Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.Heinrich Lonthold. [Beginn Spaltensatz] [Spaltenumbruch] Diese Locken, diese dunkeln, [Ende Spaltensatz]
Dieser Ausdruck, diese Kraft, Und im Ange dieses Funkeln Einer trunkner Leidenschaft.
Und noch weiter geht seine einseitige Freude an der äußern schönen Form in
In einem seiner allerschönsten Gedichte "An Thals" spricht sich, nnr in [Beginn Spaltensatz] [Spaltenumbruch] Wie im Triumphe an Ketten von Rosen Ziehst du dir nach den vergötternden Schivarm, Fesselst mit Küssen und lockest mit Kosen Diesen am Herzen und jenen im Arm! Spielend mit Banden, im Taumel gebunden, [Ende Spaltensatz]
Sorglos gelöst und mit Leichtsinn geknüpft, Mögest du nimmer erleben die Stunden, Da dir das Zepter der Schönheit entschlüpft!
Seine Begeisterung für Heine ist nun selbstverständlich; er widmet ihm zwei Wir sind nun keineswegs so philiströs, den Wert der Sinnlichkeit in der Heinrich Lonthold. [Beginn Spaltensatz] [Spaltenumbruch] Diese Locken, diese dunkeln, [Ende Spaltensatz]
Dieser Ausdruck, diese Kraft, Und im Ange dieses Funkeln Einer trunkner Leidenschaft.
Und noch weiter geht seine einseitige Freude an der äußern schönen Form in
In einem seiner allerschönsten Gedichte „An Thals" spricht sich, nnr in [Beginn Spaltensatz] [Spaltenumbruch] Wie im Triumphe an Ketten von Rosen Ziehst du dir nach den vergötternden Schivarm, Fesselst mit Küssen und lockest mit Kosen Diesen am Herzen und jenen im Arm! Spielend mit Banden, im Taumel gebunden, [Ende Spaltensatz]
Sorglos gelöst und mit Leichtsinn geknüpft, Mögest du nimmer erleben die Stunden, Da dir das Zepter der Schönheit entschlüpft!
Seine Begeisterung für Heine ist nun selbstverständlich; er widmet ihm zwei Wir sind nun keineswegs so philiströs, den Wert der Sinnlichkeit in der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0226" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/196326"/> <fw type="header" place="top"> Heinrich Lonthold.</fw><lb/> <cb type="start"/> <cb/><lb/> <lg xml:id="POEMID_15" type="poem"> <l> Diese Locken, diese dunkeln,<lb/> Dieser Ausdruck, diese Kraft,<lb/> Und im Ange dieses Funkeln<lb/> Einer trunkner Leidenschaft.</l> </lg> <cb type="end"/><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_16" type="poem"> <l> Nach dem Takte fremder Lieder<lb/> schwebst dn lieblich hin im Tnnz;<lb/> Dieser Rhythmus deiner Glieder<lb/> Fesselt meine Sinne ganz;</l><lb/> <l> Aber Mass und Anmut zügeln<lb/> Jeden Wunsch; er schweigt besiegt,<lb/> Wo die Schönheit sich auf Flügeln<lb/> Ihres eignen Wohllauts wiegt.</l> </lg> </quote><lb/> <p xml:id="ID_837"> Und noch weiter geht seine einseitige Freude an der äußern schönen Form in<lb/> dein Gedicht „Ans eine Tote," welches zugleich ein Zeichen ist, daß für Leut-<lb/> hold Schönheit und Sittlichkeit sich nicht im innersten Wesen decken, wie es<lb/> doch jedem tiefer Denkenden notwendig wird:</p><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_17" type="poem"> <l><cb type="start"/> Ha! dieser Reize reicher Überfluß<lb/> Ist schon so frühe in den Staub gesunken!<lb/> ES hat der kalte Tod mit seinem K»s;<lb/> Schon deiner Seele heißen Wein getrunken! Noch ein mal seh' ich diesen Körper an,<lb/> Halb voll Bewundrung, halb voll stummer<lb/> Riihrung,<lb/> Den die Natur verschwcndrisch angethan<lb/> Mit jeder Schönheit weiblicher Verführung. <cb/> Die Welt tritt zischelnd an den Totcnschrcin<lb/> Und wirft, gebläht von stummem Eigenruhme,<lb/> Herzlos auf die Gefall'ne Stein um Stein,<lb/> Verhöhnend die so früh geknickte Blume. Ich aber starr' ans diesen Tempel hin,<lb/> Der lang entweiht, - verfalle» der Bernich-<lb/> tung;<lb/> Und um den Leib der schönen Sünderin<lb/> Werf' ich den Purpurmantel meiner Dichtung. <cb type="end"/><lb/><lb/> </l> </lg> </quote><lb/> <p xml:id="ID_838"> In einem seiner allerschönsten Gedichte „An Thals" spricht sich, nnr in<lb/> naiverer Weise, dieselbe Gesinnung aus, die der Schönheit alles verzeiht:</p><lb/> <cb type="start"/> <cb/><lb/> <lg xml:id="POEMID_18" type="poem" next="#POEMID_19"> <l> Wie im Triumphe an Ketten von Rosen<lb/> Ziehst du dir nach den vergötternden Schivarm,<lb/> Fesselst mit Küssen und lockest mit Kosen<lb/> Diesen am Herzen und jenen im Arm!</l> </lg> <lg xml:id="POEMID_19" prev="#POEMID_18" type="poem"> <l> Spielend mit Banden, im Taumel gebunden,<lb/> Sorglos gelöst und mit Leichtsinn geknüpft,<lb/> Mögest du nimmer erleben die Stunden,<lb/> Da dir das Zepter der Schönheit entschlüpft!</l> </lg> <cb type="end"/><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_20" type="poem"> <l> Liebliches Mädchen, das gleich der Libelle<lb/> Immer von Stengel zu Stengel sich wiegt,<lb/> DaS, wie vom Busen der Welle die Welle,<lb/> TrenloS sich trennt und an andre sich schmiegt,</l><lb/> <l> Liebliches Mädchen, das jenen mit Blicken,<lb/> Diesen mit Seufzern, von ihm nnr gehört,<lb/> Jenen mit Lächeln und diesen mit Nicken<lb/> Oder dem Drucke des Händchens bethört:</l><lb/> <l> Möge die Parze dir nahm mit der Scheere,<lb/> Eh' du, eutuüchtcrt si. ernüchtert^ in schmerzlichem Tausch,<lb/> Büßest mit endlosen Qualen der Leere<lb/> Dieser Minuten vergänglichen Rausch!</l> </lg> </quote><lb/> <p xml:id="ID_839"> Seine Begeisterung für Heine ist nun selbstverständlich; er widmet ihm zwei<lb/> formvollendete Sonette.</p><lb/> <p xml:id="ID_840"> Wir sind nun keineswegs so philiströs, den Wert der Sinnlichkeit in der<lb/> Kunst zu verkennen, ja im Gegenteil ist uns ein unsinnlicher Poet, der die<lb/> Dinge nicht fühlt, sondern nur denkt, kein Poet. Aber Leuthvlds Sinnlichkeit<lb/> offenbart sich nnr selten so schon wie in dem Gedicht „Am Meere":</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0226]
Heinrich Lonthold.
Diese Locken, diese dunkeln,
Dieser Ausdruck, diese Kraft,
Und im Ange dieses Funkeln
Einer trunkner Leidenschaft.
Nach dem Takte fremder Lieder
schwebst dn lieblich hin im Tnnz;
Dieser Rhythmus deiner Glieder
Fesselt meine Sinne ganz;
Aber Mass und Anmut zügeln
Jeden Wunsch; er schweigt besiegt,
Wo die Schönheit sich auf Flügeln
Ihres eignen Wohllauts wiegt.
Und noch weiter geht seine einseitige Freude an der äußern schönen Form in
dein Gedicht „Ans eine Tote," welches zugleich ein Zeichen ist, daß für Leut-
hold Schönheit und Sittlichkeit sich nicht im innersten Wesen decken, wie es
doch jedem tiefer Denkenden notwendig wird:
Ha! dieser Reize reicher Überfluß
Ist schon so frühe in den Staub gesunken!
ES hat der kalte Tod mit seinem K»s;
Schon deiner Seele heißen Wein getrunken! Noch ein mal seh' ich diesen Körper an,
Halb voll Bewundrung, halb voll stummer
Riihrung,
Den die Natur verschwcndrisch angethan
Mit jeder Schönheit weiblicher Verführung.
Die Welt tritt zischelnd an den Totcnschrcin
Und wirft, gebläht von stummem Eigenruhme,
Herzlos auf die Gefall'ne Stein um Stein,
Verhöhnend die so früh geknickte Blume. Ich aber starr' ans diesen Tempel hin,
Der lang entweiht, - verfalle» der Bernich-
tung;
Und um den Leib der schönen Sünderin
Werf' ich den Purpurmantel meiner Dichtung.
In einem seiner allerschönsten Gedichte „An Thals" spricht sich, nnr in
naiverer Weise, dieselbe Gesinnung aus, die der Schönheit alles verzeiht:
Wie im Triumphe an Ketten von Rosen
Ziehst du dir nach den vergötternden Schivarm,
Fesselst mit Küssen und lockest mit Kosen
Diesen am Herzen und jenen im Arm!
Spielend mit Banden, im Taumel gebunden,
Sorglos gelöst und mit Leichtsinn geknüpft,
Mögest du nimmer erleben die Stunden,
Da dir das Zepter der Schönheit entschlüpft!
Liebliches Mädchen, das gleich der Libelle
Immer von Stengel zu Stengel sich wiegt,
DaS, wie vom Busen der Welle die Welle,
TrenloS sich trennt und an andre sich schmiegt,
Liebliches Mädchen, das jenen mit Blicken,
Diesen mit Seufzern, von ihm nnr gehört,
Jenen mit Lächeln und diesen mit Nicken
Oder dem Drucke des Händchens bethört:
Möge die Parze dir nahm mit der Scheere,
Eh' du, eutuüchtcrt si. ernüchtert^ in schmerzlichem Tausch,
Büßest mit endlosen Qualen der Leere
Dieser Minuten vergänglichen Rausch!
Seine Begeisterung für Heine ist nun selbstverständlich; er widmet ihm zwei
formvollendete Sonette.
Wir sind nun keineswegs so philiströs, den Wert der Sinnlichkeit in der
Kunst zu verkennen, ja im Gegenteil ist uns ein unsinnlicher Poet, der die
Dinge nicht fühlt, sondern nur denkt, kein Poet. Aber Leuthvlds Sinnlichkeit
offenbart sich nnr selten so schon wie in dem Gedicht „Am Meere":
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