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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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ordnungen. Unter anderm bcstimrute sie, daß alle ihre Briefe, mit Ausnahme
derer vom Könige vou Preußen und von der Kaiserin von Nußland, verbrannt
werden sollten. Der Schluß dieses denkwürdigen Aktenstückes kantet: "Nun
bin ich ruhig. Ich empfehle meine Seele Gott. Ich habe niemals absichtlich
jemandem wehe gethan. Ich verzeihe meinen Feinden, wenn ich solche habe, und
den Verrätern. Ich beklage meine Kinder, meine Mutter und meine Freunde;
möge ich in ihrem Andenken fortleben!" Doch sollte die zärtlich geliebte Mutter
der Tochter noch im Tode vorangehen. Sie starb am 25. März während eines
Besuches in Darmstadt; sü"f Tage darauf folgte ihr die Tochter nach. Wenige
Stunden vor ihrem Ende richtete sie noch mit fester Hand folgende Zeilen an
ihren Gemahl, die noch einmal ein vollgiltiges Zeugnis ihrer herrlichen Seele
ablegten: "Teuerster und liebster Gemahl! Die entscheidende Stunde meines
Todes naht, und ich danke Gott, daß er mich nach so vielem Glück in der Welt
noch des Glückes wert hält, sie mir so keine anzukünden. Auf Erden setzt mich
nichts mehr in Unruhe. Meine Seele genießt schon den Vorgeschmack der
Freuden jener Welt. Ich wünsche Ihnen und meinen Kindern ein frohes Leben,
ein ruhiges und seliges Ende. Meine Schatulle wird Ihnen Baron Riedesel
einhändigen. Ich weiß, daß sie in Hände kommt, die sich ebenso gern wie die
meinigen für die Dürftigen öffnen. Aber noch eine" Wunsch habe ich, und
dieser ist der letzte, den ich in die Welt schicke. Lassen Sie mich in dem großen
Bosquet im englischen Garten begraben! Man wird daselbst eine Grotte finden,
die außer mir niemand als ihrem Werkmeister bekannt war. Hierin ist mein
Grab mit einigen Steinen bezeichnet, und ich habe den größten Teil mit meinen
Händen vollendet. Hier, an dem Orte, wo ich oft, von dem Geräusch des
Hofes ferne, meine Seele mit Gott unterhalten habe, dem ich bald für ein
Leben Rechenschaft geben werde, welches ich mit Ihnen geteilt habe, hier, an
dem Orte, wo ich oft Sie und meine Kinder dem Herrn empfohlen habe, hier,
wo Gott alle meine Wünsche gnädigst erhört hat, hier will ich mich ruhen.
Sie, meinen teuersten Gemahl und Herrn, erwartet jenseits des Grabes
in einer bessern Welt Ihre treue Gemahlin, die noch den letzten Laut mit
Ihnen teilt."

"Eine Viertelstunde vor ihrem Ende -- so erzählt Moser in seiner un-
gedruckt gebliebner Leidensgeschichte der Fürstin -- zeigte und erklärte sie mir
ein von der russischen Kaiserin zum Geschenk erhaltenes Kabinet von russischen
Marmorarten. Wir Anwesenden bemerkten in ihrem von innerer Hitze glühenden
Gesicht und Blick bedenkliche Züge, sie nötigte uns gleichwohl, zur Tafel zu
gehen. Kaum saßen wir, so ward ich heimlich abgerufen, ich eilend, die fürst¬
liche Familie hinterdrein -- allein sie war nicht mehr, und stummer, tiefgefühlter
Schmerz machte jede Thräne unmöglich, wir waren wie versteinert." Am
3. April, abends zehn Uhr, erfolgte ihre Beisetzung an dem gewünschten Platze.
Nicht ohne Mühe hatte man denselben ausfindig gemacht. Ein unterirdischer


GrenMm III- 1WS. 58

ordnungen. Unter anderm bcstimrute sie, daß alle ihre Briefe, mit Ausnahme
derer vom Könige vou Preußen und von der Kaiserin von Nußland, verbrannt
werden sollten. Der Schluß dieses denkwürdigen Aktenstückes kantet: „Nun
bin ich ruhig. Ich empfehle meine Seele Gott. Ich habe niemals absichtlich
jemandem wehe gethan. Ich verzeihe meinen Feinden, wenn ich solche habe, und
den Verrätern. Ich beklage meine Kinder, meine Mutter und meine Freunde;
möge ich in ihrem Andenken fortleben!" Doch sollte die zärtlich geliebte Mutter
der Tochter noch im Tode vorangehen. Sie starb am 25. März während eines
Besuches in Darmstadt; sü»f Tage darauf folgte ihr die Tochter nach. Wenige
Stunden vor ihrem Ende richtete sie noch mit fester Hand folgende Zeilen an
ihren Gemahl, die noch einmal ein vollgiltiges Zeugnis ihrer herrlichen Seele
ablegten: „Teuerster und liebster Gemahl! Die entscheidende Stunde meines
Todes naht, und ich danke Gott, daß er mich nach so vielem Glück in der Welt
noch des Glückes wert hält, sie mir so keine anzukünden. Auf Erden setzt mich
nichts mehr in Unruhe. Meine Seele genießt schon den Vorgeschmack der
Freuden jener Welt. Ich wünsche Ihnen und meinen Kindern ein frohes Leben,
ein ruhiges und seliges Ende. Meine Schatulle wird Ihnen Baron Riedesel
einhändigen. Ich weiß, daß sie in Hände kommt, die sich ebenso gern wie die
meinigen für die Dürftigen öffnen. Aber noch eine» Wunsch habe ich, und
dieser ist der letzte, den ich in die Welt schicke. Lassen Sie mich in dem großen
Bosquet im englischen Garten begraben! Man wird daselbst eine Grotte finden,
die außer mir niemand als ihrem Werkmeister bekannt war. Hierin ist mein
Grab mit einigen Steinen bezeichnet, und ich habe den größten Teil mit meinen
Händen vollendet. Hier, an dem Orte, wo ich oft, von dem Geräusch des
Hofes ferne, meine Seele mit Gott unterhalten habe, dem ich bald für ein
Leben Rechenschaft geben werde, welches ich mit Ihnen geteilt habe, hier, an
dem Orte, wo ich oft Sie und meine Kinder dem Herrn empfohlen habe, hier,
wo Gott alle meine Wünsche gnädigst erhört hat, hier will ich mich ruhen.
Sie, meinen teuersten Gemahl und Herrn, erwartet jenseits des Grabes
in einer bessern Welt Ihre treue Gemahlin, die noch den letzten Laut mit
Ihnen teilt."

„Eine Viertelstunde vor ihrem Ende — so erzählt Moser in seiner un-
gedruckt gebliebner Leidensgeschichte der Fürstin — zeigte und erklärte sie mir
ein von der russischen Kaiserin zum Geschenk erhaltenes Kabinet von russischen
Marmorarten. Wir Anwesenden bemerkten in ihrem von innerer Hitze glühenden
Gesicht und Blick bedenkliche Züge, sie nötigte uns gleichwohl, zur Tafel zu
gehen. Kaum saßen wir, so ward ich heimlich abgerufen, ich eilend, die fürst¬
liche Familie hinterdrein — allein sie war nicht mehr, und stummer, tiefgefühlter
Schmerz machte jede Thräne unmöglich, wir waren wie versteinert." Am
3. April, abends zehn Uhr, erfolgte ihre Beisetzung an dem gewünschten Platze.
Nicht ohne Mühe hatte man denselben ausfindig gemacht. Ein unterirdischer


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/465>, abgerufen am 28.07.2024.