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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Zwei fürstliche Frauen des achtzehnten Jahrhunderts.

großer Liebhaber des Militär- und Soldatenwesens war, nicht lange in dem
ehelichen Stillleben. Er trat daher in französische Kriegsdienste und machte an
der Spitze seines Regiments den Feldzug zwischen Frankreich und Österreich in
Böhmen mit. Bei dem furchtbaren Rückzüge von Prag entkam er nur durch
ein Wunder dem Erfrierungstode. Vielleicht diese Mißerfolge, verbunden mit
dem sehnlicher Wunsche, eignes Militär halten zu können, veranlaßten ihn bald
darauf, seine Entlassung aus dem fremden Dienste zu nehmen und mit allem
Eifer an die Organisirung einer kleinen Landesarmee zu gehen. Mit welcher
Genugthuung seine Gemahlin diesen Entschluß begrüßte, geht deutlich aus einem
an ihre Schwägerin Karoline von Baden gerichteten Briefe vom 26. Juni 1743
hervor. "Mit welcher Freude -- schreibt sie -- werde ich den Erbprinzen die
weiße Kokarde ablegen sehen, sobald sich dies thun läßt; allein ich kann es nicht
wünschen vor dem Schlüsse des Feldzuges, er ist Prinz von Hessen, und die
Ehre ist ihm teuer."

Zum Schauplatz seiner militärischen Liebhaberei wählte sich der Erbprinz
den in der heutigen bairischen Pfalz gelegnen Ort Pirmasens. Da derselbe für
eine fürstliche Hofhaltung in keiner Weise genügenden Raum bot, so entschlossen
sich die Gatten zu eiuer zeitweiligen Trennung. Die Erbprinzessin blieb in
Buxweiler, der Erbprinz siedelte nach Pirmasens über. Karolinens einziger
Umgang in dem stillen Landstädtchen war eine Gesellschaftsdame; eine angenehme
Abwechslung boten die gegenseitigen Besuche der Mutter und Geschwister. Einen
besondern Gefallen fand die Prinzessin in dem zwanglosen Umherschwärmen in
der auch von Goethe mit lebhaften Farben geschilderten reizenden Umgebung
des Städtchens. Daneben bot die Beschäftigung mit der französischen und der
deutschen Tagesliteratur und die Pflege der Musik den edelsten Genuß.

Ganz anders war die Lebensweise des Erbprinzen. Die Verschiedenheit
zwischen ihm und der Prinzessin trat schon in dem landschaftlichen Charakter
der neuen Residenz deutlich hervor. Pirmasens liegt 1240 Fuß über dem Meere
am AbHange des Berges Horeb. Bis auf die Zeit des Großvaters des Erb¬
prinzen hatte hier nur ein ärmliches Köhlerdorf gestanden. Der Großvater
hatte sodann wegen des Wildreichtums der Gegend ein Jagdhaus gebaut, das
aber nur für einen vorübergehenden Aufenthalt eingerichtet war. Als der
Erbprinz seine Residenz hierher verlegte, bestanden nur 34 Häuser; durch die
ihm gewordne Begünstigung war der Ort bis zum Jahre 1789 so empor¬
gekommen, daß er 450 Häuser und mehr als 6800 Einwohner zählte.

Man kann sich nicht leicht etwas Eigenartigeres vorstellen als diesen Ort
und das in ihm herrschende Treiben während der zweiten Hälfte des vorigen
Jahrhunderts. Die Soldatenspielerei, welche zur damaligen Zeit an den meisten
großen Höfen Europas Modesache war, war hier in dem winzigen Ländchen
zur Karikatur geworden. In der Mitte der Stadt erhob sich das Residenz-
schloß. in dem der Erbprinz in einem Zimmer wohnte, dessen Leinwandtapeten


Zwei fürstliche Frauen des achtzehnten Jahrhunderts.

großer Liebhaber des Militär- und Soldatenwesens war, nicht lange in dem
ehelichen Stillleben. Er trat daher in französische Kriegsdienste und machte an
der Spitze seines Regiments den Feldzug zwischen Frankreich und Österreich in
Böhmen mit. Bei dem furchtbaren Rückzüge von Prag entkam er nur durch
ein Wunder dem Erfrierungstode. Vielleicht diese Mißerfolge, verbunden mit
dem sehnlicher Wunsche, eignes Militär halten zu können, veranlaßten ihn bald
darauf, seine Entlassung aus dem fremden Dienste zu nehmen und mit allem
Eifer an die Organisirung einer kleinen Landesarmee zu gehen. Mit welcher
Genugthuung seine Gemahlin diesen Entschluß begrüßte, geht deutlich aus einem
an ihre Schwägerin Karoline von Baden gerichteten Briefe vom 26. Juni 1743
hervor. „Mit welcher Freude — schreibt sie — werde ich den Erbprinzen die
weiße Kokarde ablegen sehen, sobald sich dies thun läßt; allein ich kann es nicht
wünschen vor dem Schlüsse des Feldzuges, er ist Prinz von Hessen, und die
Ehre ist ihm teuer."

Zum Schauplatz seiner militärischen Liebhaberei wählte sich der Erbprinz
den in der heutigen bairischen Pfalz gelegnen Ort Pirmasens. Da derselbe für
eine fürstliche Hofhaltung in keiner Weise genügenden Raum bot, so entschlossen
sich die Gatten zu eiuer zeitweiligen Trennung. Die Erbprinzessin blieb in
Buxweiler, der Erbprinz siedelte nach Pirmasens über. Karolinens einziger
Umgang in dem stillen Landstädtchen war eine Gesellschaftsdame; eine angenehme
Abwechslung boten die gegenseitigen Besuche der Mutter und Geschwister. Einen
besondern Gefallen fand die Prinzessin in dem zwanglosen Umherschwärmen in
der auch von Goethe mit lebhaften Farben geschilderten reizenden Umgebung
des Städtchens. Daneben bot die Beschäftigung mit der französischen und der
deutschen Tagesliteratur und die Pflege der Musik den edelsten Genuß.

Ganz anders war die Lebensweise des Erbprinzen. Die Verschiedenheit
zwischen ihm und der Prinzessin trat schon in dem landschaftlichen Charakter
der neuen Residenz deutlich hervor. Pirmasens liegt 1240 Fuß über dem Meere
am AbHange des Berges Horeb. Bis auf die Zeit des Großvaters des Erb¬
prinzen hatte hier nur ein ärmliches Köhlerdorf gestanden. Der Großvater
hatte sodann wegen des Wildreichtums der Gegend ein Jagdhaus gebaut, das
aber nur für einen vorübergehenden Aufenthalt eingerichtet war. Als der
Erbprinz seine Residenz hierher verlegte, bestanden nur 34 Häuser; durch die
ihm gewordne Begünstigung war der Ort bis zum Jahre 1789 so empor¬
gekommen, daß er 450 Häuser und mehr als 6800 Einwohner zählte.

Man kann sich nicht leicht etwas Eigenartigeres vorstellen als diesen Ort
und das in ihm herrschende Treiben während der zweiten Hälfte des vorigen
Jahrhunderts. Die Soldatenspielerei, welche zur damaligen Zeit an den meisten
großen Höfen Europas Modesache war, war hier in dem winzigen Ländchen
zur Karikatur geworden. In der Mitte der Stadt erhob sich das Residenz-
schloß. in dem der Erbprinz in einem Zimmer wohnte, dessen Leinwandtapeten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/458>, abgerufen am 25.11.2024.