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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Zwei fürstliche Frauen des achtzehnten Jahrhunderts,

Eine größere Rolle spielt in den Briefen Eleonorens die Verbindung der
jüngsten Kaisertochter Maria Antonie mit dem Dauphin von Frankreich, Wir
erfahren da, was das spätere unglückliche Schicksal dieser Fürstin in natürlicher
Weise vergessen machen mußte, daß ihr Charakter schon in jener frühen Jugend
die bedenklichsten Blößen aufwies, die jeden Weiterschauenden mit schweren
Sorgen für ihre Zukunft erfüllen mußten. Die Erziehung Maria Antoniens,
die ausschließlich mit Rücksicht auf ihre künftige hohe Stellung eingerichtet
wurde, hätte bei ihrem Hang zum Leichtsinn gerade nach entgegengesetzten Normen
geleitet werden müssen; so aber beschränkte man sich darauf, ihr die geläufige
französische Aussprache und einiges wenige aus der Geschichte und Literatur
beizubringen. Am 21. April 1770 nahm sie Abschied von ihrer Mutter und
ihrer Vaterstadt, um sie niemals wiederzusehen, Eleonore Liechtenstein war von
der Kaiserin eingeladen worden, die Prinzessin zu begleiten, hatte aber die Ein¬
ladung abgelehnt. In den Wiener Kreisen berührte es unangenehm, daß die
Dauphine in Straßburg ihre deutsche Begleitung entließ, ohne ein Wort mit den
Frauen zu sprechen, mit denen sie als Kind gespielt hatte und die ihr in Treue und
Anhänglichkeit gefolgt waren. "Die kleine Person, schrieb damals Eleonore, ist
hier vollständig verdorben worden, indem man ihr immer nur von dem Glanz und
den Festen, welche sie in Frankreich erwarten, erzählt hat." Die schriftliche Am
Weisung, welche Maria Theresia ihrer Tochter mitgab, berührte zunächst nur die
religiösen Pflichten: wenn sie ihr Gebet sprechen, wie oft sie die Messe hören und
wie sie ihre geistliche Lektüre einrichten solle. Aber die Kaiserin fügte noch einige
Regeln über ihr persönliches Verhalten bei, und noch während der Reise schrieb
sie: "Laß dich in kein Gespräch über die Jesuiten ein, weder für noch gegen sie,
du kannst dich ans mich berufen und sagen, daß ich sie hochschätze, daß sie in
meine" Ländern viel gutes geleistet haben, daß ich sie nicht verderben will; wenn
aber der Papst den Orden aufheben will, werde ich kein Hindernis entgegen¬
setzen. Über den Dauphin sage ich nichts, dn kennst meine Zartheit in dieser
Beziehung; das Weib ist in allem dem Manne unterworfen und soll nichts
denken als ihm zu gefallen und seinen Willen zu thun. Das einzig wahre
Glück auf dieser Welt ist eine glückliche Ehe, ich kann davon sprechen. Alles
hängt von der Frau ab, wenn sie gefällig, sanft und unterhaltend ist." Be¬
kanntlich unterhielt Maria Theresia bis an ihr Ende eine geheime Korrespon¬
denz mit Graf Mercy, dem österreichischen Gesandten in Versailles, deren Gegen¬
stand das Leben und Treiben der Tochter war. Als die letztere einst in einem
Briefe ihren Gemahl als 1o x-invro llomrnc- bezeichnete, schrieb die Kaiserin
in prophetischem Geiste an Mercy: "Was für ein Stil, welch eine Denkart!
Das bestätigt meine Befürchtungen nur zu sehr; sie eilt mit Riesenschritten
ihrem Verderbe,? entgegen; ein Glück, wenn sie nur noch die Tugenden ihres
Ranges bewahrt, indes sie sich zu gründe richtet,"

Am bekanntesten ist Eleonore von Liechtenstein durch ihr Verhältnis zu


Zwei fürstliche Frauen des achtzehnten Jahrhunderts,

Eine größere Rolle spielt in den Briefen Eleonorens die Verbindung der
jüngsten Kaisertochter Maria Antonie mit dem Dauphin von Frankreich, Wir
erfahren da, was das spätere unglückliche Schicksal dieser Fürstin in natürlicher
Weise vergessen machen mußte, daß ihr Charakter schon in jener frühen Jugend
die bedenklichsten Blößen aufwies, die jeden Weiterschauenden mit schweren
Sorgen für ihre Zukunft erfüllen mußten. Die Erziehung Maria Antoniens,
die ausschließlich mit Rücksicht auf ihre künftige hohe Stellung eingerichtet
wurde, hätte bei ihrem Hang zum Leichtsinn gerade nach entgegengesetzten Normen
geleitet werden müssen; so aber beschränkte man sich darauf, ihr die geläufige
französische Aussprache und einiges wenige aus der Geschichte und Literatur
beizubringen. Am 21. April 1770 nahm sie Abschied von ihrer Mutter und
ihrer Vaterstadt, um sie niemals wiederzusehen, Eleonore Liechtenstein war von
der Kaiserin eingeladen worden, die Prinzessin zu begleiten, hatte aber die Ein¬
ladung abgelehnt. In den Wiener Kreisen berührte es unangenehm, daß die
Dauphine in Straßburg ihre deutsche Begleitung entließ, ohne ein Wort mit den
Frauen zu sprechen, mit denen sie als Kind gespielt hatte und die ihr in Treue und
Anhänglichkeit gefolgt waren. „Die kleine Person, schrieb damals Eleonore, ist
hier vollständig verdorben worden, indem man ihr immer nur von dem Glanz und
den Festen, welche sie in Frankreich erwarten, erzählt hat." Die schriftliche Am
Weisung, welche Maria Theresia ihrer Tochter mitgab, berührte zunächst nur die
religiösen Pflichten: wenn sie ihr Gebet sprechen, wie oft sie die Messe hören und
wie sie ihre geistliche Lektüre einrichten solle. Aber die Kaiserin fügte noch einige
Regeln über ihr persönliches Verhalten bei, und noch während der Reise schrieb
sie: „Laß dich in kein Gespräch über die Jesuiten ein, weder für noch gegen sie,
du kannst dich ans mich berufen und sagen, daß ich sie hochschätze, daß sie in
meine» Ländern viel gutes geleistet haben, daß ich sie nicht verderben will; wenn
aber der Papst den Orden aufheben will, werde ich kein Hindernis entgegen¬
setzen. Über den Dauphin sage ich nichts, dn kennst meine Zartheit in dieser
Beziehung; das Weib ist in allem dem Manne unterworfen und soll nichts
denken als ihm zu gefallen und seinen Willen zu thun. Das einzig wahre
Glück auf dieser Welt ist eine glückliche Ehe, ich kann davon sprechen. Alles
hängt von der Frau ab, wenn sie gefällig, sanft und unterhaltend ist." Be¬
kanntlich unterhielt Maria Theresia bis an ihr Ende eine geheime Korrespon¬
denz mit Graf Mercy, dem österreichischen Gesandten in Versailles, deren Gegen¬
stand das Leben und Treiben der Tochter war. Als die letztere einst in einem
Briefe ihren Gemahl als 1o x-invro llomrnc- bezeichnete, schrieb die Kaiserin
in prophetischem Geiste an Mercy: „Was für ein Stil, welch eine Denkart!
Das bestätigt meine Befürchtungen nur zu sehr; sie eilt mit Riesenschritten
ihrem Verderbe,? entgegen; ein Glück, wenn sie nur noch die Tugenden ihres
Ranges bewahrt, indes sie sich zu gründe richtet,"

Am bekanntesten ist Eleonore von Liechtenstein durch ihr Verhältnis zu


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[0520] Zwei fürstliche Frauen des achtzehnten Jahrhunderts, Eine größere Rolle spielt in den Briefen Eleonorens die Verbindung der jüngsten Kaisertochter Maria Antonie mit dem Dauphin von Frankreich, Wir erfahren da, was das spätere unglückliche Schicksal dieser Fürstin in natürlicher Weise vergessen machen mußte, daß ihr Charakter schon in jener frühen Jugend die bedenklichsten Blößen aufwies, die jeden Weiterschauenden mit schweren Sorgen für ihre Zukunft erfüllen mußten. Die Erziehung Maria Antoniens, die ausschließlich mit Rücksicht auf ihre künftige hohe Stellung eingerichtet wurde, hätte bei ihrem Hang zum Leichtsinn gerade nach entgegengesetzten Normen geleitet werden müssen; so aber beschränkte man sich darauf, ihr die geläufige französische Aussprache und einiges wenige aus der Geschichte und Literatur beizubringen. Am 21. April 1770 nahm sie Abschied von ihrer Mutter und ihrer Vaterstadt, um sie niemals wiederzusehen, Eleonore Liechtenstein war von der Kaiserin eingeladen worden, die Prinzessin zu begleiten, hatte aber die Ein¬ ladung abgelehnt. In den Wiener Kreisen berührte es unangenehm, daß die Dauphine in Straßburg ihre deutsche Begleitung entließ, ohne ein Wort mit den Frauen zu sprechen, mit denen sie als Kind gespielt hatte und die ihr in Treue und Anhänglichkeit gefolgt waren. „Die kleine Person, schrieb damals Eleonore, ist hier vollständig verdorben worden, indem man ihr immer nur von dem Glanz und den Festen, welche sie in Frankreich erwarten, erzählt hat." Die schriftliche Am Weisung, welche Maria Theresia ihrer Tochter mitgab, berührte zunächst nur die religiösen Pflichten: wenn sie ihr Gebet sprechen, wie oft sie die Messe hören und wie sie ihre geistliche Lektüre einrichten solle. Aber die Kaiserin fügte noch einige Regeln über ihr persönliches Verhalten bei, und noch während der Reise schrieb sie: „Laß dich in kein Gespräch über die Jesuiten ein, weder für noch gegen sie, du kannst dich ans mich berufen und sagen, daß ich sie hochschätze, daß sie in meine» Ländern viel gutes geleistet haben, daß ich sie nicht verderben will; wenn aber der Papst den Orden aufheben will, werde ich kein Hindernis entgegen¬ setzen. Über den Dauphin sage ich nichts, dn kennst meine Zartheit in dieser Beziehung; das Weib ist in allem dem Manne unterworfen und soll nichts denken als ihm zu gefallen und seinen Willen zu thun. Das einzig wahre Glück auf dieser Welt ist eine glückliche Ehe, ich kann davon sprechen. Alles hängt von der Frau ab, wenn sie gefällig, sanft und unterhaltend ist." Be¬ kanntlich unterhielt Maria Theresia bis an ihr Ende eine geheime Korrespon¬ denz mit Graf Mercy, dem österreichischen Gesandten in Versailles, deren Gegen¬ stand das Leben und Treiben der Tochter war. Als die letztere einst in einem Briefe ihren Gemahl als 1o x-invro llomrnc- bezeichnete, schrieb die Kaiserin in prophetischem Geiste an Mercy: „Was für ein Stil, welch eine Denkart! Das bestätigt meine Befürchtungen nur zu sehr; sie eilt mit Riesenschritten ihrem Verderbe,? entgegen; ein Glück, wenn sie nur noch die Tugenden ihres Ranges bewahrt, indes sie sich zu gründe richtet," Am bekanntesten ist Eleonore von Liechtenstein durch ihr Verhältnis zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/520>, abgerufen am 01.09.2024.