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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Die Karolineninseln.

und in den Zeitungsbureaus. Die Karolinenfrage bot den republikanischen und
andern oppositionellen Parteiführern Gelegenheit, ihr Gewerbe zu betreiben und
ihre Versuche, das konservative Kabinet zu erschüttern und zu stürzen, die in
den Cortes mißlungen waren, wieder aufzunehmen. Eine so gute Gelegenheit
wie hier, die Mehrheit der Nation hinter eine Anklage gegen das Ministerium
zu bringen und sich mit dem Nimbus des Patriotismus zu umgeben, fand sich
nicht sobald wieder, und so beeilten sich die Herren, unter denen sich der General
Salamanca und die Exminister Marios und Vecerra befanden, sie auszubeuten.
Die Regierung scheint dem gegenüber nicht gleich den rechten Weg gefunden zu
indem. Zuletzt aber griff sie energisch gegen die Spektakelmacher ein. Ver-
schiedne Offiziere, die sich an dem Geschrei und Geschimpfe gegen die Deutsche"
beteiligt hatten, bekamen ihren Abschied, sieben Hetzblätter wurden mit Beschlag
belegt, das Militärkasino, wo der Hauptschauplatz der Kundgebungen gewesen
war, wurde geschlossen, die Behörden erhielten vom Ministerpräsidenten Canovas
del Castillo den Befehl, ähnliche Auftritte zu verhindern, und anderseits empfing
der spanische Gesandte in Berlin die Weisung, hier in der Angelegenheit Vor¬
stellungen zu machen, welche der Art gewesen sein müssen, daß die deutsche Ne¬
gierung in einigermaßen entgegenkommender Weise darauf antworten konnte.
Am 24. August sandte Benomar, der Berliner Vertreter Spaniens, an den
Minister des Auswärtigen in Madrid folgende Depesche ab: "Der Minister der
auswärtigen Angelegenheiten teilt mir nachstehendes mit: Als die Regierung
Sr. Majestät des Kaisers einwilligte, dem wiederholten Ansuchen deutscher Unter¬
thanen, welche auf den Karolineninseln Handel treiben, Folge zu geben und die
Schutzherrschaft über diese Inselgruppe aufzurichten, hatte sie keineswegs die
Absicht, in ältere Rechte einzugreifen. Auf Grund der Urkunden, welche die
deutsche Regierung gesammelt hat, glaubt sie, daß die Karolineninseln unbesetztes
Gebiet sind, deshalb hat sie den erwähnten Entschluß gefaßt und versteht nicht,
daß Spanien darin ein gegen seine Unabhängigkeit gerichtetes Vorgehen erblickt
hat. Um ein Übriges zu thun und selbst den Schein einer solchen Absicht vor¬
zubeugen, hatte die deutsche Regierung die spanische von ihrem Vorhaben in
Kenntnis gesetzt, ehe sie die deutsche Flagge auf den Karolinen aufpflanzen ließ.
Zugleich hatte sie angeboten, die Frage zu prüfen, und den deutscheu Kriegs¬
schiffen den Befehl erteilt, jedem Zusammenstoße mit den spanischen Streitkräften
aus dein Wege zu gehen. Die Regierung ist noch immer durchaus geneigt,
die Ansprüche, welche Spanien erhebt, zu prüfen und an diese Prüfung mit den
freundschaftlichen Gesinnungen zu gehen, welche sie den guten Beziehungen
schuldet, die stets zwischen den beiden Mächten bestanden haben und die sie
lebhaft zu stärken und enger zu knüpfen wünscht. Falls jene Prüfung nicht
auf Grund gegenseitiger Verständigung zu einem befriedigenden Ergebnisse führen
sollte, ist die deutsche Regierung geneigt, die Vermittlung einer mit beiden Ländern
befreundeten Macht anzunehmen."


Die Karolineninseln.

und in den Zeitungsbureaus. Die Karolinenfrage bot den republikanischen und
andern oppositionellen Parteiführern Gelegenheit, ihr Gewerbe zu betreiben und
ihre Versuche, das konservative Kabinet zu erschüttern und zu stürzen, die in
den Cortes mißlungen waren, wieder aufzunehmen. Eine so gute Gelegenheit
wie hier, die Mehrheit der Nation hinter eine Anklage gegen das Ministerium
zu bringen und sich mit dem Nimbus des Patriotismus zu umgeben, fand sich
nicht sobald wieder, und so beeilten sich die Herren, unter denen sich der General
Salamanca und die Exminister Marios und Vecerra befanden, sie auszubeuten.
Die Regierung scheint dem gegenüber nicht gleich den rechten Weg gefunden zu
indem. Zuletzt aber griff sie energisch gegen die Spektakelmacher ein. Ver-
schiedne Offiziere, die sich an dem Geschrei und Geschimpfe gegen die Deutsche»
beteiligt hatten, bekamen ihren Abschied, sieben Hetzblätter wurden mit Beschlag
belegt, das Militärkasino, wo der Hauptschauplatz der Kundgebungen gewesen
war, wurde geschlossen, die Behörden erhielten vom Ministerpräsidenten Canovas
del Castillo den Befehl, ähnliche Auftritte zu verhindern, und anderseits empfing
der spanische Gesandte in Berlin die Weisung, hier in der Angelegenheit Vor¬
stellungen zu machen, welche der Art gewesen sein müssen, daß die deutsche Ne¬
gierung in einigermaßen entgegenkommender Weise darauf antworten konnte.
Am 24. August sandte Benomar, der Berliner Vertreter Spaniens, an den
Minister des Auswärtigen in Madrid folgende Depesche ab: „Der Minister der
auswärtigen Angelegenheiten teilt mir nachstehendes mit: Als die Regierung
Sr. Majestät des Kaisers einwilligte, dem wiederholten Ansuchen deutscher Unter¬
thanen, welche auf den Karolineninseln Handel treiben, Folge zu geben und die
Schutzherrschaft über diese Inselgruppe aufzurichten, hatte sie keineswegs die
Absicht, in ältere Rechte einzugreifen. Auf Grund der Urkunden, welche die
deutsche Regierung gesammelt hat, glaubt sie, daß die Karolineninseln unbesetztes
Gebiet sind, deshalb hat sie den erwähnten Entschluß gefaßt und versteht nicht,
daß Spanien darin ein gegen seine Unabhängigkeit gerichtetes Vorgehen erblickt
hat. Um ein Übriges zu thun und selbst den Schein einer solchen Absicht vor¬
zubeugen, hatte die deutsche Regierung die spanische von ihrem Vorhaben in
Kenntnis gesetzt, ehe sie die deutsche Flagge auf den Karolinen aufpflanzen ließ.
Zugleich hatte sie angeboten, die Frage zu prüfen, und den deutscheu Kriegs¬
schiffen den Befehl erteilt, jedem Zusammenstoße mit den spanischen Streitkräften
aus dein Wege zu gehen. Die Regierung ist noch immer durchaus geneigt,
die Ansprüche, welche Spanien erhebt, zu prüfen und an diese Prüfung mit den
freundschaftlichen Gesinnungen zu gehen, welche sie den guten Beziehungen
schuldet, die stets zwischen den beiden Mächten bestanden haben und die sie
lebhaft zu stärken und enger zu knüpfen wünscht. Falls jene Prüfung nicht
auf Grund gegenseitiger Verständigung zu einem befriedigenden Ergebnisse führen
sollte, ist die deutsche Regierung geneigt, die Vermittlung einer mit beiden Ländern
befreundeten Macht anzunehmen."


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/451>, abgerufen am 27.07.2024.