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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Zwei fürstliche Frauen dos achtzehnten Jahrhunderts.

daß dir nicht nachgesagt wird, deine Herzensgüte und Sanftmut seien nur
scheinbar gewesen und seien verschwunden, sobald du dich unabhängig gefühlt.
Suche deinen Frauen den Dienst leicht zu machen, daß sie ihren Dienst preisen;
belohne ihren Eifer und jede aufrichtige Anhänglichkeit mit gütiger Behandlung
und mit Vermeidung alles dessen, was einer Übeln Laune zugeschrieben werden
könnte."

In die letzten Lebensjahre der Landgräfin fällt die Vermählung ihrer
dritten Tochter Wilhelmine mit dem Großfürsten-Thronfolger Paul von Rußland.
Auch bei dieser Verbindung hatte Friedrich der Große seine Hand im Spiele
gehabt. Zu Anfang des Jahres 1773 lud die Kaiserin Katharina die Landgräfin
ein, mit ihren drei noch unverheirateten Töchtern nach Se. Petersburg zu kommen.
Die Einladung rief die verschiedenartigsten Empfindungen bei der Landgräfin
wach. Auf der einen Seite lockte die glänzende Aussicht, ihre Tochter auf dem
glänzendsten Throne Europas zu sehen; auf der andern Seite tauchte die Be¬
sorgnis auf, es könnte am Ende keine der Prinzessinnen Gnade vor den Augen
der Zarin finden. Dazu schien ihre geschwächte Gesundheit den Anstrengungen
einer solchen weiten Reise nicht mehr gewachsen zu sein. Nur mit Mühe gelang
es endlich dem Zureden ihres großen Freundes in Sanssouci, alle erhobnen
Bedenken niederzuschlagen. Am 3. Mai 1773 wurde die Reise angetreten. Nach
einem sechzehntägigen Aufenthalte am Potsdamer Hofe schiffte sich die Reise¬
gesellschaft am 8. Juni in Travemünde zur Überfahrt nach Reval ein. Von hier
aus wurde der Weg zu Wagen fortgesetzt. In Gatschina, dem reizenden Landsitze
des Grafen Orlow, erwartete die Landgräfin eine große Überraschung. Bei der
Ankunft erbat der Graf, während er seinen Gast zu seinen Gemächern geleitete,
für eine Dame um die Erlaubnis, ihr Gesellschaft leisten zu dürfen. Wie groß
war das Staunen Karolinens, als ihr unter dieser Maske die Kaiserin selbst
entgegentrat! Aus den Briefen der Landgräfin an ihre Mutter ersehen wir,
daß die beiden großen Frauen schon in den ersten Augenblicken ihrer Begegnung
sich lebhaft zu einander hingezogen fühlten. Mutter und Sohn hatten sich bald
für Wilhelmine entschieden. "Gott gebe dazu seinen Segen -- schrieb die Land¬
gräfin unterm 29. Juni an ihre Mutter --, möge es sein Wille sein, daß das
Bündnis zu seiner Ehre, zum Glücke von fünfundzwanzig Millionen Menschen und
des Prinzen, der Kaiserin und meiner Tochter sich vollziehe! Mehrere Herren
haben zu Riedesel gesagt, es thue ihnen leid, daß sie nicht drei Großfürsten hätten,
um alle meine Töchter hier behalten zu können."

Gleich nach der Trauung reiste die Landgräfin nach Deutschland zurück.
Leider sollte diese Rückreise die Ursache ihres frühen Todes .werden. Eine
heftige Erkältung, von der sie in Riga befallen worden war und die auch der
sorgsamsten Pflege der Tochter in Potsdam uicht weichen wollte, steigerte ein
schon länger vorhandnes Leiden zu einem das Leben gefährdenden Grade. Am
27. Januar 1774 traf sie im Vorgefühl ihres nahen Todes ihre letzten An-


Zwei fürstliche Frauen dos achtzehnten Jahrhunderts.

daß dir nicht nachgesagt wird, deine Herzensgüte und Sanftmut seien nur
scheinbar gewesen und seien verschwunden, sobald du dich unabhängig gefühlt.
Suche deinen Frauen den Dienst leicht zu machen, daß sie ihren Dienst preisen;
belohne ihren Eifer und jede aufrichtige Anhänglichkeit mit gütiger Behandlung
und mit Vermeidung alles dessen, was einer Übeln Laune zugeschrieben werden
könnte."

In die letzten Lebensjahre der Landgräfin fällt die Vermählung ihrer
dritten Tochter Wilhelmine mit dem Großfürsten-Thronfolger Paul von Rußland.
Auch bei dieser Verbindung hatte Friedrich der Große seine Hand im Spiele
gehabt. Zu Anfang des Jahres 1773 lud die Kaiserin Katharina die Landgräfin
ein, mit ihren drei noch unverheirateten Töchtern nach Se. Petersburg zu kommen.
Die Einladung rief die verschiedenartigsten Empfindungen bei der Landgräfin
wach. Auf der einen Seite lockte die glänzende Aussicht, ihre Tochter auf dem
glänzendsten Throne Europas zu sehen; auf der andern Seite tauchte die Be¬
sorgnis auf, es könnte am Ende keine der Prinzessinnen Gnade vor den Augen
der Zarin finden. Dazu schien ihre geschwächte Gesundheit den Anstrengungen
einer solchen weiten Reise nicht mehr gewachsen zu sein. Nur mit Mühe gelang
es endlich dem Zureden ihres großen Freundes in Sanssouci, alle erhobnen
Bedenken niederzuschlagen. Am 3. Mai 1773 wurde die Reise angetreten. Nach
einem sechzehntägigen Aufenthalte am Potsdamer Hofe schiffte sich die Reise¬
gesellschaft am 8. Juni in Travemünde zur Überfahrt nach Reval ein. Von hier
aus wurde der Weg zu Wagen fortgesetzt. In Gatschina, dem reizenden Landsitze
des Grafen Orlow, erwartete die Landgräfin eine große Überraschung. Bei der
Ankunft erbat der Graf, während er seinen Gast zu seinen Gemächern geleitete,
für eine Dame um die Erlaubnis, ihr Gesellschaft leisten zu dürfen. Wie groß
war das Staunen Karolinens, als ihr unter dieser Maske die Kaiserin selbst
entgegentrat! Aus den Briefen der Landgräfin an ihre Mutter ersehen wir,
daß die beiden großen Frauen schon in den ersten Augenblicken ihrer Begegnung
sich lebhaft zu einander hingezogen fühlten. Mutter und Sohn hatten sich bald
für Wilhelmine entschieden. „Gott gebe dazu seinen Segen — schrieb die Land¬
gräfin unterm 29. Juni an ihre Mutter —, möge es sein Wille sein, daß das
Bündnis zu seiner Ehre, zum Glücke von fünfundzwanzig Millionen Menschen und
des Prinzen, der Kaiserin und meiner Tochter sich vollziehe! Mehrere Herren
haben zu Riedesel gesagt, es thue ihnen leid, daß sie nicht drei Großfürsten hätten,
um alle meine Töchter hier behalten zu können."

Gleich nach der Trauung reiste die Landgräfin nach Deutschland zurück.
Leider sollte diese Rückreise die Ursache ihres frühen Todes .werden. Eine
heftige Erkältung, von der sie in Riga befallen worden war und die auch der
sorgsamsten Pflege der Tochter in Potsdam uicht weichen wollte, steigerte ein
schon länger vorhandnes Leiden zu einem das Leben gefährdenden Grade. Am
27. Januar 1774 traf sie im Vorgefühl ihres nahen Todes ihre letzten An-


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[0464] Zwei fürstliche Frauen dos achtzehnten Jahrhunderts. daß dir nicht nachgesagt wird, deine Herzensgüte und Sanftmut seien nur scheinbar gewesen und seien verschwunden, sobald du dich unabhängig gefühlt. Suche deinen Frauen den Dienst leicht zu machen, daß sie ihren Dienst preisen; belohne ihren Eifer und jede aufrichtige Anhänglichkeit mit gütiger Behandlung und mit Vermeidung alles dessen, was einer Übeln Laune zugeschrieben werden könnte." In die letzten Lebensjahre der Landgräfin fällt die Vermählung ihrer dritten Tochter Wilhelmine mit dem Großfürsten-Thronfolger Paul von Rußland. Auch bei dieser Verbindung hatte Friedrich der Große seine Hand im Spiele gehabt. Zu Anfang des Jahres 1773 lud die Kaiserin Katharina die Landgräfin ein, mit ihren drei noch unverheirateten Töchtern nach Se. Petersburg zu kommen. Die Einladung rief die verschiedenartigsten Empfindungen bei der Landgräfin wach. Auf der einen Seite lockte die glänzende Aussicht, ihre Tochter auf dem glänzendsten Throne Europas zu sehen; auf der andern Seite tauchte die Be¬ sorgnis auf, es könnte am Ende keine der Prinzessinnen Gnade vor den Augen der Zarin finden. Dazu schien ihre geschwächte Gesundheit den Anstrengungen einer solchen weiten Reise nicht mehr gewachsen zu sein. Nur mit Mühe gelang es endlich dem Zureden ihres großen Freundes in Sanssouci, alle erhobnen Bedenken niederzuschlagen. Am 3. Mai 1773 wurde die Reise angetreten. Nach einem sechzehntägigen Aufenthalte am Potsdamer Hofe schiffte sich die Reise¬ gesellschaft am 8. Juni in Travemünde zur Überfahrt nach Reval ein. Von hier aus wurde der Weg zu Wagen fortgesetzt. In Gatschina, dem reizenden Landsitze des Grafen Orlow, erwartete die Landgräfin eine große Überraschung. Bei der Ankunft erbat der Graf, während er seinen Gast zu seinen Gemächern geleitete, für eine Dame um die Erlaubnis, ihr Gesellschaft leisten zu dürfen. Wie groß war das Staunen Karolinens, als ihr unter dieser Maske die Kaiserin selbst entgegentrat! Aus den Briefen der Landgräfin an ihre Mutter ersehen wir, daß die beiden großen Frauen schon in den ersten Augenblicken ihrer Begegnung sich lebhaft zu einander hingezogen fühlten. Mutter und Sohn hatten sich bald für Wilhelmine entschieden. „Gott gebe dazu seinen Segen — schrieb die Land¬ gräfin unterm 29. Juni an ihre Mutter —, möge es sein Wille sein, daß das Bündnis zu seiner Ehre, zum Glücke von fünfundzwanzig Millionen Menschen und des Prinzen, der Kaiserin und meiner Tochter sich vollziehe! Mehrere Herren haben zu Riedesel gesagt, es thue ihnen leid, daß sie nicht drei Großfürsten hätten, um alle meine Töchter hier behalten zu können." Gleich nach der Trauung reiste die Landgräfin nach Deutschland zurück. Leider sollte diese Rückreise die Ursache ihres frühen Todes .werden. Eine heftige Erkältung, von der sie in Riga befallen worden war und die auch der sorgsamsten Pflege der Tochter in Potsdam uicht weichen wollte, steigerte ein schon länger vorhandnes Leiden zu einem das Leben gefährdenden Grade. Am 27. Januar 1774 traf sie im Vorgefühl ihres nahen Todes ihre letzten An-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/464>, abgerufen am 28.07.2024.