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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Um eine Perle.

hält! Könnt Ihr Euch jetzt vorstellen, Signore, daß mir's daran lag, Euer
wieder habhaft zu werden?

Giuseppe hatte längst die Hand Giaeintas gefaßt, mit der andern das
Ringlein emporhaltend und es dazwischen unter begütigenden, seinen argen Ver¬
dacht abbittendem Worten, welche die Thränen der Neapolitanerin allmählich
versiegen machten, an seine Lippen drückend.

Ich bin noch heute so arm wie damals, sagte er dann mit schwacher
Stimme, ja ärmer als damals, denn sieh meine Hände an -- die Fürsorge
Antonio Marias hat mich, indem er anch die mir damals noch gelassenen Ringe
in Verwahrsam nahm, der Versuchung überhoben, mich nach Rettern umzusehen.
Ich kann also durch kein Geschenk dir danken. Darf ich dir dagegen danken,
indem ich dir Gelegenheit gebe, meine Wohlthäterin, meine gütige Freundin in
noch Höheren Grade zu werden, als du es schon bist?

Giaeintas Wangen glühten. Eure Worte sind mir Manna in der Wüste,
stammelte sie, aber nennt mich Eure Dienerin, Giuseppe Gonzaga, nicht Eure
Freundin; erdrückt mich nicht, ich bin ein Rohr, und was Ihr mir an Huld
erweiset, ist mehr, als selbst eine Säule zu tragen vermöchte.

Höre mich an, Giacinta, sagte der Kranke -- aber ganz Mantua weiß ja,
unterbrach er sich, was mich in diese Lage hier brachte; laß mich also kurz
sein -- eile zu meiner Braut und sage ihr --

Die Neapolitanerin erblaßte.

Sage ihr, daß ich lebe -- denn auch sie wird mich tot wähnen --, sage
ihr, daß ich uoch lebe, aber daß meine Stunden gezählt sind, und daß ich vor
meinem Ende ihr uoch einmal die Hand drücken möchte; sage ihr das, teures,
herrliches Mädchen, und wenn dir's irgend möglich ist, bringe sie hierher.

Giaeintas Züge hatten sich umwölkt. Und wie soll ich sie finden? fragte
sie tonlos.

Dn bist in Mantua fremd?

Fast völlig.

Aber daß die Wunde, der ich erliegen werde, von der Hand ihres Vaters
herrührt, das ist dir doch bekannt.

Zu mir drang nichts von alledem.

Nichts? Ach, so geht's! Der Unglückliche hält sich immer für den Mittel-
punkt der Welt, und ahnt nicht, daß die Welt andres zu thun hat, als uach ihm
zu fragen. Meine Braut ist die Tochter Marcel Buonaeolsis -- hier im Ringe
steht ihr süßer Name. Eile, ich fühle, daß dieser Tag mein letzter sein wird.

Großer Gott! rief Giaeinta, und wird die Aufregung des Wiedersehens
Eure Genesung nicht vollends vereiteln? Vielleicht hat mir die abscheuliche
Szene, die ich Euch bereitete, Eure Kräfte so erschöpft. Und wird denn Eure
arme Braut dem freudigen Schreck, plötzlich von Euch als einem Lebendigen
Nachricht zu erhalten, gewachsen sein? Bedenket doch auch das, Eccellenza!


Grenzboten III. 1386. 1ö
Um eine Perle.

hält! Könnt Ihr Euch jetzt vorstellen, Signore, daß mir's daran lag, Euer
wieder habhaft zu werden?

Giuseppe hatte längst die Hand Giaeintas gefaßt, mit der andern das
Ringlein emporhaltend und es dazwischen unter begütigenden, seinen argen Ver¬
dacht abbittendem Worten, welche die Thränen der Neapolitanerin allmählich
versiegen machten, an seine Lippen drückend.

Ich bin noch heute so arm wie damals, sagte er dann mit schwacher
Stimme, ja ärmer als damals, denn sieh meine Hände an — die Fürsorge
Antonio Marias hat mich, indem er anch die mir damals noch gelassenen Ringe
in Verwahrsam nahm, der Versuchung überhoben, mich nach Rettern umzusehen.
Ich kann also durch kein Geschenk dir danken. Darf ich dir dagegen danken,
indem ich dir Gelegenheit gebe, meine Wohlthäterin, meine gütige Freundin in
noch Höheren Grade zu werden, als du es schon bist?

Giaeintas Wangen glühten. Eure Worte sind mir Manna in der Wüste,
stammelte sie, aber nennt mich Eure Dienerin, Giuseppe Gonzaga, nicht Eure
Freundin; erdrückt mich nicht, ich bin ein Rohr, und was Ihr mir an Huld
erweiset, ist mehr, als selbst eine Säule zu tragen vermöchte.

Höre mich an, Giacinta, sagte der Kranke — aber ganz Mantua weiß ja,
unterbrach er sich, was mich in diese Lage hier brachte; laß mich also kurz
sein — eile zu meiner Braut und sage ihr —

Die Neapolitanerin erblaßte.

Sage ihr, daß ich lebe — denn auch sie wird mich tot wähnen —, sage
ihr, daß ich uoch lebe, aber daß meine Stunden gezählt sind, und daß ich vor
meinem Ende ihr uoch einmal die Hand drücken möchte; sage ihr das, teures,
herrliches Mädchen, und wenn dir's irgend möglich ist, bringe sie hierher.

Giaeintas Züge hatten sich umwölkt. Und wie soll ich sie finden? fragte
sie tonlos.

Dn bist in Mantua fremd?

Fast völlig.

Aber daß die Wunde, der ich erliegen werde, von der Hand ihres Vaters
herrührt, das ist dir doch bekannt.

Zu mir drang nichts von alledem.

Nichts? Ach, so geht's! Der Unglückliche hält sich immer für den Mittel-
punkt der Welt, und ahnt nicht, daß die Welt andres zu thun hat, als uach ihm
zu fragen. Meine Braut ist die Tochter Marcel Buonaeolsis — hier im Ringe
steht ihr süßer Name. Eile, ich fühle, daß dieser Tag mein letzter sein wird.

Großer Gott! rief Giaeinta, und wird die Aufregung des Wiedersehens
Eure Genesung nicht vollends vereiteln? Vielleicht hat mir die abscheuliche
Szene, die ich Euch bereitete, Eure Kräfte so erschöpft. Und wird denn Eure
arme Braut dem freudigen Schreck, plötzlich von Euch als einem Lebendigen
Nachricht zu erhalten, gewachsen sein? Bedenket doch auch das, Eccellenza!


Grenzboten III. 1386. 1ö
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/145>, abgerufen am 27.07.2024.