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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.

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Reisebriofe ans Italien vom Jahre 1332.

Porträt, das Nnffael geschaffen. Das zweite, die Cenci, ist blaß, bläulich, zart,
von unendlichem Reiz, Vielleicht ist kein Bild der Welt soviel kopirt als dieses.
Kleiner, zarter Mund, schlankes, doch fein abgestumpftes Naschen, schwärmerische
Augen. Ich habe die Geschichte der Cenci vergessen, weiß nnr, daß ihr schöner
Kopf unter dem Beile fiel. Schon dies genügt, dem Bilde ein tiefes stoffliches
Interesse zu sichern. Was konnte dahin führen, dieses liebliche Geschöpf einem so
furchtbaren Tode zu weihen? Guido malte die Arme im Gefängnisse und im
weißen Gewände, der Sterbetoilette. Das Bild ist stumpf und trocken, wie sich
denn in dieser Galerie niemand um die Konserviruug der Bilder zu kümmern
scheint. Die Mutter der Beatrice malte Caravaggio.

Der Pnlazzo Doria ein Werk des Pietro da Cortona und Bramnute ist reich,
vornehm und gut gehalten. Unter den Skulpturen in demselben interessirt der
Odysseus unter dem Widder, so viel mir bekannt, die einzige Darstellung dieses
Gegenstandes; unter den Gemälden ist vieles Hervorragende. Ich nenne ein
Doppelbildnis von Raffael, das Bildnis Innocenz' des Zehnten von Velasquez,
einige schöne Claude Lorrains und vor allem eine Untermaluug oder doch ein
uicht vollendetes Bild von Correggio, Triumph der Tugend (der Ruhm krönt die
Tugend), wie mir scheint, in Tempera untermalt: ein ungemein geistreich hinge¬
worfenes Werk und auffallend in der Weise, wie grau und schwärzlich Correggio
die Schatten anlegte. Ein Beccafumi, Verlobung der heiligen Katharine, nahm
meine Aufmerksamkeit in Anspruch, weil es auf Kupfer gemalt ist. Lermolieff
bestreitet, daß mau zu Correggios Zeit auf Kupfer gemalt habe. Beecafumi ist
aber ein Zeitgenosse Correggios.

Nochmals durch die Galerie der Statuen im Vatikan, wo wir uns haupt¬
sächlich mit dem jungen melancholischen Eros (Abguß in Dresden) und der schlum¬
mernden Briadue beschäftigten, die den nahenden Gott träumt; ein großes, lebens¬
volles Werk, wie atmend. Die Drapirung unvergleichlich. Dann besuchten wir
die Bibliothek des Vatikan. Man führt durch den Teil, in welchem die Manu¬
skripte, aufgestellt sind! Das ist eine Aufstellung! Die Tonnengewölbe der Räume,
in welchem die Schränke stehen, sind entweder reich kassetirt oder mit Gemälden
geschmückt, die Schränke entweder bemalt oder ans polirtem Nußbaumholz mit ver¬
zierten Messingbeschlngen. Marmorsäulen trennen die Abteilungen, der Boden
Marmor. Auf kostbnreu Tische" in der Mitte der breiten Korridore und Säle stehen
Geschenke, welche dein Papste von andern Souveränen gemacht worden sind, Vasen
von Sovres, aus Berlin (auch eine vom jetzigen Kaiser), Malachitblock vom Kaiser
von Rußland. Dann ist hier eine kostbare Sammlung kleiner byznutiuischer und
altitalienischer Altarbilder, Triptychen :c. aufgestellt. Endlich sieht man hochinter¬
essante antike und altchristliche Fresken: unter den erstern die Aldobraudiuische Hoch¬
zeit (die Kunst-Meier für Goethe kopiren mußte), eins der besterhaltenen Gemälde
des Altertums. Ganz neuerdings gefunden: ein der Diana gebrachtes Opfer.

Wer in diesen Schränken ungehemmt suchen dürfte!

Indem wir nochmals deu Se. Peter durchwanderten, umschritt ich einen der
vier Pfeiler, auf welchen die Kuppel ruht, dann einen derjenige", welche das
Tonnengewölbe des Langschiffes tragen. Der Umfang des erstern mißt 122 Schritt,
der des letztern genau die Hälfte: 66. Schon einer der kleinern Pfeiler deckt
also den Grundriß eines ziemlichen Saales.


Reisebriofe ans Italien vom Jahre 1332.

Porträt, das Nnffael geschaffen. Das zweite, die Cenci, ist blaß, bläulich, zart,
von unendlichem Reiz, Vielleicht ist kein Bild der Welt soviel kopirt als dieses.
Kleiner, zarter Mund, schlankes, doch fein abgestumpftes Naschen, schwärmerische
Augen. Ich habe die Geschichte der Cenci vergessen, weiß nnr, daß ihr schöner
Kopf unter dem Beile fiel. Schon dies genügt, dem Bilde ein tiefes stoffliches
Interesse zu sichern. Was konnte dahin führen, dieses liebliche Geschöpf einem so
furchtbaren Tode zu weihen? Guido malte die Arme im Gefängnisse und im
weißen Gewände, der Sterbetoilette. Das Bild ist stumpf und trocken, wie sich
denn in dieser Galerie niemand um die Konserviruug der Bilder zu kümmern
scheint. Die Mutter der Beatrice malte Caravaggio.

Der Pnlazzo Doria ein Werk des Pietro da Cortona und Bramnute ist reich,
vornehm und gut gehalten. Unter den Skulpturen in demselben interessirt der
Odysseus unter dem Widder, so viel mir bekannt, die einzige Darstellung dieses
Gegenstandes; unter den Gemälden ist vieles Hervorragende. Ich nenne ein
Doppelbildnis von Raffael, das Bildnis Innocenz' des Zehnten von Velasquez,
einige schöne Claude Lorrains und vor allem eine Untermaluug oder doch ein
uicht vollendetes Bild von Correggio, Triumph der Tugend (der Ruhm krönt die
Tugend), wie mir scheint, in Tempera untermalt: ein ungemein geistreich hinge¬
worfenes Werk und auffallend in der Weise, wie grau und schwärzlich Correggio
die Schatten anlegte. Ein Beccafumi, Verlobung der heiligen Katharine, nahm
meine Aufmerksamkeit in Anspruch, weil es auf Kupfer gemalt ist. Lermolieff
bestreitet, daß mau zu Correggios Zeit auf Kupfer gemalt habe. Beecafumi ist
aber ein Zeitgenosse Correggios.

Nochmals durch die Galerie der Statuen im Vatikan, wo wir uns haupt¬
sächlich mit dem jungen melancholischen Eros (Abguß in Dresden) und der schlum¬
mernden Briadue beschäftigten, die den nahenden Gott träumt; ein großes, lebens¬
volles Werk, wie atmend. Die Drapirung unvergleichlich. Dann besuchten wir
die Bibliothek des Vatikan. Man führt durch den Teil, in welchem die Manu¬
skripte, aufgestellt sind! Das ist eine Aufstellung! Die Tonnengewölbe der Räume,
in welchem die Schränke stehen, sind entweder reich kassetirt oder mit Gemälden
geschmückt, die Schränke entweder bemalt oder ans polirtem Nußbaumholz mit ver¬
zierten Messingbeschlngen. Marmorsäulen trennen die Abteilungen, der Boden
Marmor. Auf kostbnreu Tische» in der Mitte der breiten Korridore und Säle stehen
Geschenke, welche dein Papste von andern Souveränen gemacht worden sind, Vasen
von Sovres, aus Berlin (auch eine vom jetzigen Kaiser), Malachitblock vom Kaiser
von Rußland. Dann ist hier eine kostbare Sammlung kleiner byznutiuischer und
altitalienischer Altarbilder, Triptychen :c. aufgestellt. Endlich sieht man hochinter¬
essante antike und altchristliche Fresken: unter den erstern die Aldobraudiuische Hoch¬
zeit (die Kunst-Meier für Goethe kopiren mußte), eins der besterhaltenen Gemälde
des Altertums. Ganz neuerdings gefunden: ein der Diana gebrachtes Opfer.

Wer in diesen Schränken ungehemmt suchen dürfte!

Indem wir nochmals deu Se. Peter durchwanderten, umschritt ich einen der
vier Pfeiler, auf welchen die Kuppel ruht, dann einen derjenige«, welche das
Tonnengewölbe des Langschiffes tragen. Der Umfang des erstern mißt 122 Schritt,
der des letztern genau die Hälfte: 66. Schon einer der kleinern Pfeiler deckt
also den Grundriß eines ziemlichen Saales.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196099/140>, abgerufen am 24.11.2024.