Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.Eine eingeschränkte Öffentlichkeit seit sich in solchen Fällen wohl stets am Man kann dagegen zwei Bedenken erheben. Zunächst würde man vielleicht Der zweite Einwand wiegt allerdings schwerer, sehr schwer sogar. Ein so Ist diese Frage eines wahrscheinlichen Verlustes von dem Ausschusse über¬ Eine eingeschränkte Öffentlichkeit seit sich in solchen Fällen wohl stets am Man kann dagegen zwei Bedenken erheben. Zunächst würde man vielleicht Der zweite Einwand wiegt allerdings schwerer, sehr schwer sogar. Ein so Ist diese Frage eines wahrscheinlichen Verlustes von dem Ausschusse über¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0186" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/196286"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_705"> Eine eingeschränkte Öffentlichkeit seit sich in solchen Fällen wohl stets am<lb/> besten bewährt. Wie hoch die Schranke sein soll, das zu bestimmen liegt dem<lb/> Ausschusse ob. Wir selber wünschten sie recht hoch, zum Heile vorwitziger<lb/> Kinder. Das entscheidende, was solche, immerhin gefährliche Stoffe dem Ver¬<lb/> kehre entzieht, ist ein teurer Preis. Eine Ausgabe, die etwa 500 Mark kostet,<lb/> ist der allersicherste Giftschrank.</p><lb/> <p xml:id="ID_706"> Man kann dagegen zwei Bedenken erheben. Zunächst würde man vielleicht<lb/> anführen, daß es Unrecht an der gemeinsamen Sache sein würde, den reinen<lb/> Text, den wir jetzt geschenkt erhalten haben, nicht sofort dem ganzen Volke, dem<lb/> er doch recht eigentlich gehört, in die Hand zu geben. Eine solche Anschauung<lb/> würde indes nur bei mangelhafter Erfahrung in solchen Erscheinungen gefaßt<lb/> werden können und bei unzureichender Kenntnis des Rechtes, das zur Zeit in<lb/> Deutschland für geistiges Eigentum gilt. Erst neuerdings ist in dem Streite,<lb/> der sich um die Veröffentlichung der Caleschen Tagebücher erhoben hatte, fest¬<lb/> gestellt worden, daß Bearbeitung und Herausgabe alter Handschriften dem Ent¬<lb/> decker kein Urheberrecht schaffen. Wenn also heute die Ausgabe des Goethe-<lb/> Ausschusses erscheint, so kann von der Stunde ab jeder den reinen Text nach¬<lb/> drucken. Das ist die rechtliche Seite. Daneben aber lehrt die Erfahrung in<lb/> ähnlichen Fällen, daß sofort eine große Schnitzeljagd von Nachdrucker an¬<lb/> heben wird: Prachtausgaben, Volksausgaben, illustrirte Ausgaben und solche,<lb/> bei deren Abnahme man obendrein ein Gebiß geliefert bekommt — wir werden<lb/> das alles wieder in buntem Wirrwarr durcheinanderstolpern sehen auf der Hetze<lb/> hinter dem Dummen mit der bekannten Eigenschaft. Den reinen Text wird<lb/> man sich alle Tage für zwanzig Pfennige bei Reclam kaufen können.</p><lb/> <p xml:id="ID_707"> Der zweite Einwand wiegt allerdings schwerer, sehr schwer sogar. Ein so<lb/> hoher Preis muß natürlich durch Aufwand bei der Herstellung gerechtfertigt<lb/> werden. Also läßt sich — bei so ungewöhnlichem Preise — voraussehen, daß<lb/> der Unternehmer zu Schaden kommen muß. Wer wird den Schaden tragen<lb/> wollen?</p><lb/> <p xml:id="ID_708" next="#ID_709"> Ist diese Frage eines wahrscheinlichen Verlustes von dem Ausschusse über¬<lb/> haupt schon in Betracht gezogen worden? Denn daß die Ausgabe in jedem<lb/> Falle dem Unternehmer Verlust bringen wird, erscheint uns, wenn wir den<lb/> Nachdruck, wie oben bemerkt, in Anschlag bringen, von vornherein als ausge¬<lb/> macht. Aber die Frage bleibt: wer soll diesen Verlust decken? Von dem Vereine<lb/> ist kaum etwas zu erwarten. Daß die Vereinsbeiträge selbst bei der größten<lb/> Teilnahme dazu nicht ausreichen würden, liegt auf der Hand. Sie sind so<lb/> lächerlich geringfügig, daß nach Abzug sonstiger Kosten des Vereins — selbst<lb/> wenn man den Jahresbeitrag verdoppeln wollte — kaum eine ganz bescheidne<lb/> Verzinsung des für die Ausgabe erforderlichen Kapitals gewonnen werden würde.<lb/> Und dabei wird mancher wohl gar noch erwarten, daß man ihm für seinen Bei¬<lb/> trag das Jahrbuch und sonstige Veröffentlichungen liefert. Andrerseits würde</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0186]
Eine eingeschränkte Öffentlichkeit seit sich in solchen Fällen wohl stets am
besten bewährt. Wie hoch die Schranke sein soll, das zu bestimmen liegt dem
Ausschusse ob. Wir selber wünschten sie recht hoch, zum Heile vorwitziger
Kinder. Das entscheidende, was solche, immerhin gefährliche Stoffe dem Ver¬
kehre entzieht, ist ein teurer Preis. Eine Ausgabe, die etwa 500 Mark kostet,
ist der allersicherste Giftschrank.
Man kann dagegen zwei Bedenken erheben. Zunächst würde man vielleicht
anführen, daß es Unrecht an der gemeinsamen Sache sein würde, den reinen
Text, den wir jetzt geschenkt erhalten haben, nicht sofort dem ganzen Volke, dem
er doch recht eigentlich gehört, in die Hand zu geben. Eine solche Anschauung
würde indes nur bei mangelhafter Erfahrung in solchen Erscheinungen gefaßt
werden können und bei unzureichender Kenntnis des Rechtes, das zur Zeit in
Deutschland für geistiges Eigentum gilt. Erst neuerdings ist in dem Streite,
der sich um die Veröffentlichung der Caleschen Tagebücher erhoben hatte, fest¬
gestellt worden, daß Bearbeitung und Herausgabe alter Handschriften dem Ent¬
decker kein Urheberrecht schaffen. Wenn also heute die Ausgabe des Goethe-
Ausschusses erscheint, so kann von der Stunde ab jeder den reinen Text nach¬
drucken. Das ist die rechtliche Seite. Daneben aber lehrt die Erfahrung in
ähnlichen Fällen, daß sofort eine große Schnitzeljagd von Nachdrucker an¬
heben wird: Prachtausgaben, Volksausgaben, illustrirte Ausgaben und solche,
bei deren Abnahme man obendrein ein Gebiß geliefert bekommt — wir werden
das alles wieder in buntem Wirrwarr durcheinanderstolpern sehen auf der Hetze
hinter dem Dummen mit der bekannten Eigenschaft. Den reinen Text wird
man sich alle Tage für zwanzig Pfennige bei Reclam kaufen können.
Der zweite Einwand wiegt allerdings schwerer, sehr schwer sogar. Ein so
hoher Preis muß natürlich durch Aufwand bei der Herstellung gerechtfertigt
werden. Also läßt sich — bei so ungewöhnlichem Preise — voraussehen, daß
der Unternehmer zu Schaden kommen muß. Wer wird den Schaden tragen
wollen?
Ist diese Frage eines wahrscheinlichen Verlustes von dem Ausschusse über¬
haupt schon in Betracht gezogen worden? Denn daß die Ausgabe in jedem
Falle dem Unternehmer Verlust bringen wird, erscheint uns, wenn wir den
Nachdruck, wie oben bemerkt, in Anschlag bringen, von vornherein als ausge¬
macht. Aber die Frage bleibt: wer soll diesen Verlust decken? Von dem Vereine
ist kaum etwas zu erwarten. Daß die Vereinsbeiträge selbst bei der größten
Teilnahme dazu nicht ausreichen würden, liegt auf der Hand. Sie sind so
lächerlich geringfügig, daß nach Abzug sonstiger Kosten des Vereins — selbst
wenn man den Jahresbeitrag verdoppeln wollte — kaum eine ganz bescheidne
Verzinsung des für die Ausgabe erforderlichen Kapitals gewonnen werden würde.
Und dabei wird mancher wohl gar noch erwarten, daß man ihm für seinen Bei¬
trag das Jahrbuch und sonstige Veröffentlichungen liefert. Andrerseits würde
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