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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Die Handwerkerbewcgmig und ihr mögliches Ziel.

Geschicke müssen sich erfüllen, und in unsrer Zeit erfüllen sie sich sehr schnell.
Auch die Handwerker werden, wollen sie überhaupt das Handwerk als solches
gerettet und die Welt vor den Konsequenzen der kapitalistisch-grvßiudnstricllcu
Vetriebsform bewahrt sehen, die Geschichte von den sibyllinischen Büchern an
sich erleben müssen. Je länger sie zögern, sich dieses einzigen vorhandnen Mittels
zu bedienen, desto geringer wird ihre Kraft, und desto furchtbarer wird der zu
überwindende Feind. Und schließlich wird man einen viel höher" Preis für ein
viel geringeres Gut, als heute noch für niedrigern Preis zu erlangen wäre,
doch zahlen müssen! Je länger man wartet, desto mehr werden die Handwerker
zu gunsten der künftigen Jnmmgsgenossenschaftcn von ihrer Selbständigkeit opfern
müssen!

Man wird uns entgegenhalten, bei Ausführung dieser Idee werde ja der
Strom des Sozialismus unaufhaltsam in unser wirtschaftliches und soziales
Leben hereinflutcn. Ja was ist da zu machen? Soweit die weitere Entwicklung
sozialistischer Gesichtspunkte eine notwendige Erscheinung unsrer voraussichtlichen
wirtschaftlichen und sozialen Zukunft ist oder sein muß, wird man an der Sache
dadurch nichts ändern, daß man alles ans sie Hinzielende sorgfältig hintanhält.
Gewiß, unsre Jnunngsgenvssenschaft würde sich in ihren letzten Konsequenzen
zur reinen Produktivgeuvssenschaft gestalten, nur mit dem Unterschiede, daß es
eine Genossenschaft von Meistern und selbständigen Bürgern, daß sie also mo¬
ralisch möglich wäre. Über die Frage, ob nicht in der That eine Zunahme
sozialistischer Ideen ebenso unverkennbar wie unaufhaltsam sich vollzieht, ließe
sich viel reden; wir behalten uns dies für ein andermal vor. Für diesmal
nur noch zweierlei. Fürs erste, daß auch die ausgeprägteste Jnnungsgeuvssen-
schaft an dem Besitze der Mitglieder nichts ändern, sondern immer höchstens
ihren Privaterwerb treffen würde. Fürs zweite, daß die sozialen Stürme des
künftigen Kapitalismnsstacites oder die verzweifelten Versuche, mit Polizeima߬
regeln die wirtschaftliche Entwicklung in unmöglich gewordne Bahnen Pressen zu
wollen, uns um nichts verlockender, wohl aber um sehr viel weniger hoffnungs¬
voll erscheinen als der Gedanke der Jnnnngsgenossenschaften.

Wie dieselben sich entwickeln würden, wie die Keime zu ihnen zu legen
wären, und welche gesetzgeberische Maßregeln für sie getroffen werden könnten
und müßten, darüber gleichfalls ein andermal.




Die Handwerkerbewcgmig und ihr mögliches Ziel.

Geschicke müssen sich erfüllen, und in unsrer Zeit erfüllen sie sich sehr schnell.
Auch die Handwerker werden, wollen sie überhaupt das Handwerk als solches
gerettet und die Welt vor den Konsequenzen der kapitalistisch-grvßiudnstricllcu
Vetriebsform bewahrt sehen, die Geschichte von den sibyllinischen Büchern an
sich erleben müssen. Je länger sie zögern, sich dieses einzigen vorhandnen Mittels
zu bedienen, desto geringer wird ihre Kraft, und desto furchtbarer wird der zu
überwindende Feind. Und schließlich wird man einen viel höher» Preis für ein
viel geringeres Gut, als heute noch für niedrigern Preis zu erlangen wäre,
doch zahlen müssen! Je länger man wartet, desto mehr werden die Handwerker
zu gunsten der künftigen Jnmmgsgenossenschaftcn von ihrer Selbständigkeit opfern
müssen!

Man wird uns entgegenhalten, bei Ausführung dieser Idee werde ja der
Strom des Sozialismus unaufhaltsam in unser wirtschaftliches und soziales
Leben hereinflutcn. Ja was ist da zu machen? Soweit die weitere Entwicklung
sozialistischer Gesichtspunkte eine notwendige Erscheinung unsrer voraussichtlichen
wirtschaftlichen und sozialen Zukunft ist oder sein muß, wird man an der Sache
dadurch nichts ändern, daß man alles ans sie Hinzielende sorgfältig hintanhält.
Gewiß, unsre Jnunngsgenvssenschaft würde sich in ihren letzten Konsequenzen
zur reinen Produktivgeuvssenschaft gestalten, nur mit dem Unterschiede, daß es
eine Genossenschaft von Meistern und selbständigen Bürgern, daß sie also mo¬
ralisch möglich wäre. Über die Frage, ob nicht in der That eine Zunahme
sozialistischer Ideen ebenso unverkennbar wie unaufhaltsam sich vollzieht, ließe
sich viel reden; wir behalten uns dies für ein andermal vor. Für diesmal
nur noch zweierlei. Fürs erste, daß auch die ausgeprägteste Jnnungsgeuvssen-
schaft an dem Besitze der Mitglieder nichts ändern, sondern immer höchstens
ihren Privaterwerb treffen würde. Fürs zweite, daß die sozialen Stürme des
künftigen Kapitalismnsstacites oder die verzweifelten Versuche, mit Polizeima߬
regeln die wirtschaftliche Entwicklung in unmöglich gewordne Bahnen Pressen zu
wollen, uns um nichts verlockender, wohl aber um sehr viel weniger hoffnungs¬
voll erscheinen als der Gedanke der Jnnnngsgenossenschaften.

Wie dieselben sich entwickeln würden, wie die Keime zu ihnen zu legen
wären, und welche gesetzgeberische Maßregeln für sie getroffen werden könnten
und müßten, darüber gleichfalls ein andermal.




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[0411] Die Handwerkerbewcgmig und ihr mögliches Ziel. Geschicke müssen sich erfüllen, und in unsrer Zeit erfüllen sie sich sehr schnell. Auch die Handwerker werden, wollen sie überhaupt das Handwerk als solches gerettet und die Welt vor den Konsequenzen der kapitalistisch-grvßiudnstricllcu Vetriebsform bewahrt sehen, die Geschichte von den sibyllinischen Büchern an sich erleben müssen. Je länger sie zögern, sich dieses einzigen vorhandnen Mittels zu bedienen, desto geringer wird ihre Kraft, und desto furchtbarer wird der zu überwindende Feind. Und schließlich wird man einen viel höher» Preis für ein viel geringeres Gut, als heute noch für niedrigern Preis zu erlangen wäre, doch zahlen müssen! Je länger man wartet, desto mehr werden die Handwerker zu gunsten der künftigen Jnmmgsgenossenschaftcn von ihrer Selbständigkeit opfern müssen! Man wird uns entgegenhalten, bei Ausführung dieser Idee werde ja der Strom des Sozialismus unaufhaltsam in unser wirtschaftliches und soziales Leben hereinflutcn. Ja was ist da zu machen? Soweit die weitere Entwicklung sozialistischer Gesichtspunkte eine notwendige Erscheinung unsrer voraussichtlichen wirtschaftlichen und sozialen Zukunft ist oder sein muß, wird man an der Sache dadurch nichts ändern, daß man alles ans sie Hinzielende sorgfältig hintanhält. Gewiß, unsre Jnunngsgenvssenschaft würde sich in ihren letzten Konsequenzen zur reinen Produktivgeuvssenschaft gestalten, nur mit dem Unterschiede, daß es eine Genossenschaft von Meistern und selbständigen Bürgern, daß sie also mo¬ ralisch möglich wäre. Über die Frage, ob nicht in der That eine Zunahme sozialistischer Ideen ebenso unverkennbar wie unaufhaltsam sich vollzieht, ließe sich viel reden; wir behalten uns dies für ein andermal vor. Für diesmal nur noch zweierlei. Fürs erste, daß auch die ausgeprägteste Jnnungsgeuvssen- schaft an dem Besitze der Mitglieder nichts ändern, sondern immer höchstens ihren Privaterwerb treffen würde. Fürs zweite, daß die sozialen Stürme des künftigen Kapitalismnsstacites oder die verzweifelten Versuche, mit Polizeima߬ regeln die wirtschaftliche Entwicklung in unmöglich gewordne Bahnen Pressen zu wollen, uns um nichts verlockender, wohl aber um sehr viel weniger hoffnungs¬ voll erscheinen als der Gedanke der Jnnnngsgenossenschaften. Wie dieselben sich entwickeln würden, wie die Keime zu ihnen zu legen wären, und welche gesetzgeberische Maßregeln für sie getroffen werden könnten und müßten, darüber gleichfalls ein andermal.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/411>, abgerufen am 25.11.2024.