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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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der Gießerei vertauscht, und die zahlreichen Nebenfiguren werden in kürzester
Zeit ebenfalls die Werkstatt der Bildhauer verlassen.

Es ist aber auch in der That hohe Zeit, daß wir ein Maria-Theresia-
Deukmal bekommen. An Persönlichkeiten, die sich um den österreichischen Staat
verdient gemacht haben, wird man in Wien am seltensten erinnert: die Statue
Josefs II. hat schou Kaiser Franz im Jahre 1808 setzen lassen, die beiden
Reiterstandbilder vor der kaiserlichen Burg, Prinz Eugen und Erzherzog
Karl, sind auch schon Schöpfungen einer vergangnen Kunstperiode, und in den
letzten zwanzig Jahren ist außer dem Feldmarschall Schwarzenberg und dem
Bürgermeister Zelinka keinem einzigen um Staat und Stadt verdienten Manne
ein Denkmal gesetzt worden; Radetzkh und Kaunitz besitzen keins, Starhemberg
hat wie auch alle politischen Größen unsrer ältern Geschichte -- mit einem
Plätzchen auf der Elisabethbrücke vorlieb nehmen müssen, und von den ältern
Habsburger" -- einem Maximilian I., Ferdinand I., Maximilian II., Josef I.,
Karl VI. -- meldet in Wien weder Stein noch Erz. Doch dies alles ginge noch
an. Aber daß an die große Kaiserin noch kein einziges Denkmal erinnert,
nimmt selbst den Mann aus dem Volke Wunder, wenn man ihn darauf auf¬
merksam macht.

Der Grund dieses Mangels ist Wohl der, daß man in den gebildeten
Kreisen Österreichs lange Zeit hindurch die Wirksamkeit und Bedeutung Maria
Theresias unterschätzte, ja sie wohl von der ihres Sohnes völlig in den Schatten
gestellt wähnte. Seitdem aber auch hierzulande die rationalistische Bildung
allmählich der historischen gewichen ist, hat man anders denken gelernt. Viel
hat auch für eine bessere Auffassung Alfred von Arneth gethan, der viele Jahre
daran gewendet hat, um der genialen Frau ein würdiges literarisches Denkmal
zu setzen: aus seinem umfassenden Werke über Maria Theresia ging dann auch
in die populäre Geschichtsliteratur und in die Zeitungen die Erkenntnis über,
daß der große Prozeß der Umbildung des mittelalterlichen in den modernen
Staat Österreich durch sie viel mehr gefördert worden ist als durch die Re¬
formen Josefs: sie hat die Fundamente gelegt, die zum Teil noch heute unsern
Staatsbäu tragen, während von den Schöpfungen ihres Sohnes nur wenige ihren
Urheber überdauert haben. Und so wird denn am Enthüllnngstage des neuen
Denkmales nur eine große alte Schuld abgetragen werden, und Zumbuschs Maria
Theresia wird uns Wienern hoffentlich das werden, was Rauchs Friedrich der
Große schon lange den Berlinern ist.
'

Das Rauchsche Standbild hat jedenfalls die Komposition Zumbuschs im
Anfange einigermaßen beeinflußt: man sieht dies aus dem ersten EntWurfe, der
noch in seinem Atelier zu sehen ist. Der Eindruck desselben ist ein sehr
günstiger: alles ist plastisch gedacht und empfunden, die Komposition gedrängt,
die Architektur massig, wenn auch in einigen Details etwas hart. Dieser erste
Entwurf wurde aber teils durch äußere Einflüsse, teils durch die seitdem fort-


Grenzboten III. I8L5, 46

der Gießerei vertauscht, und die zahlreichen Nebenfiguren werden in kürzester
Zeit ebenfalls die Werkstatt der Bildhauer verlassen.

Es ist aber auch in der That hohe Zeit, daß wir ein Maria-Theresia-
Deukmal bekommen. An Persönlichkeiten, die sich um den österreichischen Staat
verdient gemacht haben, wird man in Wien am seltensten erinnert: die Statue
Josefs II. hat schou Kaiser Franz im Jahre 1808 setzen lassen, die beiden
Reiterstandbilder vor der kaiserlichen Burg, Prinz Eugen und Erzherzog
Karl, sind auch schon Schöpfungen einer vergangnen Kunstperiode, und in den
letzten zwanzig Jahren ist außer dem Feldmarschall Schwarzenberg und dem
Bürgermeister Zelinka keinem einzigen um Staat und Stadt verdienten Manne
ein Denkmal gesetzt worden; Radetzkh und Kaunitz besitzen keins, Starhemberg
hat wie auch alle politischen Größen unsrer ältern Geschichte — mit einem
Plätzchen auf der Elisabethbrücke vorlieb nehmen müssen, und von den ältern
Habsburger» — einem Maximilian I., Ferdinand I., Maximilian II., Josef I.,
Karl VI. — meldet in Wien weder Stein noch Erz. Doch dies alles ginge noch
an. Aber daß an die große Kaiserin noch kein einziges Denkmal erinnert,
nimmt selbst den Mann aus dem Volke Wunder, wenn man ihn darauf auf¬
merksam macht.

Der Grund dieses Mangels ist Wohl der, daß man in den gebildeten
Kreisen Österreichs lange Zeit hindurch die Wirksamkeit und Bedeutung Maria
Theresias unterschätzte, ja sie wohl von der ihres Sohnes völlig in den Schatten
gestellt wähnte. Seitdem aber auch hierzulande die rationalistische Bildung
allmählich der historischen gewichen ist, hat man anders denken gelernt. Viel
hat auch für eine bessere Auffassung Alfred von Arneth gethan, der viele Jahre
daran gewendet hat, um der genialen Frau ein würdiges literarisches Denkmal
zu setzen: aus seinem umfassenden Werke über Maria Theresia ging dann auch
in die populäre Geschichtsliteratur und in die Zeitungen die Erkenntnis über,
daß der große Prozeß der Umbildung des mittelalterlichen in den modernen
Staat Österreich durch sie viel mehr gefördert worden ist als durch die Re¬
formen Josefs: sie hat die Fundamente gelegt, die zum Teil noch heute unsern
Staatsbäu tragen, während von den Schöpfungen ihres Sohnes nur wenige ihren
Urheber überdauert haben. Und so wird denn am Enthüllnngstage des neuen
Denkmales nur eine große alte Schuld abgetragen werden, und Zumbuschs Maria
Theresia wird uns Wienern hoffentlich das werden, was Rauchs Friedrich der
Große schon lange den Berlinern ist.
'

Das Rauchsche Standbild hat jedenfalls die Komposition Zumbuschs im
Anfange einigermaßen beeinflußt: man sieht dies aus dem ersten EntWurfe, der
noch in seinem Atelier zu sehen ist. Der Eindruck desselben ist ein sehr
günstiger: alles ist plastisch gedacht und empfunden, die Komposition gedrängt,
die Architektur massig, wenn auch in einigen Details etwas hart. Dieser erste
Entwurf wurde aber teils durch äußere Einflüsse, teils durch die seitdem fort-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/369>, abgerufen am 22.11.2024.