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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Bor Notstand dos pnvatkapiials

ist kein 5tapital, sondern ein Gegenstand der Konsumtion, wenn es aber öffent¬
lichen Konzerten dient, so ist es ein Teil des Kapitals des Kouzertuuteruehmers,
das er zum Betriebe seines Geschäftes nötig hat.

Es sind dies bekannte, oft erörterte Dinge. Es ist aber gut, sich den
Unterschied gegenwärtig zu halten, welcher zwischen solchem Vorrat besteht, der
zur Verzehrung (Konsumtion) bestimmt ist, und jenen andern Überschüssen, die
zu neuer Giltererzeugung in Verwendung konuueu oder doch dazu vorbehalten
sind. Das reichste Land ist zum Stillstande, wenn nicht zum Rückgang ver¬
urteilt, wenn es seine Einkünfte völlig verzehrt, sei es in Wohlleben oder in
nutzlosen Kriegen; ein armes Land wird rasch zu Reichtum gelangen, wenn seine
fleißigen Bewohner ihre Konsumtion zu gunsten der Kapitnlbilduug möglichst be¬
schränken. Das kaiserliche Rom verzehrte die Arbeitsüberschüsse einer ganzen
Welt und ging bergab wie hente die Türkei; die englischen Kolonisten in
Nordamerika wurden durch Arbeitserfolge, die zu ihrer Konsumtion in gar
keinem Verhältnisse standen, im Laufe eines Jahrhunderts eine mächtige und
vielleicht die reichste Nation. Das Gedeihen, der Fortschritt eines Landes hängt
nicht sowohl von seinem gegenwärtigen Reichtum, von der Menge vorhnndner
Besitztümer ab, als von dem Maße, in welchem seine Arbeitserfolge, seine Be¬
dürfnisse seine Konsumtion überschreiten. Ich sage absichtlich Arbeitserfolge und
nicht Produktiv". Denn das bloße Prodnziren von Gütern kann nutzlos, ja
schädlich und das Gegenteil eines Erfolges sein, wenn der Erzeugung des Gutes
kein entsprechender Bedarf gegenübersteht.

Es würde irrig sein, nun zu folgern, daß ein Volt in Entbehrung leben
müsse, um reich zu werden. Das Bedürfnis giebt die Anregung zur Produktion;
je größer die Bedürfnisse werden, desto lebhafter wird die Thätigkeit, um sie
zu befriedigen; Bedürfnis und Produktion bedingen sich gegenseitig, jede Pro¬
duktion, welcher kein Bedürfnis gegenübersteht, ist vom Übel und nur ganz
vorübergehend möglich. Vom Gesichtspunkte der Weltwirtschaft ans betrachtet
müssen sich Produktion und Konsumtion mathematisch genau decken und für das
Ganze könnte von Überschüssen nicht die Rede sein. Die Menschheit kann ihren
Bedarf bis ins Unendliche steigern, wenn ihr die Gütererzeugung nachfolgt, und
umgekehrt, die Gütererzeugung kann sich ins Ungemessene vermehren, wenn die
Nachfrage gleichen Schritt hält. Bon Überschuß kaun immer nnr beim Austausch
von Individuum zu Individuum, von Volt zu Volk die Rede sein; Überschuß
tritt nur da ein, wo das ursprüngliche Verhältnis,, daß jeder die Güter, die er
nötig hat, selbst erzeugt, uicht mehr besteht, wo eine Verschiebung im Verhältnisse
des Bedarfs und der Produktion stattfindet, wo Arbeitsteilung eingetreten ist
und wo im Austausch eine verschiedne Wertschätzung stattfindet. Der Handel
kann einen Nettogewinn, einen wirklichen Überschuß nur abwerfen, wenn es einen
Ort oder einen Zeitpunkt giebt, wo die Waare mehr wert, wo das Bedürfnis
nach derselben stärker ist als an der Stelle oder zur Zeit ihrer Erzeugung.


Bor Notstand dos pnvatkapiials

ist kein 5tapital, sondern ein Gegenstand der Konsumtion, wenn es aber öffent¬
lichen Konzerten dient, so ist es ein Teil des Kapitals des Kouzertuuteruehmers,
das er zum Betriebe seines Geschäftes nötig hat.

Es sind dies bekannte, oft erörterte Dinge. Es ist aber gut, sich den
Unterschied gegenwärtig zu halten, welcher zwischen solchem Vorrat besteht, der
zur Verzehrung (Konsumtion) bestimmt ist, und jenen andern Überschüssen, die
zu neuer Giltererzeugung in Verwendung konuueu oder doch dazu vorbehalten
sind. Das reichste Land ist zum Stillstande, wenn nicht zum Rückgang ver¬
urteilt, wenn es seine Einkünfte völlig verzehrt, sei es in Wohlleben oder in
nutzlosen Kriegen; ein armes Land wird rasch zu Reichtum gelangen, wenn seine
fleißigen Bewohner ihre Konsumtion zu gunsten der Kapitnlbilduug möglichst be¬
schränken. Das kaiserliche Rom verzehrte die Arbeitsüberschüsse einer ganzen
Welt und ging bergab wie hente die Türkei; die englischen Kolonisten in
Nordamerika wurden durch Arbeitserfolge, die zu ihrer Konsumtion in gar
keinem Verhältnisse standen, im Laufe eines Jahrhunderts eine mächtige und
vielleicht die reichste Nation. Das Gedeihen, der Fortschritt eines Landes hängt
nicht sowohl von seinem gegenwärtigen Reichtum, von der Menge vorhnndner
Besitztümer ab, als von dem Maße, in welchem seine Arbeitserfolge, seine Be¬
dürfnisse seine Konsumtion überschreiten. Ich sage absichtlich Arbeitserfolge und
nicht Produktiv». Denn das bloße Prodnziren von Gütern kann nutzlos, ja
schädlich und das Gegenteil eines Erfolges sein, wenn der Erzeugung des Gutes
kein entsprechender Bedarf gegenübersteht.

Es würde irrig sein, nun zu folgern, daß ein Volt in Entbehrung leben
müsse, um reich zu werden. Das Bedürfnis giebt die Anregung zur Produktion;
je größer die Bedürfnisse werden, desto lebhafter wird die Thätigkeit, um sie
zu befriedigen; Bedürfnis und Produktion bedingen sich gegenseitig, jede Pro¬
duktion, welcher kein Bedürfnis gegenübersteht, ist vom Übel und nur ganz
vorübergehend möglich. Vom Gesichtspunkte der Weltwirtschaft ans betrachtet
müssen sich Produktion und Konsumtion mathematisch genau decken und für das
Ganze könnte von Überschüssen nicht die Rede sein. Die Menschheit kann ihren
Bedarf bis ins Unendliche steigern, wenn ihr die Gütererzeugung nachfolgt, und
umgekehrt, die Gütererzeugung kann sich ins Ungemessene vermehren, wenn die
Nachfrage gleichen Schritt hält. Bon Überschuß kaun immer nnr beim Austausch
von Individuum zu Individuum, von Volt zu Volk die Rede sein; Überschuß
tritt nur da ein, wo das ursprüngliche Verhältnis,, daß jeder die Güter, die er
nötig hat, selbst erzeugt, uicht mehr besteht, wo eine Verschiebung im Verhältnisse
des Bedarfs und der Produktion stattfindet, wo Arbeitsteilung eingetreten ist
und wo im Austausch eine verschiedne Wertschätzung stattfindet. Der Handel
kann einen Nettogewinn, einen wirklichen Überschuß nur abwerfen, wenn es einen
Ort oder einen Zeitpunkt giebt, wo die Waare mehr wert, wo das Bedürfnis
nach derselben stärker ist als an der Stelle oder zur Zeit ihrer Erzeugung.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/550>, abgerufen am 01.09.2024.