der Arbeiter anzukämpfen hat, nicht der Egoismus des Kapitalisten. Hieran ändert auch der Umstand nichts, wenn der Unternehmer gleichzeitig Eigentümer des im Geschäfte mitwirkenden Kapitals ist, wenn auch diese Vereinigung seineu Egois¬ mus zu stärket? vermag. Es ist nicht meine Absicht, dies hier weiter auszuführen, weil sich dieser Aufsatz nicht mit der Arbeit, sondern nur mit dem Kapital befassen soll und weil es mir deshalb nur darauf ankommen kann, festzustellen, daß Kapital und Arbeit direkt nichts miteinander zu schaffen haben. Es können hohe Löhne bei hohem wie bei niedrigem Zins bestehen, die Unternehmer können gute Geschäfte machen, obwohl sie sowohl hohen Zins als hohe Löhne bezahlen müssen, und wiederum kann die Industrie darniederliegen, obgleich sowohl Kapital als Arbeit für geringes Entgelt zu gehste stehen. Wenn der Arbeiter mit dem Unternehmer über Höhe des Lohnes verhandelt, so soll nach der herrschenden Lehre das Verhältnis von Nachfrage und Angebot entscheiden. Es ist dies insofern nicht zu bestreiten, als die Löhne ganz gewiß hoher sein werden, wenn sich weniger Hände anbieten, als die Unternehmer ver¬ langen, lind als die Löhne niedriger sein werden, wenn das umgekehrte Ver¬ hältnis besteht. Allein die nachteilige Lage der Arbeiter besteht darin, daß das Überwiegen des Angebots von Arbeitern durch zwei Umstände stetig gefördert wird, welche ganz außerhalb des eigentlichen Prozesses der Gütererzeugung liegen. Der eine ist die fortwährende Zunahme der Bevölkerungszahl, ins¬ besondere der von ihrer Hände Arbeit lebenden Klassen, der andre ist der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/556>, abgerufen am 28.07.2024.