Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.Der Notstand des privaU>lois. Ärmsten zu gine, und überhaupt ist kein menschliches Wesen in unsrer Gesell¬ Aber sehen wir weiter! An die bloßen Nießbraucher des allgemeine" Ehe wir diese Frage beantworten, wird es nützlich sei", ""s zuvor über Der Notstand des privaU>lois. Ärmsten zu gine, und überhaupt ist kein menschliches Wesen in unsrer Gesell¬ Aber sehen wir weiter! An die bloßen Nießbraucher des allgemeine» Ehe wir diese Frage beantworten, wird es nützlich sei», »»s zuvor über <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0549" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/196649"/> <fw type="header" place="top"> Der Notstand des privaU>lois.</fw><lb/> <p xml:id="ID_2079" prev="#ID_2078"> Ärmsten zu gine, und überhaupt ist kein menschliches Wesen in unsrer Gesell¬<lb/> schaft zu finden, welches als ohne Teilnahme an den Vorteilen des Kulturbaues<lb/> gelten konnte, der dnrch die Arbeit der Vergangenheit, das heutige Kapital,<lb/> aufgerichtet worden ist. Da dieser Kulturbau fortwährend wächst an Umfang<lb/> lind Vollkommenheit, so ist es auch einleuchtend und kann nicht bezweifelt werden,<lb/> daß der Mitgenuß des Einzelne!,, oder wie wir sagten, sein Nießbrauch am<lb/> Knlturkapital in demselben Maße an Inhalt gewinnt. Der ärmste Mensch von<lb/> heute befindet sich sicher in einem bessern Zustande, als sich der Ärmste vor<lb/> hundert oder zweihundert Jahren befand, als noch Tausende unbemerkt ver¬<lb/> hungern konnten, als wegen der Unvollkommenheit der Verkehrswege Überfluß<lb/> »ud Maugel an Nahrungsmitteln in benachbarten Provinzen dicht neben ein¬<lb/> ander bestehen konnten; als Kranke und Hilflose unbeachtet verkamen und<lb/> Tausende von Menschen Vorurteile» zum Opfer fielen, welche der Fortschritt<lb/> der Kultur seitdem beseitigt hat. Denn auch die Wissenschaften sind Erfolge<lb/> des Kapitals, dessen Vorhandensein allein es möglich macht, daß Menschen, ohne<lb/> täglich sür ihren leiblichen Unterhalt sorgen zu müssen, sich zur Erforschung<lb/> der Wahrheit, zur Wissenschaft ausbilde» und ihr Lebe» derselben widme»<lb/> können. Das goldne Zeitalter liegt uicht hinter uus, sondern vor uns; in der<lb/> Zukunft leuchtet uns ein Zustand entgegen, worin ein jeder glücklich sein kau»,<lb/> insofern wir fortfahren, Überschüsse der Arbeit z» erziele» und statt sie zu ver¬<lb/> zehren, zur Weiterführung des Kulturbaues verwenden.</p><lb/> <p xml:id="ID_2080"> Aber sehen wir weiter! An die bloßen Nießbraucher des allgemeine»<lb/> Kapitals schließen sich die Miteigentümer desselben an. Wie groß ist ihre<lb/> Zahl? Wer sind sie?</p><lb/> <p xml:id="ID_2081" next="#ID_2082"> Ehe wir diese Frage beantworten, wird es nützlich sei», »»s zuvor über<lb/> be» Begriff des Kapitals noch näher zu verständigen. Wir haben das Kapital<lb/> vorläufig als Überschuß des Arbeitserfolges über den Aufwand bezeichnet. Aber<lb/> diese Definition bedarf noch einer Erläuterung. Denn uicht alles, was ich durch<lb/> meine Arbeit erübrige, ist Kapital, sondern nur dasjenige davon, was zu neuer<lb/> Gütererzeugung verwendet wird. Was ich zurücklege, um es später für Nahrungs¬<lb/> mittel oder Kleider, zur Anschaffung von HanLgerät, für Reisen, Vergnügungen<lb/> »ud ähnliches zu verbrauchen (kvnsumireu), ist uicht Kapital; es ist es uicht,<lb/> auch wenn ich meine hierfür bestimmten Überschüsse in Geld verwandelt habe,<lb/> um dies Geld später für Verbranchszwecke zu verwenden. Mail kann demnach<lb/> Eigentümer sein von reichlichem Hausrat, von Pferden, von baarem Gelde, von<lb/> Kuustgegeustäuden, von Parkanlagen u. dergl., ohne um dieses Besitzes willen<lb/> den Namen eiues Kapitalisten zu verdienen; denn alle diese Dinge werden dnrch<lb/> den Gebrauch mehr oder weniger rasch aufgezehrt, sie dienen der Konsumtion.<lb/> Sobald ein solcher Besitzer aber seine Lnxnspferde an einen Rollwägen spannt<lb/> und damit Frachtlvhn verdient oder die Erzeugnisse einer Fabrik zu den Ab¬<lb/> nehmern befördert, werden diese Pferde Kapital. Ein Klavier in meinem Salon</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0549]
Der Notstand des privaU>lois.
Ärmsten zu gine, und überhaupt ist kein menschliches Wesen in unsrer Gesell¬
schaft zu finden, welches als ohne Teilnahme an den Vorteilen des Kulturbaues
gelten konnte, der dnrch die Arbeit der Vergangenheit, das heutige Kapital,
aufgerichtet worden ist. Da dieser Kulturbau fortwährend wächst an Umfang
lind Vollkommenheit, so ist es auch einleuchtend und kann nicht bezweifelt werden,
daß der Mitgenuß des Einzelne!,, oder wie wir sagten, sein Nießbrauch am
Knlturkapital in demselben Maße an Inhalt gewinnt. Der ärmste Mensch von
heute befindet sich sicher in einem bessern Zustande, als sich der Ärmste vor
hundert oder zweihundert Jahren befand, als noch Tausende unbemerkt ver¬
hungern konnten, als wegen der Unvollkommenheit der Verkehrswege Überfluß
»ud Maugel an Nahrungsmitteln in benachbarten Provinzen dicht neben ein¬
ander bestehen konnten; als Kranke und Hilflose unbeachtet verkamen und
Tausende von Menschen Vorurteile» zum Opfer fielen, welche der Fortschritt
der Kultur seitdem beseitigt hat. Denn auch die Wissenschaften sind Erfolge
des Kapitals, dessen Vorhandensein allein es möglich macht, daß Menschen, ohne
täglich sür ihren leiblichen Unterhalt sorgen zu müssen, sich zur Erforschung
der Wahrheit, zur Wissenschaft ausbilde» und ihr Lebe» derselben widme»
können. Das goldne Zeitalter liegt uicht hinter uus, sondern vor uns; in der
Zukunft leuchtet uns ein Zustand entgegen, worin ein jeder glücklich sein kau»,
insofern wir fortfahren, Überschüsse der Arbeit z» erziele» und statt sie zu ver¬
zehren, zur Weiterführung des Kulturbaues verwenden.
Aber sehen wir weiter! An die bloßen Nießbraucher des allgemeine»
Kapitals schließen sich die Miteigentümer desselben an. Wie groß ist ihre
Zahl? Wer sind sie?
Ehe wir diese Frage beantworten, wird es nützlich sei», »»s zuvor über
be» Begriff des Kapitals noch näher zu verständigen. Wir haben das Kapital
vorläufig als Überschuß des Arbeitserfolges über den Aufwand bezeichnet. Aber
diese Definition bedarf noch einer Erläuterung. Denn uicht alles, was ich durch
meine Arbeit erübrige, ist Kapital, sondern nur dasjenige davon, was zu neuer
Gütererzeugung verwendet wird. Was ich zurücklege, um es später für Nahrungs¬
mittel oder Kleider, zur Anschaffung von HanLgerät, für Reisen, Vergnügungen
»ud ähnliches zu verbrauchen (kvnsumireu), ist uicht Kapital; es ist es uicht,
auch wenn ich meine hierfür bestimmten Überschüsse in Geld verwandelt habe,
um dies Geld später für Verbranchszwecke zu verwenden. Mail kann demnach
Eigentümer sein von reichlichem Hausrat, von Pferden, von baarem Gelde, von
Kuustgegeustäuden, von Parkanlagen u. dergl., ohne um dieses Besitzes willen
den Namen eiues Kapitalisten zu verdienen; denn alle diese Dinge werden dnrch
den Gebrauch mehr oder weniger rasch aufgezehrt, sie dienen der Konsumtion.
Sobald ein solcher Besitzer aber seine Lnxnspferde an einen Rollwägen spannt
und damit Frachtlvhn verdient oder die Erzeugnisse einer Fabrik zu den Ab¬
nehmern befördert, werden diese Pferde Kapital. Ein Klavier in meinem Salon
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