Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Zur Frage der innern Kolonisation in Deutschland.

zunächst in der Abgrabung des Moores, dessen obere Schichten als wertlos bei¬
seite geworfen werden, ans dessen tieferen Schichten aber Torf bereitet und
in die über den Kanal erreichbaren Städte und größern Orte Verfahren wird.
Als Rückfracht nimmt dann der Veentjer Düngemittel, Straßenkehricht, vor
allem aber den kostbaren Seeschlick, der in ungeheuern Massen vou den Kirsten
landeinwärts gebracht wird und um ein geringes zu haben ist. Hat nun der
Veentjer die Abgrabung des Moores bis auf eine bestimmte Tiefe bewerkstelligt,
so beginnt er die bleibende Schicht des Moores mit dessen Untergrund, dem
Diluvialsande, und den schon bereit gehaltenen Düngemitteln zu vermischen, um
ans diese Weise einen Ackerboden herzustellen, der dem besten Marschboden an
Ertragsfähigkeit kaum nachsteht. Während der Kulturarbeit und bis zu deren
Vollendung auf dein angewiesenen Platze treibt der Veentjer seines Unterhaltes
wegen im wilden Moor den Bnchweizenban mittels Brennen des Moores; daher
rührt es, daß anch heute noch Holland, wo noch immer, wie am Oranjelaual,
neue Veenanlagen im Entstehen sind, seinen reichlichen Veitrag zu dem jähr¬
lichen Moorrauche liefert.

Die Anlage der Veenplätze an beiden Ufern eines Kanals ist die älteste
Form der Vceukolvuicu. Erweitert wird dieselbe durch Scitenkanüle, Jnwieken
(Einweichen), welche ihrerseits wieder in einen dem Hanvtkancil parallel laufenden
Kanal einmünden können. In neuerer Zeit ist in Holland das sogenannte
Zweikanalsystem aufgekommen, nach welchem von vornherein zwei parallele Ka¬
näle gezogen werden, an denen nur das eine, äußere Ufer bebaut wird, der
zwischen den Linien liegende Raum für Transportwege, Abladeplätze n. dergl.
frei bleibt. Dieses uns aus eigner Anschauung nicht bekannte System soll be¬
sondre Vorteile bieten; jedenfalls werden in Holland alle neue Veenanlagen
darnach ausgeführt.

Vou Holland gelangte im Jahre 1674 die Kenntnis der Vccukultur durch
einen Prediger Vvlenins nach Ostfriesland. Sie ist dann auch dort mit großen,
wenn auch nicht den gleichen Erfolgen wie in Holland ausgeführt worden.

Wenden wir uns nun zu den großartigen Noreinrichtungen, welche die
Preußische Staatsregierung für eine veenmüßige Kultur der Hochmoore auf
beiden Einhufern trifft, so ist vorauszuschicken, daß die holländische Regierung
"n't der frühern hannoverschen wegen Anschlusses ihrer an der Ostgrenze ver¬
laufenden Veenkanäle mindestens ein Jahrzehnt hindurch erfolglos verhandelte.
Die Holländer wollten wohl das Emswasscr zur Speisung ihrer um der Grenze
um Trocknen liegenden Kanäle haben, allein wenig Gegenleistung gewähren.
Die neue preußische Staatsregierung entschloß sich daher im Jahre 1871 kurz
"u einer großartigen systematischen Kanalisirung ihres Anteiles des Burtanger
Gi-enzmvors, indem sie den Holländern den Anschluß daran und übrigens Ent-
gegenkommen verhieß. Das großartige Unternehmen geht jetzt seiner Vollendung
entgegen, und es sind bereits zwei Kcmallinieu, welche von der Eins ausgehen


Grenzten III. 1885. 44
Zur Frage der innern Kolonisation in Deutschland.

zunächst in der Abgrabung des Moores, dessen obere Schichten als wertlos bei¬
seite geworfen werden, ans dessen tieferen Schichten aber Torf bereitet und
in die über den Kanal erreichbaren Städte und größern Orte Verfahren wird.
Als Rückfracht nimmt dann der Veentjer Düngemittel, Straßenkehricht, vor
allem aber den kostbaren Seeschlick, der in ungeheuern Massen vou den Kirsten
landeinwärts gebracht wird und um ein geringes zu haben ist. Hat nun der
Veentjer die Abgrabung des Moores bis auf eine bestimmte Tiefe bewerkstelligt,
so beginnt er die bleibende Schicht des Moores mit dessen Untergrund, dem
Diluvialsande, und den schon bereit gehaltenen Düngemitteln zu vermischen, um
ans diese Weise einen Ackerboden herzustellen, der dem besten Marschboden an
Ertragsfähigkeit kaum nachsteht. Während der Kulturarbeit und bis zu deren
Vollendung auf dein angewiesenen Platze treibt der Veentjer seines Unterhaltes
wegen im wilden Moor den Bnchweizenban mittels Brennen des Moores; daher
rührt es, daß anch heute noch Holland, wo noch immer, wie am Oranjelaual,
neue Veenanlagen im Entstehen sind, seinen reichlichen Veitrag zu dem jähr¬
lichen Moorrauche liefert.

Die Anlage der Veenplätze an beiden Ufern eines Kanals ist die älteste
Form der Vceukolvuicu. Erweitert wird dieselbe durch Scitenkanüle, Jnwieken
(Einweichen), welche ihrerseits wieder in einen dem Hanvtkancil parallel laufenden
Kanal einmünden können. In neuerer Zeit ist in Holland das sogenannte
Zweikanalsystem aufgekommen, nach welchem von vornherein zwei parallele Ka¬
näle gezogen werden, an denen nur das eine, äußere Ufer bebaut wird, der
zwischen den Linien liegende Raum für Transportwege, Abladeplätze n. dergl.
frei bleibt. Dieses uns aus eigner Anschauung nicht bekannte System soll be¬
sondre Vorteile bieten; jedenfalls werden in Holland alle neue Veenanlagen
darnach ausgeführt.

Vou Holland gelangte im Jahre 1674 die Kenntnis der Vccukultur durch
einen Prediger Vvlenins nach Ostfriesland. Sie ist dann auch dort mit großen,
wenn auch nicht den gleichen Erfolgen wie in Holland ausgeführt worden.

Wenden wir uns nun zu den großartigen Noreinrichtungen, welche die
Preußische Staatsregierung für eine veenmüßige Kultur der Hochmoore auf
beiden Einhufern trifft, so ist vorauszuschicken, daß die holländische Regierung
"n't der frühern hannoverschen wegen Anschlusses ihrer an der Ostgrenze ver¬
laufenden Veenkanäle mindestens ein Jahrzehnt hindurch erfolglos verhandelte.
Die Holländer wollten wohl das Emswasscr zur Speisung ihrer um der Grenze
um Trocknen liegenden Kanäle haben, allein wenig Gegenleistung gewähren.
Die neue preußische Staatsregierung entschloß sich daher im Jahre 1871 kurz
»u einer großartigen systematischen Kanalisirung ihres Anteiles des Burtanger
Gi-enzmvors, indem sie den Holländern den Anschluß daran und übrigens Ent-
gegenkommen verhieß. Das großartige Unternehmen geht jetzt seiner Vollendung
entgegen, und es sind bereits zwei Kcmallinieu, welche von der Eins ausgehen


Grenzten III. 1885. 44
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0353" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/196453"/>
          <fw type="header" place="top"> Zur Frage der innern Kolonisation in Deutschland.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1440" prev="#ID_1439"> zunächst in der Abgrabung des Moores, dessen obere Schichten als wertlos bei¬<lb/>
seite geworfen werden, ans dessen tieferen Schichten aber Torf bereitet und<lb/>
in die über den Kanal erreichbaren Städte und größern Orte Verfahren wird.<lb/>
Als Rückfracht nimmt dann der Veentjer Düngemittel, Straßenkehricht, vor<lb/>
allem aber den kostbaren Seeschlick, der in ungeheuern Massen vou den Kirsten<lb/>
landeinwärts gebracht wird und um ein geringes zu haben ist. Hat nun der<lb/>
Veentjer die Abgrabung des Moores bis auf eine bestimmte Tiefe bewerkstelligt,<lb/>
so beginnt er die bleibende Schicht des Moores mit dessen Untergrund, dem<lb/>
Diluvialsande, und den schon bereit gehaltenen Düngemitteln zu vermischen, um<lb/>
ans diese Weise einen Ackerboden herzustellen, der dem besten Marschboden an<lb/>
Ertragsfähigkeit kaum nachsteht. Während der Kulturarbeit und bis zu deren<lb/>
Vollendung auf dein angewiesenen Platze treibt der Veentjer seines Unterhaltes<lb/>
wegen im wilden Moor den Bnchweizenban mittels Brennen des Moores; daher<lb/>
rührt es, daß anch heute noch Holland, wo noch immer, wie am Oranjelaual,<lb/>
neue Veenanlagen im Entstehen sind, seinen reichlichen Veitrag zu dem jähr¬<lb/>
lichen Moorrauche liefert.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1441"> Die Anlage der Veenplätze an beiden Ufern eines Kanals ist die älteste<lb/>
Form der Vceukolvuicu. Erweitert wird dieselbe durch Scitenkanüle, Jnwieken<lb/>
(Einweichen), welche ihrerseits wieder in einen dem Hanvtkancil parallel laufenden<lb/>
Kanal einmünden können. In neuerer Zeit ist in Holland das sogenannte<lb/>
Zweikanalsystem aufgekommen, nach welchem von vornherein zwei parallele Ka¬<lb/>
näle gezogen werden, an denen nur das eine, äußere Ufer bebaut wird, der<lb/>
zwischen den Linien liegende Raum für Transportwege, Abladeplätze n. dergl.<lb/>
frei bleibt. Dieses uns aus eigner Anschauung nicht bekannte System soll be¬<lb/>
sondre Vorteile bieten; jedenfalls werden in Holland alle neue Veenanlagen<lb/>
darnach ausgeführt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1442"> Vou Holland gelangte im Jahre 1674 die Kenntnis der Vccukultur durch<lb/>
einen Prediger Vvlenins nach Ostfriesland. Sie ist dann auch dort mit großen,<lb/>
wenn auch nicht den gleichen Erfolgen wie in Holland ausgeführt worden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1443" next="#ID_1444"> Wenden wir uns nun zu den großartigen Noreinrichtungen, welche die<lb/>
Preußische Staatsregierung für eine veenmüßige Kultur der Hochmoore auf<lb/>
beiden Einhufern trifft, so ist vorauszuschicken, daß die holländische Regierung<lb/>
"n't der frühern hannoverschen wegen Anschlusses ihrer an der Ostgrenze ver¬<lb/>
laufenden Veenkanäle mindestens ein Jahrzehnt hindurch erfolglos verhandelte.<lb/>
Die Holländer wollten wohl das Emswasscr zur Speisung ihrer um der Grenze<lb/>
um Trocknen liegenden Kanäle haben, allein wenig Gegenleistung gewähren.<lb/>
Die neue preußische Staatsregierung entschloß sich daher im Jahre 1871 kurz<lb/>
»u einer großartigen systematischen Kanalisirung ihres Anteiles des Burtanger<lb/>
Gi-enzmvors, indem sie den Holländern den Anschluß daran und übrigens Ent-<lb/>
gegenkommen verhieß. Das großartige Unternehmen geht jetzt seiner Vollendung<lb/>
entgegen, und es sind bereits zwei Kcmallinieu, welche von der Eins ausgehen</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzten III. 1885. 44</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0353] Zur Frage der innern Kolonisation in Deutschland. zunächst in der Abgrabung des Moores, dessen obere Schichten als wertlos bei¬ seite geworfen werden, ans dessen tieferen Schichten aber Torf bereitet und in die über den Kanal erreichbaren Städte und größern Orte Verfahren wird. Als Rückfracht nimmt dann der Veentjer Düngemittel, Straßenkehricht, vor allem aber den kostbaren Seeschlick, der in ungeheuern Massen vou den Kirsten landeinwärts gebracht wird und um ein geringes zu haben ist. Hat nun der Veentjer die Abgrabung des Moores bis auf eine bestimmte Tiefe bewerkstelligt, so beginnt er die bleibende Schicht des Moores mit dessen Untergrund, dem Diluvialsande, und den schon bereit gehaltenen Düngemitteln zu vermischen, um ans diese Weise einen Ackerboden herzustellen, der dem besten Marschboden an Ertragsfähigkeit kaum nachsteht. Während der Kulturarbeit und bis zu deren Vollendung auf dein angewiesenen Platze treibt der Veentjer seines Unterhaltes wegen im wilden Moor den Bnchweizenban mittels Brennen des Moores; daher rührt es, daß anch heute noch Holland, wo noch immer, wie am Oranjelaual, neue Veenanlagen im Entstehen sind, seinen reichlichen Veitrag zu dem jähr¬ lichen Moorrauche liefert. Die Anlage der Veenplätze an beiden Ufern eines Kanals ist die älteste Form der Vceukolvuicu. Erweitert wird dieselbe durch Scitenkanüle, Jnwieken (Einweichen), welche ihrerseits wieder in einen dem Hanvtkancil parallel laufenden Kanal einmünden können. In neuerer Zeit ist in Holland das sogenannte Zweikanalsystem aufgekommen, nach welchem von vornherein zwei parallele Ka¬ näle gezogen werden, an denen nur das eine, äußere Ufer bebaut wird, der zwischen den Linien liegende Raum für Transportwege, Abladeplätze n. dergl. frei bleibt. Dieses uns aus eigner Anschauung nicht bekannte System soll be¬ sondre Vorteile bieten; jedenfalls werden in Holland alle neue Veenanlagen darnach ausgeführt. Vou Holland gelangte im Jahre 1674 die Kenntnis der Vccukultur durch einen Prediger Vvlenins nach Ostfriesland. Sie ist dann auch dort mit großen, wenn auch nicht den gleichen Erfolgen wie in Holland ausgeführt worden. Wenden wir uns nun zu den großartigen Noreinrichtungen, welche die Preußische Staatsregierung für eine veenmüßige Kultur der Hochmoore auf beiden Einhufern trifft, so ist vorauszuschicken, daß die holländische Regierung "n't der frühern hannoverschen wegen Anschlusses ihrer an der Ostgrenze ver¬ laufenden Veenkanäle mindestens ein Jahrzehnt hindurch erfolglos verhandelte. Die Holländer wollten wohl das Emswasscr zur Speisung ihrer um der Grenze um Trocknen liegenden Kanäle haben, allein wenig Gegenleistung gewähren. Die neue preußische Staatsregierung entschloß sich daher im Jahre 1871 kurz »u einer großartigen systematischen Kanalisirung ihres Anteiles des Burtanger Gi-enzmvors, indem sie den Holländern den Anschluß daran und übrigens Ent- gegenkommen verhieß. Das großartige Unternehmen geht jetzt seiner Vollendung entgegen, und es sind bereits zwei Kcmallinieu, welche von der Eins ausgehen Grenzten III. 1885. 44

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/353
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/353>, abgerufen am 28.07.2024.