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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Nüssen Aussichten auf Erfolg, so ioird das Vcrhängiiis sich fortan noch rascher
vollziehen als in den letzten zehn Jahrein

Schon vor fast drei Dezennien wurde ans die Gefahr hingewiesen und
empfohlen, ihr in geeigneter Weise vorzubauen. Die dazu erforderlichen Mittel
waren verhältnismäßig nicht bedeutend. Es geschah nichts, und jetzt sind größere
Rüstungen und Ausgaben nötig. Geschähe wieder nichts genügendes, so würden
später noch beträchtlichere Mittel kaum eine erfolgreiche Verteidigung ermöglichen.
Das englische Volk muß endlich erkennen, was unter dem Regimente der Libe¬
ralen verschleiert wurde, daß es mit Rußland in Asien keinerlei Interesse gemein
hat, lind daß es dort niemals zu einer Verständigung zwischen den beiden Mächten
kommen kann, wie in Enropa zwischen Rußland und den Mächten in der Mitte
des Festlandes. Die Engländer haben zu begreifen, daß die Rassen ihnen in
Indien wirklich und allen Ernstes ans Leben wollen, und sich zu überlegen, ob
sie sich die dahin gerichteten Schritte weiter geduldig gefallen lassen dürfe" oder
einen männlichen Entschluß fasse" müssen, sie zu vereiteln, was beiläufig jetzt
schon sehr schwer, aber "och nicht unmöglich sein würde.

Die Kosten, welche Indien den Engländern verursacht, müssen infolgedessen
anch in Zeiten des Friedens wachsen, und das bedeutet entweder Stillstand des
materiellen Fortschrittes oder Steuererhöhung, und die Folge der letztern, Mi߬
stimmung "ut Klage über Druck, gehört natürlich ebenfalls in den Plan der
Russen: el" uuzufriedues Indien kann als ihr Verbündeter, wenigstens nicht
als ein eifriger Gegner betrachtet werden. Der Kredit Indiens steht jetzt
hoch, "ut noch immer wächst die Nachfrage nach seinen Papiere". Aber wen"
schon seit geraumer Zeit die allgemeine Sicherheit des indischen Reiches gefährdet
ist, wenn am nördlichen Horizonte desselben fortwährend neue Wolken aufsteigen
und die Gemüter mit Befürchtungen erfüllen, wird der Kredit der Regierung
Indiens bald heruntergehen und die Nachfrage der privaten Spekulation nach¬
lassen und zuletzt ganz aufhören.

Militärs und Staatsmänner müssen gemeinschaftlich die Frage entscheiden,
ans welche Weise Englands Interessen im südöstlichen Asien am geeignetsten
gegen die vom Zentrum des Weltteils herandringenden Gegner zu schützen sind.
Wenn jene keinen rechte" Rat wisse", so wird niemand helfen können, und eine
Zeit lang sah es in der That so aus. Im Sommer dieses Jahres gelangte
man zu einem Abkommen mit dem Emir von Afghanistan, von dem das Pu¬
blikum nichts bestimmtes erfuhr, das aber im ganzen befriedigend für beide
Teile ausgefallen zu sein scheint. Dasselbe schließt Silbsidie" für Abdurrachman,
deren Betrag unbekannt blieb, und ruhiges Verhalten gegenüber dein kühnen
Marsche der Russen von Merw nach dem Herirnd und dem obern Margab ein,
welcher die Bataillone und Schwadroue" Kvmarows fast bis vor die Außen-
werke Herats brachte "ut ihnen zu einer Stellung verhalf, von der aus sie
binnen Wochenfrist die "ach Maimcne und Vates führenden Straßen schließe"


Nüssen Aussichten auf Erfolg, so ioird das Vcrhängiiis sich fortan noch rascher
vollziehen als in den letzten zehn Jahrein

Schon vor fast drei Dezennien wurde ans die Gefahr hingewiesen und
empfohlen, ihr in geeigneter Weise vorzubauen. Die dazu erforderlichen Mittel
waren verhältnismäßig nicht bedeutend. Es geschah nichts, und jetzt sind größere
Rüstungen und Ausgaben nötig. Geschähe wieder nichts genügendes, so würden
später noch beträchtlichere Mittel kaum eine erfolgreiche Verteidigung ermöglichen.
Das englische Volk muß endlich erkennen, was unter dem Regimente der Libe¬
ralen verschleiert wurde, daß es mit Rußland in Asien keinerlei Interesse gemein
hat, lind daß es dort niemals zu einer Verständigung zwischen den beiden Mächten
kommen kann, wie in Enropa zwischen Rußland und den Mächten in der Mitte
des Festlandes. Die Engländer haben zu begreifen, daß die Rassen ihnen in
Indien wirklich und allen Ernstes ans Leben wollen, und sich zu überlegen, ob
sie sich die dahin gerichteten Schritte weiter geduldig gefallen lassen dürfe» oder
einen männlichen Entschluß fasse» müssen, sie zu vereiteln, was beiläufig jetzt
schon sehr schwer, aber »och nicht unmöglich sein würde.

Die Kosten, welche Indien den Engländern verursacht, müssen infolgedessen
anch in Zeiten des Friedens wachsen, und das bedeutet entweder Stillstand des
materiellen Fortschrittes oder Steuererhöhung, und die Folge der letztern, Mi߬
stimmung »ut Klage über Druck, gehört natürlich ebenfalls in den Plan der
Russen: el» uuzufriedues Indien kann als ihr Verbündeter, wenigstens nicht
als ein eifriger Gegner betrachtet werden. Der Kredit Indiens steht jetzt
hoch, »ut noch immer wächst die Nachfrage nach seinen Papiere». Aber wen»
schon seit geraumer Zeit die allgemeine Sicherheit des indischen Reiches gefährdet
ist, wenn am nördlichen Horizonte desselben fortwährend neue Wolken aufsteigen
und die Gemüter mit Befürchtungen erfüllen, wird der Kredit der Regierung
Indiens bald heruntergehen und die Nachfrage der privaten Spekulation nach¬
lassen und zuletzt ganz aufhören.

Militärs und Staatsmänner müssen gemeinschaftlich die Frage entscheiden,
ans welche Weise Englands Interessen im südöstlichen Asien am geeignetsten
gegen die vom Zentrum des Weltteils herandringenden Gegner zu schützen sind.
Wenn jene keinen rechte» Rat wisse», so wird niemand helfen können, und eine
Zeit lang sah es in der That so aus. Im Sommer dieses Jahres gelangte
man zu einem Abkommen mit dem Emir von Afghanistan, von dem das Pu¬
blikum nichts bestimmtes erfuhr, das aber im ganzen befriedigend für beide
Teile ausgefallen zu sein scheint. Dasselbe schließt Silbsidie» für Abdurrachman,
deren Betrag unbekannt blieb, und ruhiges Verhalten gegenüber dein kühnen
Marsche der Russen von Merw nach dem Herirnd und dem obern Margab ein,
welcher die Bataillone und Schwadroue» Kvmarows fast bis vor die Außen-
werke Herats brachte »ut ihnen zu einer Stellung verhalf, von der aus sie
binnen Wochenfrist die »ach Maimcne und Vates führenden Straßen schließe»


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[0544] Nüssen Aussichten auf Erfolg, so ioird das Vcrhängiiis sich fortan noch rascher vollziehen als in den letzten zehn Jahrein Schon vor fast drei Dezennien wurde ans die Gefahr hingewiesen und empfohlen, ihr in geeigneter Weise vorzubauen. Die dazu erforderlichen Mittel waren verhältnismäßig nicht bedeutend. Es geschah nichts, und jetzt sind größere Rüstungen und Ausgaben nötig. Geschähe wieder nichts genügendes, so würden später noch beträchtlichere Mittel kaum eine erfolgreiche Verteidigung ermöglichen. Das englische Volk muß endlich erkennen, was unter dem Regimente der Libe¬ ralen verschleiert wurde, daß es mit Rußland in Asien keinerlei Interesse gemein hat, lind daß es dort niemals zu einer Verständigung zwischen den beiden Mächten kommen kann, wie in Enropa zwischen Rußland und den Mächten in der Mitte des Festlandes. Die Engländer haben zu begreifen, daß die Rassen ihnen in Indien wirklich und allen Ernstes ans Leben wollen, und sich zu überlegen, ob sie sich die dahin gerichteten Schritte weiter geduldig gefallen lassen dürfe» oder einen männlichen Entschluß fasse» müssen, sie zu vereiteln, was beiläufig jetzt schon sehr schwer, aber »och nicht unmöglich sein würde. Die Kosten, welche Indien den Engländern verursacht, müssen infolgedessen anch in Zeiten des Friedens wachsen, und das bedeutet entweder Stillstand des materiellen Fortschrittes oder Steuererhöhung, und die Folge der letztern, Mi߬ stimmung »ut Klage über Druck, gehört natürlich ebenfalls in den Plan der Russen: el» uuzufriedues Indien kann als ihr Verbündeter, wenigstens nicht als ein eifriger Gegner betrachtet werden. Der Kredit Indiens steht jetzt hoch, »ut noch immer wächst die Nachfrage nach seinen Papiere». Aber wen» schon seit geraumer Zeit die allgemeine Sicherheit des indischen Reiches gefährdet ist, wenn am nördlichen Horizonte desselben fortwährend neue Wolken aufsteigen und die Gemüter mit Befürchtungen erfüllen, wird der Kredit der Regierung Indiens bald heruntergehen und die Nachfrage der privaten Spekulation nach¬ lassen und zuletzt ganz aufhören. Militärs und Staatsmänner müssen gemeinschaftlich die Frage entscheiden, ans welche Weise Englands Interessen im südöstlichen Asien am geeignetsten gegen die vom Zentrum des Weltteils herandringenden Gegner zu schützen sind. Wenn jene keinen rechte» Rat wisse», so wird niemand helfen können, und eine Zeit lang sah es in der That so aus. Im Sommer dieses Jahres gelangte man zu einem Abkommen mit dem Emir von Afghanistan, von dem das Pu¬ blikum nichts bestimmtes erfuhr, das aber im ganzen befriedigend für beide Teile ausgefallen zu sein scheint. Dasselbe schließt Silbsidie» für Abdurrachman, deren Betrag unbekannt blieb, und ruhiges Verhalten gegenüber dein kühnen Marsche der Russen von Merw nach dem Herirnd und dem obern Margab ein, welcher die Bataillone und Schwadroue» Kvmarows fast bis vor die Außen- werke Herats brachte »ut ihnen zu einer Stellung verhalf, von der aus sie binnen Wochenfrist die »ach Maimcne und Vates führenden Straßen schließe»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/544>, abgerufen am 01.09.2024.