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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Der Tod des Mahdi.

geisternd in die Ohren klingt. Die Stämme der Wüste sielen ihm zu und
scharten sich um das von ihm geweihte Panier, sie schliffen ihre Schwerter und
Speere, sie legten sein Gewand an, das mit den Koransprüchcn gestickt war,
welche denen, die für den Glauben fallen, ewige Paradiesesfreuden verheißen.
So zog er ins Feld, und so behauptete er es. Er war eine mystische Macht.
Das Volk des Sudan wurde von seinem Namen angezogen wie Eisenspäne
vom Magneten, der ganze Islam erhob sich mit hoffnungsvollen Lauschen.
Vergebens bewiesen die Gelehrten und Verständigen, daß er aus dem und jenem
Grunde nicht der Verheißene sein könne.. Seine Antwort waren siegreiche
Schlachten und Belagerungen. El Obeid, die Hauptstadt von Kordofan, fiel in
seine Hand, und Chartum hatte dasselbe Schicksal, nachdem zwei Jahre vorher
ein ägyptisches Heer trotz seiner Kanonen und Hinterlader von den halbnackten
Speerträgern der Wüste vernichtet worden war. Der Feldzug der britischen
Rotröcke gegen ihn mißlang kläglich. Fast der ganze Süden befand sich zuletzt
in seiner Gewalt, das Land am untern Nil war bedroht, Arabien reiste einer
Erhebung entgegen, die herrschenden Türken zitterten. Der Sohn eines Zimmer¬
mannes in Dongola, ein armer Derwisch, hatte er und er allein die Schleußen-
thore des muhamedanischen Glaubenseifers aufgebrochen und jenen Gewaltstrom
entfesselt, der mehr als einmal in der Geschichte der Schrecken des Menschen¬
geschlechts war. Die Stunde zu größerm Triumph wollte schlagen, schon hob,
so schien es, der Hammer der Uhr dazu aus, da trat plötzlich Asrael zu ihm,
um ihm ins Ohr zu flüstern, und Mohammed Achmed, der Mahdi, der "Gott¬
geleitete," der Leiter, legte Macht und Herrschaft nieder, wandte sich und folgte
dem Engel des Todes.

Was werden die Heerscharen dazu gesagt haben, die an ihn als Gesandten
des Himmels zur Vollbringung eines großen Werkes glaubten? Er ist gestorben,
an prosaischen schwarzen Blattern gestorben, ehe es vollendet war. Statt seiue
Sendung mit den letzten Triumphen zu krönen, hat er sich nur als den Urheber
eines örtlichen und vorübergehenden Aufstandes, als Anstifter nutzlosen Blut¬
vergießens, als einen Mann gezeigt, der Zerstörung, Mangel und Not ohne
Zweck veranlaßte. Er stürzte viel um und baute nichts auf der Trümmerstätte.
Das Land, wo er siegte, ist weithin wüste gelegt und leidet Hunger, ganze
Stämme sind in seinen Schlachten gefallen, und die Überlebenden haben Ursache
zu fürchte", daß die Regierung sich für ihre Niederlagen rächen wird. Seine
Anhänger haben ihm also nichts zu danken, und die, welche sich von ihm fern¬
hielten, werden frohlocken. In den Bazars aber wird man sich lebhaft über
das Schicksal des Toten streiten. Warum schickte ihm Allah den Todesengel,
als er schou nach dem Siegespreise greifen konnte? Noch ein Jahr oder zwei,
und Mohammed Achmed hätte den großen Pilgerzug nach Mekka geführt, den
er immer versprochen, er hätte, im Sudan unabhängig geworden, Ägypten als
Papst des Islam, als Abgeordneter des Propheten, als Prophet eignen Rechtes


Der Tod des Mahdi.

geisternd in die Ohren klingt. Die Stämme der Wüste sielen ihm zu und
scharten sich um das von ihm geweihte Panier, sie schliffen ihre Schwerter und
Speere, sie legten sein Gewand an, das mit den Koransprüchcn gestickt war,
welche denen, die für den Glauben fallen, ewige Paradiesesfreuden verheißen.
So zog er ins Feld, und so behauptete er es. Er war eine mystische Macht.
Das Volk des Sudan wurde von seinem Namen angezogen wie Eisenspäne
vom Magneten, der ganze Islam erhob sich mit hoffnungsvollen Lauschen.
Vergebens bewiesen die Gelehrten und Verständigen, daß er aus dem und jenem
Grunde nicht der Verheißene sein könne.. Seine Antwort waren siegreiche
Schlachten und Belagerungen. El Obeid, die Hauptstadt von Kordofan, fiel in
seine Hand, und Chartum hatte dasselbe Schicksal, nachdem zwei Jahre vorher
ein ägyptisches Heer trotz seiner Kanonen und Hinterlader von den halbnackten
Speerträgern der Wüste vernichtet worden war. Der Feldzug der britischen
Rotröcke gegen ihn mißlang kläglich. Fast der ganze Süden befand sich zuletzt
in seiner Gewalt, das Land am untern Nil war bedroht, Arabien reiste einer
Erhebung entgegen, die herrschenden Türken zitterten. Der Sohn eines Zimmer¬
mannes in Dongola, ein armer Derwisch, hatte er und er allein die Schleußen-
thore des muhamedanischen Glaubenseifers aufgebrochen und jenen Gewaltstrom
entfesselt, der mehr als einmal in der Geschichte der Schrecken des Menschen¬
geschlechts war. Die Stunde zu größerm Triumph wollte schlagen, schon hob,
so schien es, der Hammer der Uhr dazu aus, da trat plötzlich Asrael zu ihm,
um ihm ins Ohr zu flüstern, und Mohammed Achmed, der Mahdi, der „Gott¬
geleitete," der Leiter, legte Macht und Herrschaft nieder, wandte sich und folgte
dem Engel des Todes.

Was werden die Heerscharen dazu gesagt haben, die an ihn als Gesandten
des Himmels zur Vollbringung eines großen Werkes glaubten? Er ist gestorben,
an prosaischen schwarzen Blattern gestorben, ehe es vollendet war. Statt seiue
Sendung mit den letzten Triumphen zu krönen, hat er sich nur als den Urheber
eines örtlichen und vorübergehenden Aufstandes, als Anstifter nutzlosen Blut¬
vergießens, als einen Mann gezeigt, der Zerstörung, Mangel und Not ohne
Zweck veranlaßte. Er stürzte viel um und baute nichts auf der Trümmerstätte.
Das Land, wo er siegte, ist weithin wüste gelegt und leidet Hunger, ganze
Stämme sind in seinen Schlachten gefallen, und die Überlebenden haben Ursache
zu fürchte», daß die Regierung sich für ihre Niederlagen rächen wird. Seine
Anhänger haben ihm also nichts zu danken, und die, welche sich von ihm fern¬
hielten, werden frohlocken. In den Bazars aber wird man sich lebhaft über
das Schicksal des Toten streiten. Warum schickte ihm Allah den Todesengel,
als er schou nach dem Siegespreise greifen konnte? Noch ein Jahr oder zwei,
und Mohammed Achmed hätte den großen Pilgerzug nach Mekka geführt, den
er immer versprochen, er hätte, im Sudan unabhängig geworden, Ägypten als
Papst des Islam, als Abgeordneter des Propheten, als Prophet eignen Rechtes


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[0298] Der Tod des Mahdi. geisternd in die Ohren klingt. Die Stämme der Wüste sielen ihm zu und scharten sich um das von ihm geweihte Panier, sie schliffen ihre Schwerter und Speere, sie legten sein Gewand an, das mit den Koransprüchcn gestickt war, welche denen, die für den Glauben fallen, ewige Paradiesesfreuden verheißen. So zog er ins Feld, und so behauptete er es. Er war eine mystische Macht. Das Volk des Sudan wurde von seinem Namen angezogen wie Eisenspäne vom Magneten, der ganze Islam erhob sich mit hoffnungsvollen Lauschen. Vergebens bewiesen die Gelehrten und Verständigen, daß er aus dem und jenem Grunde nicht der Verheißene sein könne.. Seine Antwort waren siegreiche Schlachten und Belagerungen. El Obeid, die Hauptstadt von Kordofan, fiel in seine Hand, und Chartum hatte dasselbe Schicksal, nachdem zwei Jahre vorher ein ägyptisches Heer trotz seiner Kanonen und Hinterlader von den halbnackten Speerträgern der Wüste vernichtet worden war. Der Feldzug der britischen Rotröcke gegen ihn mißlang kläglich. Fast der ganze Süden befand sich zuletzt in seiner Gewalt, das Land am untern Nil war bedroht, Arabien reiste einer Erhebung entgegen, die herrschenden Türken zitterten. Der Sohn eines Zimmer¬ mannes in Dongola, ein armer Derwisch, hatte er und er allein die Schleußen- thore des muhamedanischen Glaubenseifers aufgebrochen und jenen Gewaltstrom entfesselt, der mehr als einmal in der Geschichte der Schrecken des Menschen¬ geschlechts war. Die Stunde zu größerm Triumph wollte schlagen, schon hob, so schien es, der Hammer der Uhr dazu aus, da trat plötzlich Asrael zu ihm, um ihm ins Ohr zu flüstern, und Mohammed Achmed, der Mahdi, der „Gott¬ geleitete," der Leiter, legte Macht und Herrschaft nieder, wandte sich und folgte dem Engel des Todes. Was werden die Heerscharen dazu gesagt haben, die an ihn als Gesandten des Himmels zur Vollbringung eines großen Werkes glaubten? Er ist gestorben, an prosaischen schwarzen Blattern gestorben, ehe es vollendet war. Statt seiue Sendung mit den letzten Triumphen zu krönen, hat er sich nur als den Urheber eines örtlichen und vorübergehenden Aufstandes, als Anstifter nutzlosen Blut¬ vergießens, als einen Mann gezeigt, der Zerstörung, Mangel und Not ohne Zweck veranlaßte. Er stürzte viel um und baute nichts auf der Trümmerstätte. Das Land, wo er siegte, ist weithin wüste gelegt und leidet Hunger, ganze Stämme sind in seinen Schlachten gefallen, und die Überlebenden haben Ursache zu fürchte», daß die Regierung sich für ihre Niederlagen rächen wird. Seine Anhänger haben ihm also nichts zu danken, und die, welche sich von ihm fern¬ hielten, werden frohlocken. In den Bazars aber wird man sich lebhaft über das Schicksal des Toten streiten. Warum schickte ihm Allah den Todesengel, als er schou nach dem Siegespreise greifen konnte? Noch ein Jahr oder zwei, und Mohammed Achmed hätte den großen Pilgerzug nach Mekka geführt, den er immer versprochen, er hätte, im Sudan unabhängig geworden, Ägypten als Papst des Islam, als Abgeordneter des Propheten, als Prophet eignen Rechtes

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/298>, abgerufen am 22.11.2024.